Die Finanzhilfen des Bundes sowie die Steuervergünstigungen haben ein bedenklich hohes Ausmaß erreicht und zur Vernachlässigung volkswirtschaftlich wichtiger Aufgabefelder geführt. Die Bürger arbeiten fast ein Jahr, damit der Bund aus den daraus fließenden Steuern Sondervorteile an einen engen Kreis an Günstlingen finanzieren kann. Ein Rückschnitt der Subventionen ist unabdingbar, um der deutschen Wirtschaft wieder eine Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Ein beherztes Subventionsabbauprogramm, das mit Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer verknüpft wird, ist eine geeignete Strategie, um Wählerstimmen zu gewinnen.
Grassierende Subventionitis seit 2014
In den vergangenen Jahren hatte die Subventionitis beim Bund wieder einmal Hochkonjunktur. Seit dem Jahr 2014 sind die Finanzhilfen des Bundes und seiner Sonderhaushalte nicht nur absolut, sondern auch relativ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf Expansionskurs, nachdem sie sich zuvor nach temporären Höchstständen in den Jahren 2009 und 2010, die sich im Gefolge der Finanzkrise eingestellt hatten, fünf Jahre lang rückläufig entwickelt hatten. Während die Finanzhilfen des Bundes im Jahr 2014 noch bei 43,6 Mrd. Euro lagen, sollten sie im Jahr 2023 nach Korrektur durch den Bundesnachtragshaushalt vom November 2023 auf 154,8 Mrd. Euro steigen. Dies ist eine Zunahme um das 3,55 fache, während das BIP während dieses Zeitraums nur um das 1,4 fache zugenommen haben.
Für das Jahr 2024 waren ohne den noch nicht beschlossenen Nachtragshaushalt 127,3 Mrd. Euro geplant. Die Bundesregierung selbst beziffert demgegenüber die Bundesfinanzhilfen für das Jahr 2024 in ihrem 29. Subventionsbericht mit nur 48,7 Mrd. Euro. Der Rückgang der Ausgabesubventionen des Bundes im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um 27,5 Mrd. Euro liegt daran, dass wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts Finanzhilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (2023: 40,8 Mrd. Euro) nicht mehr gezahlt werden sollten. Verglichen mit dem Istwert für das Jahr 2022 sind die derzeit veranschlagten Finanzhilfen des Bundes und seiner Sonderhaushalte um beinahe 42 Mrd. Euro oder um fast 50 Prozent höher. Bezieht man den zusätzlich reklamierten Finanzbedarf des Klima- und Transformationsfonds in Höhe von 8,8 Mrd. Euro mit ein, dann überragt das für Jahr 2024 angepeilte Bundesfinanzhilfevolumen jenes aus dem Jahr 2022 um knapp 60 Prozent.
Bürger müssen für die Finanzhilfeaktivitäten des Bundes fast ein Jahr arbeiten
Rein rechnerisch zehren die Finanzhilfen des Bundes im Jahr 2024: 95,3 Prozent der Einnahmen des Bundes aus der Lohn- und veranlagten Einkommensteuer (2024: 142,8 Mrd. Euro) auf. Das ist ein gewaltiger Betrag. Die Bürger arbeiten also fast ein Jahr dafür, dass der Bund einem engen Kreis an Günstlingen via Ausgabesubventionen Sondervorteile gewähren kann. Wegen hoher Subventionen wie auch Sozialausgaben ist die Steuerlast in Deutschland so drückend hoch wie in kaum einem anderen Land. Die vielen Steuervergünstigungen (2024: 74,8 Mrd. Euro) bewirken, dass andere Steuersätze höher ausfallen oder Steuerarten erforderlich sind, was ohne diese Schlupflöcher nicht der Fall wäre. Rein rechnerisch könnte man sich die Körperschaftssteuer sparen (2024: 47,7 Mrd. Euro). Die Besteuerung der Kapitalerträge erbrachte im Jahr 2024 geschätzte 34,5 Mrd. Euro. Dieser Betrag könnte alternativ in den privaten Existenzaufbau gesteckt werden, wenn der Bund auf Subventionspolitik verzichten würde. Ein Blick auf die BIP-Zahlen zeigt, dass eine gesamtwirtschaftliche Rendite der Subventionspolitik nicht erkennbar ist. Das verwundert auch nicht, zumal vier Fünftel der Finanzhilfen an Unternehmen keinen infrastrukturellen Charakter haben oder der Forschungsförderung dienen. Der Vormarsch der Finanzhilfen (wie auch Sozialausgaben) hat dazu geführt, dass volkswirtschaftlich wichtige Aufgabenfelder wie Forschung, Bildung, Infrastruktur sowie innere und äußere Sicherheit sträflich vernachlässigt worden sind.
Subventionsabbau funktioniert nur mit dem Rasenmäher
Eine Wende in der Subventionspolitik ist dringend geboten. Und zwar geht es nicht um eine Stabilisierung der Subventionsquote. Angesichts der gestiegenen geopolitischen Risiken und der aufgelaufenen Defizite in den genannten Aufgabenfeldern ist ein kräftiger Rückschnitt erforderlich. Nicht nur relativ, sondern auch absolut. Welche Strategie bietet sich dabei an? Das Zurückzucken der Bundesregierung angesichts der Bauernproteste im Frühjahr 2024 infolge der Ankündigung, Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft zu streichen, kann man wohl als krachend gescheitertes Experiment einer Politik des selektiven Subventionsabbaus werten, wie sie auch von manchen Ökonomen präferiert und propagiert wird. Diese Tatsache spricht für einen für alle gleichen prozentualen Abbau staatlicher Hilfen nach der sogenannten „Rasenmäher-Methode“. Und zwar im Rahmen eines langfristig angelegten, verbindlichen und behutsam dimensionierten Reformprogramms, das den betroffenen Wirtschaftssubjekten Zeit und Ressourcen für nötige Anpassungen lässt. Gleichbehandlung aller Subventionsbegünstigten dürfte wohl als fairer erachtet werden als ein „Sonderopfer“ für wenige. Auch wird so die Last auf breiteren Schultern verteilt, sie wird also für den einzelnen erträglicher. Die Widerstände gegen den Abbau von Privilegien lassen sich noch weiter vermindern, wenn sie gleichsam als Paket mit Steuersenkungen und/oder konsequenter Entbürokratisierung verknüpft werden. Eine Modellrechnung für ein kombiniertes Subventionsabbau- und Steuersenkungsprogramm in Deutschland haben Alfred Boss und Astrid Rosenschon im Jahr 2011 vorgelegt.
Durch Subventionsabbau und Senkung der Steuerlast lassen sich Wähler gewinnen
Die Aussicht auf Kostenentlastungen würde nicht nur den Widerstand der Lobbyisten mindern. Subventionsabbau und allgemeine Steuersenkungen würden vermutlich von jenen, die die staatlichen Wohltaten für ausgewählte Sektoren oder Unternehmen zwangsfinanzieren müssen, begrüßt und an der Wahlurne belohnt. Bei der Masse der steuerzahlenden Bürger, die in der öffentlichen Diskussion keine Stimme haben und über deren Interessen sich die politischen Entscheider zugunsten von lautstarken Lobbyisten hinwegzusetzen scheinen, dürfte es sich wohl um eine stattliche demokratische Mehrheit oder den Löwenanteil der Wähler handeln. Erforderlich und durchsetzbar erscheint daher, den verfassungsrechtlich verankerten Minderheitenschutz durch einen Mehrheitenschutz zu ergänzen und der Regierung Protektion sowie Diskriminierung zu verbieten, sei es nun via Finanzpolitik oder über hoheitliche Normen. Die Parteien der Mitte können diejenigen Wähler, die aus Protest teilweise zu den extremistischen Flügeln des Parteienspektrums abgewandert sind, sowie die Nicht-Wähler zurückerobern und die nötigen Verfassungsreformen auf den Weg bringen. Sie müssen bereit sein zu Fundamentalreformen, die Ressourcen freisetzen für staatliche Kernaufgaben zur Wiederherstellung der Zukunftssicherheit.
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