Was ist die drängendste Herausforderung der Menschheit? Es ist wenig überraschend der Klimawandel. 67 Prozent der globalen Bevölkerung denkt so. Und wie schlagen wir uns bei der Bewältigung dieser Herausforderung? Auch hier ist die Antwort wenig überraschend: ziemlich schlecht.
Der Ausstoß der weltweiten Treibhausgasemissionen liegt heute rund 40 Prozent über dem Wert von 1990 (Abb. 1).
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Die Konsequenzen sind weitreichend: Der steigende Meeresspiegel zerstört Infrastruktur, Permafrostböden tauen auf und extreme Wetterlagen treten häufiger auf. Am meisten leiden darunter ärmere Bevölkerungsschichten: Ihr Risiko zu hungern steigt.
Warum lassen wir diese Entwicklung zu? Der Klimawandel wird von den Menschen als größte Herausforderung gesehen, bei Wahlen stimmen die meisten für die Reduktion der Emissionen – aber der globale Emissionsausstoß steigt weiter. Was sind die Gründe für diesen Widerspruch?
Im Kern gibt es dafür zwei Erklärungen: negative Externalitäten und Trittbrettfahrer-Verhalten.
Zunächst: Was sind Externalitäten, in diesem Fall negative Externalitäten, auch negative externe Effekte genannt? Sie entstehen, wenn bei der Produktion oder beim Konsum eines Produkts einer dritten Partei Kosten entstehen, die mit dem eigentlichen Marktprozess zwischen Produzenten und Konsumenten nichts zu tun haben. Das war – und ist teilweise noch heute – bei der Emission von Treibhausgasen so. Diese schädigen andere (Folgen des Klimawandels), ohne dass die Verursacher dafür zur Verantwortung gezogen werden. Warum sollte ein Fabrik-Besitzer seine Emissionen reduzieren, wenn ihn die Emission nichts kostet? Warum sollten Autofahrer weniger fahren, wenn sie nicht für die negativen externen Effekte haften müssen?
Es gibt Versuche, diese Externalitäten zu quantifizieren. Laut Internationalem Währungsfonds belaufen sich die versteckten globalen Kosten fossiler Brennstoffe auf fünf Billionen US-Dollar jährlich. Das entspricht 6,5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.
Zwischenfazit Nummer eins: Externalitäten führen zu zu hohen Treibhausgasemissionen, weil die Verursacher nicht die Kosten der Verschmutzung tragen.
Neben negativen externen Effekten gibt es einen zweiten Grund, warum die Treibhausgasemssionen zunehmen. Wegen Trittbrettfahrer-Verhaltens.
Das Trittbrett-Fahrer-Problem ist eine Form von Marktversagen. Es tritt auf, wenn jene, die von Ressourcen (etwa saubere Luft), öffentlichen Gütern (etwa Straßen oder Krankenhäuser) oder Dienstleistungen mit Gemeinschaftscharakter (etwa Rechtssicherheit) nicht bezahlen oder zu wenig bezahlen.
Beim Kampf gegen den Klimawandel tritt dieses Trittfahrer-Problem auf. Weil das Klima ein globales Gemeingut ist, kommen die Vorteile von Maßnahmen zur Emissionsreduktion in einem Land allen Ländern zugute. Die Folge: Ländern, die einem rationalen Kalkül unterliegen, werden ihre Minderungsbemühungen minimieren und versuchen als Trittbrettfahrer von den Anstrengungen anderer Staaten zu profitieren. Denken und handeln alle Staaten so, unterbleibt notweniger Klimaschutz.
Zwischenfazit Nummer zwei: Trittbrettfahrer-Verhalten tritt auf, wenn eine Partei von einem öffentlichen Gut profitiert, ohne an den Kosten beteiligt zu werden. Im Falle internationaler Klimapolitik, hat jeder Staat den Anreiz sich auf die Emissions-Reduktion der anderen Staaten zu verlassen, ohne seine heimischen Emissionen anteilsmäßig zu reduzieren.
Wie entkommen wir aus diesem doppelten Dilemma? Wir brauchen Preise für CO2-Emissionen und eine Club-Gründung.
Die ökonomische Literatur, die sich mit Marktversagen in Folge von Externalitäten beschäftigt, kennt im Kern drei Wege ein solches Marktversagen zu beheben:
- Die Besteuerung der Emittenten entsprechend der marginalen sozialen Grenzkosten, die so genannte Pigou-Steuer;
- die Vergabe von Eigentumsrechten an Emissionen mit darauffolgendem Handel mit diesen Eigentumsrechten;
- die Regulierung durch den Staat.
Die meisten Ökonomen sind der Meinung, dass der beste Weg, Treibhausgase zu reduzieren, der ist, den Emissionen einen Preis zu geben.
Es gibt dafür zwei Wege: ein ‘Cap-and-Trade‘-System oder eine Emissions-Steuer:
- In einem ‘Cap-and-Trade‘-System wird ein maximales Level an Verschmutzung (‘cap’) definiert. Produzenten und andere (CO2)-Emittenten brauchen dann eine Lizenz um Kohlendioxid emittieren zu können. In der Folge schwankt der Preis pro Emissions-Einheit. Die Kosten der Lizenzen werden dabei durch ein Handelssystem bestimmt.
- Eine Emissions-Steuer ist eine Abgabe, die auf alle Waren und Dienstleistungen erhoben wird, bei deren Produktion etwa CO2 emittiert wird.
Der Ökonom und Philosoph Max Roser sagt in „The argument for a carbon price„:
“In beiden Systemen steigt der Preis eines Produkts mit der Menge an Kohlenstoff, die bei seiner Herstellung emittiert wird. Das Ergebnis ist, Produkte mit geringem CO2-Fußabdruck (wie Bahnfahren oder Solarenergie) werden kaum teurer, während Güter, die viel Emissionen verursachen (wie Flugverkehr oder Kohleverstromung), deutlich im Preis steigen. Dies hilft uns, Emissionen und Umweltverschmutzung auf zwei Arten zu reduzieren: Es verteuert kohlenstoffintensive Waren erheblich, was bedeutet, dass sich die Verbraucher für billigere kohlenstoffarme Alternativen entscheiden, wenn diese verfügbar sind; und in Märkten, auf denen sie noch nicht verfügbar sind, werden die Hersteller Anreize erhalten, kohlenstoffarme Alternativen zu entwickeln.”
Beide Systeme, ‘Cap-and-Trade‘ und CO2-Steuer, haben einen wichtigen Vorteil:
- Durch das Setzen eines Emissionsdeckels (der in der Regel so konstruiert ist, dass er im Zeitverlauf absinkt), gibt es eine große Sicherheit darüber, dass die gesteckten Ziele erreicht werden.
- Eine CO2-Steuer führt zu einem verlässlichen Emissions-Preis, so dass Energie-Erzeuger und Unternehmer Investitionsentscheidungen ohne große Sorge vor stark schwankenden Regulierungskosten treffen können.
Es gibt also praktikable Lösungen, um negative Externalitäten zu internalisieren. Und in einigen Weltregionen wurden entsprechende Lösungen bereits implementiert. Die Richtung stimmt, der Umfang ist nicht ungenügend.
Das könnte auch an der zweiten großen Herausforderung liegen: dem Trittbrettfahrer-Problem.
Die entscheidende Frage ist hier, wie man der Tendenz von Staaten zum Trittbrettfahren erfolgversprechend entgegnen kann. Die einfache Antwort ist: Es braucht Anreize, um auf das Trittbrettfahren zu verzichten.
Die Lösung: die Gründung eines Klubs.
Für diese Idee ist William Nordhaus (*1941) bekannt, der 2018 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt.
So erklärt Nordhaus selbst die Idee: “Also was ist ein Klub? Obwohl die meisten von uns Clubs angehören, denken wir selten über deren Struktur nach. Ein Club ist eine freiwillige Gruppe, die gegenseitigen Nutzen daraus zieht, die Kosten für die Herstellung eines gemeinsamen Gutes oder einer gemeinsamen Dienstleistung zu teilen. Die Gewinne eines erfolgreichen Clubs sind so groß, dass die Mitglieder Beiträge zahlen und sich an die Clubregeln halten, um die Vorteile der Mitgliedschaft zu nutzen.”
Der wesentliche Unterschied zu bestehenden Kooperationen wie dem Kyoto-Protokoll und dem Pariser Klima-Abkommen besteht darin, dass bei einer Club-Lösung Nichtmitglieder bestraft werden können.
Noch einmal Nordhaus: “Als Strafe wird hier ein einheitlicher prozentualer Zölle auf die Einfuhr von Nichtteilnehmern in die Clubregion vorgeschlagen. Berechnungen deuten darauf hin, dass ein relativ niedriger Strafzollsatz eine breite Beteiligung unter den Ländern bewirken würde.”
Ein Beispiel: Die Länder A, B und C gründen den FCC-Club (Fight Climate Change). Sie verpflichten sich, die CO2-Emissionen zu reduzieren, indem sie die Emissionen bepreisen. Land D macht nicht mit. In der Folge profitiert Land D von zwei Dingen: einer saubereren Umwelt und einer heimischen Industrie mit relativ niedrigeren Produktionskosten. Aber es gibt auch einen Nachteil für Land D: Es muss Strafzölle zahlen, da es nach A, B oder C exportiert. Wenn die Zölle die Vorteile der saubereren Umwelt und der niedrigeren Produktionskosten übersteigen, profitiert Land D von einem Beitritt zum FCC-Club.
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Zusammenfassung:
Es ist möglich, den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen. Dafür müssen CO2-Emissionen weltweit bepreist werden. Wo dies bereits geschehen ist, können Wachstum und Rückgang von Treibhausgasemissionen zwei Seiten derselben Medaille sein (Abb. 2). Außerdem müssen wir ein weltweites Klubmodell etablieren. Dies ist notwendig, um eine strategische Situation zu schaffen, in der Länder, die in ihrem eigenen Interesse handeln, sich dafür entscheiden, dem Club beizutreten und Emissionen zu reduzieren. In einer solchen Win-Win-Situation müssen sich Menschen und Länder nicht entscheiden, ob sie den Klimawandel bekämpfen oder sich in ihrem eigenen Interesse verhalten. Was im eigenen Interesse liegt, ist dann gleichzeitig gut für die Umwelt. So geht gute Ordnungspolitik.
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Eine Frage – eine Antwort: “The Simple Question” beantwortet Fragen aus unser aller Leben mit Hilfe ökonomischer Erkenntnis und in Kürze. Alle Folgen gibt es hier (auf Englisch).
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William Nordhaus will zwar einen Klima-Fight-Club gründen, aber die Klimaerwärmung lediglich auf 3,5°C begrenzen. Das 2,0°C-Ziel schadet seiner Meinung nach dem Wohlstand, und das 1,5°-Ziel hält er wohl für des Wahnsinns fette Beute, auch wenn er sich diplomatischer ausdrückt.
Darf man die Umfrage der UNESCO für bare Münze nehmen? Im wohlhabenden Deutschland kommen Frondel et. al. zu ganz anderen Ergebnissen („Wahrnehmung des Klimawandels in Deutschland: Eine Längsschnittbefragung privater Haushalte“, Zeitschrift für Energiewirtschaft Vol. 45, S. 119–131, 2021). Hier zitiere ich ein paar Highlights daraus: https://parabellum.minimalstaat.de/comment/314#comment-314
So liegt die Zahlungsbereitschaft zu Klimaschutzzwecken im Median lediglich bei 5?€ pro Monat. Braut sich Gegenwind aus gelb-westlicher Richtung zusammen?
Jetzt auf Youtube verfügbar: https://youtu.be/RXn-RHWmQio
Einige Befunde mussten inzwischen revidiert werden, doch die Skepsis ist noch immer erfrischend.
Kaum bezweifelbar ist aber die Geschichte warum & wie Magret Thatcher (!) den IPCC gründete.
Von Anfang an ein ideologisches Projekt, das dann von den Kapitalismusverächtern gekapert wurde, denen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Argumente auszugehen drohten…