Ordnungspolitischer Kommentar
Die zwei Probleme des EU-Kommissionsplans zur Mobilisierung von Finanzmärkten gegen den Klimawandel

Spätestens seit dem Klimagipfel in Paris vom Dezember 2015 hat sich ein starker politischer Drang in der EU entwickelt, sehr ehrgeizige umweltpolitische Ziele zu erreichen, so u.a. 40 % Reduktion von CO2-Emissionen bis 2030. Hierfür beschreitet die EU-Kommission mit dem jüngsten „Action Plan“ für mehr nachhaltige Finanzierung vom 8. März allerdings einen ordnungspolitisch zweifelhaften Pfad (Link zur EU-Kommissions-Webseite über „Sustainable Finance“ am Ende des Beitrags*)

Nach Vorbereitung durch eine Expertengruppe („High level expert group“, kurz: HLEG), die bereits Ende Januar verschiedene Ideen vorgestellt hat, wie der Klimawandel in Europa über Finanzmärkte bekämpft werden könnte, sieht dieser Aktionsplan nun unter anderem vor:

  1. EU-Standards für die Definition von klimaneutralen bzw. -stabilisierenden und von generell als nachhaltig eingestuften Anlagen und Krediten;
  2. Auflagen für den Beratungs- und Entscheidungsprozess bei der Anlage, um ein „grüneres“ Anlageverhalten zu begünstigen;
  3. Regulatorische Berücksichtigung des Klimawandels beim Risikomanagement von Finanzinstituten;
  4. Ausnahmen und/oder Modifikationen bei der Eigenkapitalregulierung von Banken für die gemäß den neuen Standards definierten Kredite.

Damit will die EU-Kommission erreichen, dass eine von ihr geschätzte Lücke von 180 Mrd. Euro jährlich für nachhaltige Finanzierung in der EU geschlossen wird. Dies ist jedoch – bei allen guten Absichten, CO2-Emissionen schnellstmöglich zu senken – ordnungspolitisch gleich doppelt problematisch.

Das erste Problem

Der Plan hat fragliche umweltpolitische Erfolgsaussichten. Bei der Emissionsproblematik handelt es sich um einen negativen externen Effekt. Dieses Marktversagen zeigt an, dass auf Kosten der Umwelt eine Fehlallokation stattfindet – die Preise z.B. für mit CO2–Emissionen einhergehende Güter und Transporte sind zu niedrig und die Mengen zu hoch. Die korrekte umweltpolitische Antwort hierauf wäre eine Internalisierung durch Auflagen, Stück-Besteuerung oder sonstige Verteuerung für die Emission – nicht jedoch eine Subvention der emissionsfreien Energie, wie es nun auch eine „grüne“ Finanzmarktregulierung mit Belohnung von „sauberer“ Finanzierung anstrebt. Eine solche Subvention ist eine nur sehr ungenau wirkende umweltpolitische Maßnahme. Um es pointierter auszudrücken: CO2-Emissionen mittels Finanzmarktregulierung in großem Maße senken zu wollen ist ungefähr so, als würde man weniger Schadstoffausstoß bei Dieselfahrzeugen durch Förderung bei Fortbildungsmaßnahmen von IT-Spezialisten der Autohersteller zu erreichen versuchen.

Hinzu kommt: Allein auf Klimawandel hin ausgerichtete Anleihen (also ohne sonstige Kredite und Finanzwerte) umfassten bereits 2017 gemäß der Climate Bond Initiative global rund 160 Mrd. Dollar und haben sich damit gegenüber 2016 fast verdoppelt (Bericht „Green Bonds Highlights 2017“, vom Januar 2018). Sollte sich diese Dynamik fortsetzen, würde der von der EU-Kommission vorgegebene Bedarf von 180 Mrd. Euro an zusätzlichen privaten Investitionen auch in Europa schnell von allein erreicht – ganz ohne Regulierungsänderungen. Das hohe Wachstum ist auch eine Reaktion der Finanzmärte auf bestehende, effektivere Umweltpolitik. Eine massive Förderung kann dann sogar zu einer Finanzmarktblase führen – und eine Krise riskieren, also das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

Das zweite Problem

Der Plan verzerrt die Finanzmärkte in den vier angesprochenen Punkten der Förderung von Nachhaltigkeit.

Zur Standardisierung: Der rasch wachsende nachhaltige Finanzmarktsektor umfasst neben auf Klimaschutz bezogenen Anlageprodukten auch andere umweltfreundliche Finanzierung, die Finanzierung sozial gewünschter Projekte und einen Bereich, der Corporate Governance und ethische Vorstellungen der Anleger reflektieren soll. Die Marktteilnehmer haben bereits eine Reihe von Standards entwickelt, wie z.B. die Green Bond Principles des internationalen Verbands für Anleihemärkte (ICMA). Hier nun neue EU-Mindeststandards einführen zu wollen, kann leicht die gerade in dieser frühen Wachstumsphase notwendigen Innovationen der Branche selbst behindern. Ein volkswirtschaftlicher Zugewinn durch EU-Mindeststandards wäre nur dann zu erwarten, wenn nachhaltige Anlagen stagnieren und/oder sich sehr langsam entwickeln würden. Dies scheint aber angesichts des beschriebenen Wachstums von auf Klimaschutz bezogene Anleihen nicht der Fall zu sein. Ein noch höheres Wachstum durch weiche Mindeststandards zu fördern kann dann schnell zu „Green Washing“ und Blasenbildung führen.

Zu Auflagen für die Anlageentscheidung: Verpflich­tende Beratung zu nachhaltigen Anlagen und Auflagen für den institutionellen Anlageprozess riskieren, schnell zu einer Bevormundung und Wettbewerbsverzerrung zu mutieren. Solche Anlagen werden bereits im Auftrag der Anleger mit vielfältigen unterschiedlichen Interessen durch unabhängige Nachhaltigkeits-Ratingagenturen eingestuft, z.B. durch die oekom research AG in München.

Zur Berücksichtigung von Klimawandel im Risikomanagement: Der Klimawandel birgt für den Finanzsektor ein gestiegenes Risiko umfassender Finanzkrisen („Systemrisiko“). Denn einerseits kann es zu mehr Naturkatastrophen kommen, die z.B. die Versicherungsbranche erschüttern würden („physical risks“). Andererseits wäre es denkbar, dass die Wirtschaft insgesamt zu spät auf den Klimawandel reagiert und abrupt ihre CO2-Emissionen senken muss, mit potenziell verheerenden Auswirkungen auf den Finanzsektor („transition risks“). Auch hier sind bereits einige Initiativen im Finanzsektor selbst erkennbar (z.B. die von Michael Bloomberg geleitete Task Force zum Klimawandel, kurz: TCFD). Die Frage ist, ob sie ausreichen, wenn z.B. Banken von sich aus zu wenig unternehmen, um ihre wirtschaftliche Existenz zu schützen, und dadurch das Bankensystem durch Dominoeffekte insgesamt in Schieflage bringen. Da der Ursprung dieses Systemrisikos aber in der Umweltproblematik liegt, wäre eine umweltpolitische Lösung wünschenswert; ein tiefgreifender Eingriff ins Risikomanagement der Banken jedoch ist nur eine unbefriedigende, aufwändige Notlösung – bei absehbar erst längerfristiger Perspektive, bis diese Klimarisiken sich materialisieren würden.

Zu Klimaschutzausnahmen für Eigenkapitalregulierung: Dieser Bereich von den genannten Schwerpunkten des EU-Kommissions-Plans ist der vermutlich kurzfristig schädlichste und stieß bereits auf Kritik aus der Bundesbank und der europäischen Finanzaufsicht. Denn ein impliziter Zusammenhang von Finanzmarktstabilität und generell Bankkrediten mit Bezug auf Umwelt, Soziales und Corporate Governance ist zwar theoretisch denkbar, aber empirisch schwer nachzuweisen. Jegliche Ausnahmeregelung, Subventionierung oder Begünstigung von Krediten bei der Eigenkapitalregulierung zum Zwecke der Nachhaltigkeit bei CO2-Emissionen droht daher, zu reduzierter Nachhaltigkeit bei der Stabilität von Finanzmärkten zu führen. Es war eine der Lehren aus der globalen Finanzmarktkrise von 2007-2009, dass Banken durch das Regulierungswerk von Basel III mehr und besseres Eigenkapital für ihre Kredite vorhalten müssten. Umgekehrt wäre auch eine zusätzliche regulatorische Belastung von Bankkrediten verfehlt, die nicht als „grün“ klassifiziert würden – denn dies könnte eine regulatorische Überlastung und Systemrisiken im Finanzsektor bedeuten. Die regulatorische Belastung für Banken der letzten Jahre sollte also allein aus Finanzmarktstabilitätsgründen diskutiert werden – nicht wegen umweltpolitischer Ziele.

Wie sich Finanzmärkte besser gegen Klimawandel mobilisieren ließen

Die EU-Kommissionspläne sind auch vor dem Hintergrund einer globalen Kontroverse über den richtigen Umgang mit dem Klimawandel zu sehen. Mittlerweile haben die USA den Konsens der meisten Industrieländer verlassen, und der Brexit sowie Chinas starkes Engagement für mehr Nachhaltigkeitsfinanzierung bieten gleich mehrere verführerische industriepolitische Anreize für neue Subventionen in der EU. Es ist wegen der dargestellten ordnungspolitischen Bedenken zu hoffen, dass der Aktionsplan der EU-Kommission bis 2019 in volkswirtschaftlich sinnvollere Bahnen gelenkt wird.

Schon jetzt gibt es beispielsweise mit dem EU-Emissionshandel ein ordnungspolitisch viel besseres und in der Praxis immer effektiver laufendes Instrument, um die CO2-Emissionen zu senken. Will man das CO2-Emissionsziel in der EU bis 2030 erreichen, lässt sich dies – bei ausreichendem politischen Willen – über eine Anpassung dieses Handelssystems erreichen.

Ferner könnten die EU und ihre Mitgliedstaaten mit gutem Beispiel vorangehen und entsprechend für mehr staatliche grüne Anleihen, und für mehr Nachhaltigkeitsziele bei der Verwaltung öffentlichen Vermögens sorgen. Eine solche erweiterte, öffentliche Finanzierung statt Subventionierung privater Kredite wäre auch für die Förderung erneuerbarer Energien sinnvoller, sofern die EU-Staaten darin Zukunftschancen sehen (gegen den Klimawandel sind jedoch erneuerbare Energien wie gezeigt nicht so wirksam).

Und schließlich werden von den beschriebenen Regulierungsvorhaben nicht beeinträchtigte Finanzmärkte noch an anderer Stelle gebraucht: Bei der Unterstützung der Emerging Markets bei deren – dort viel kostengünstiger möglichen – Reduktion von CO2-Emissionen.

*Link zur Webseite der EU-Kommission zu Nachhaltiger Finanzierung: https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/sustainable-finance_de

Philipp Paulus

Eine Antwort auf „Ordnungspolitischer Kommentar
Die zwei Probleme des EU-Kommissionsplans zur Mobilisierung von Finanzmärkten gegen den Klimawandel“

  1. “Nachhaltig“ ist mindestens genau so ein Wieselwort wie “sozial“ oder “gerecht“.

    Die Vermarktung solcher Begriffe in der Werbung ist ohnehin schon Fischen in ziemlich trüben Gewässern. Da sollte sich der Staat raushalten.

    Regierungen mit Sendungsbewusstsein im Klimaschutz, sollten ihren Mut beweisen, indem sie ihren Bürgern einmal eine Treibhausgas-Steuer zur Wahl stellen. Warum traut sich das eigentlich keine Regierung?

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