Zum Aufschwung in Deutschland 2005 bis 2008:
Nicht nur der Export hat es gebracht!

Der deutschen Wirtschaft wird zum Vorwurf gemacht, das Wachstum im vergangenen Aufschwung sei vorwiegend aus dem Exportgeschäft gekommen. Das ist falsch. Vor allem die inländische Investitionstätigkeit hat markant zum Wachstum beigetragen. Auch im internationalen Vergleich weist Deutschland eine gute Wachstumsbalance auf.

Die gegenwärtige Wirtschaftskrise hat vieles auf den Prüfstand gestellt. Im Finanzbereich ist an der einen und anderen Stelle eine Neuorientierung notwendig. Auch die vergleichsweise starke Orientierung der deutschen Unternehmen auf die Produktion von Industriewaren und auf die Kunden rund um den Globus ist für manche der Grund für die starken wirtschaftlichen Einschläge in Deutschland im Gefolge der weltweiten Wirtschaftskrise.

Richtig ist, dass die deutsche Wirtschaft mit ihrer stärker ausgeprägten Industrie- und Weltmarktorientierung durch den einbrechenden Welthandel heftiger unter Druck kam als andere, eher binnenorientiert Volkswirtschaften. Gleichwohl hat die wieder anziehende Weltwirtschaft die Trendwende in Deutschland schneller und stärker eingeleitet als anderswo. Der Vorwurf, die deutsche Wirtschaft sei im vergangenen Aufschwung nur auf Basis ihres boomenden Exportmotors gelaufen und dabei wurde die Binnenkonjunktur sträflich vernachlässigt, ist jedoch falsch.

Nimmt man die Jahre 2005 bis 2008 in den Blick, also die letzte konjunkturelle Aufschwungsphase, in der Deutschland unter anderem beim Blick auf den Warenhandel Exportweltmeister war, dann zeigt sich ein gemischtes Bild: Der deutsche Konjunkturmotor lief auf beiden Zylindern – vom jahresdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum in Höhe von knapp 2 Prozent entfielen 0,7 Prozentpunkte auf den Außenbeitrag, also den Exportüberschuss. Der größte Teil, nämlich 1,2 Prozentpunkte entfiel auf die Inlandsnachfrage. Dazu im Detail (Abbildung 1):

Abbildung 1:
Wachstumsbeiträge in Deutschland aus dem Inland und Ausland

Beiträge der Verwendungskomponenten zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts gegenüber Vorjahr in Prozentpunkten
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

  • Der Private Konsum hat mit Ausnahme des Jahres 2006, das stark von den Vorzieheffekten wegen der im Jahr 2007 erfolgten Mehrwertsteuererhöhung geprägt war, kaum etwas zum Wirtschaftswachstum beigesteuert. Das war in den 1990er Jahren deutlich anders. Diese schwache Konsumperformance muss allerdings auch vor dem Hintergrund der hohen Entzugseffekte infolge der Rohstoffpreiserhöhungen und im Jahr 2007 infolge der Mehrwertsteuererhöhung gesehen werden. Dazu kommt dann sicherlich auch die moderate Lohnentwicklung, die andererseits aber auch die Beschäftigungsentwicklung stark begünstigt hat.
  • Die Inlandsnachfrage besteht aber nicht nur aus dem Konsum. Nicht zu vergessen ist die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Und diese ist im vergangenen Aufschwung kräftig angesprungen und hat auch das Wachstum markant belebt. Vor allem in den Jahren 2006 bis 2008 haben die Inlandsinvestitionen pro Jahr im Schnitt rund einen Prozentpunkt zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Der rollende Exportmotor hat somit sogar in leicht höherem Ausmaß die inländische Investitionstätigkeit stimuliert.

Im Krisenjahr 2009 war es dann vor allem der Staat, der mit seinen Ausgaben dem weg brechenden Außenbeitrag und der rückläufigen Investitionstätigkeit etwas entgegenwirkte. Auch der private Konsum wirkte auch wegen der stabilen Beschäftigung noch stabilisierend.

Abbildung 2:
Wachstumsbeiträge im internationalen Vergleich

Beiträge der der Inlandsnachfrage und des Außenbeitrags zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Zeitraum 2005 bis 2008 in Prozentpunkten
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –

Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

Im internationalen Vergleich (Abbildung 2) fällt Deutschland mit der Struktur seiner Wachstumsbeiträge eigentlich gar nicht so sehr aus der Rolle: Wie erwähnt läuft der deutsche Wachstumsmotor auf beiden Töpfen, und dabei sogar mit einer stärkerer Taktung bei der Inlandsnachfrage. In Japan und der Schweiz hat der Außenbeitrag im Zeitraum 2005 bis 2008 einerseits erheblich mehr zum Wachstum beigesteuert. Andererseits gibt es eine Reihe von Ländern, wo die Wachstumsimpulse ausschließlich aus der Binnennachfrage kamen – wie zum Beispiel in Dänemark, Frankreich, Spanien, Belgien, Schweden und mit Abstrichen auch im Vereinigten Königreich und Italien. Deutschlands Wachstumsbasis war dagegen viel stärker auf die Inlands- und Auslandsnachfrage ausbalanciert.

2 Antworten auf „Zum Aufschwung in Deutschland 2005 bis 2008:
Nicht nur der Export hat es gebracht!“

  1. Eine interessante Betrachtung, überraschend finde ich auch, die Entwicklung in Richtung stärker Exportorientierung etwa in Spanien und Frankreich. Allerdings sollte über die Wachstumsbetrachtung hinweg nicht übersehen werden, dass Deutschland nach wie vor absolut gesehen extrem vom Export abhängig ist. Mit einer Exportquote von immer noch deutlich über 40% liegen wir beispielsweise weit vor Frankreich. Ich bin gespannt, wo in den nächsten Jahren unsere Wachstumsbeiträge generiert werden. Der in letzter Zeit häufiger vorgetragene Meinung, man müsse sich von einem (im eigentlichnen Sinne nicht existenten) „Exportmodell Deutschland“ verabschieden, sollte man daher mit Vorsicht begegnen.

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