GastbeitragKrankenhausversorgung braucht bessere Planung und Finanzierung

Unter Gesundheitsexperten besteht weitgehender Konsens, dass das deutsche Krankenhauswesen drei Fehlversorgungsmerkmale aufweist: Erstens ist die Anzahl der Krankenhausbetten zu hoch, zweitens gibt es zu viele zu kleine Krankenhäuser und drittens wird zu wenig in Krankenhäuser investiert.

Tatsächlich verfügt Deutschland pro Kopf über deutlich mehr Krankenhausbetten als andere reiche Industrieländer. Deutschland weist zudem eine überdurchschnittlich hohe Belegung dieser Betten auf. Das ist auch deshalb auffällig, weil sich Deutschland in anderen Kerngrößen der Krankenhausversorgung sowie im Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt kaum von anderen reichen Industrieländern unterscheidet.

Hohe Krankenhausdichte, kleine Kliniken

Neben der hohen Anzahl von Krankenhausbetten hat Deutschland im internationalen Vergleich eine sehr hohe Krankenhausdichte. Für sich genommen ist das kein Nachteil, denn die hohe Krankenhausdichte bedeutet eine sehr gute Erreichbarkeit von Krankenhäusern, die in anderen Ländern so nicht gewährleistet ist. Allerdings sind viele dieser Krankenhäuser sehr klein. Weil kleine Krankenhäuser eine geringere Anzahl von Patienten versorgen, werden dort weniger Erfahrungen mit seltener auftretenden Behandlungsfällen gemacht, worunter die Behandlungsqualität leidet. Zudem sind kleinere Krankenhäuser in der Regel schlechter mit medizinischen Großgeräten ausgestattet. Als weiteres Problem kommt hinzu, dass kleinere Krankenhäuser wirtschaftlich weniger leistungsfähig sind. Empirisch sollten Krankenhäuser mindestens über eine Anzahl von 300 Betten verfügen, um wirtschaftlich zu sein. In Deutschland haben zwei Drittel der allgemeinen Krankenhäuser eine geringere Anzahl an Betten.

Schließlich gelten viele Krankenhäuser in Deutschland als schlecht mit Geräten und Gebäuden. ausgestattet. Für die Finanzierung von Krankenhausinvestitionen sind in Deutschland die Bundesländer verantwortlich. Dieser Aufgabe kommen sie aber seit vielen Jahren nur unzureichend nach. So haben sich die realen Ausgaben der Länder für Krankenhausinvestitionen seit dem Jahr 1991 fast halbiert.

Interessenskonflikt zwischen Bund und Länder

Dass Krankenhausleistungen nicht optimal erbracht werden, ist aus ökonomischer Perspektive nicht überraschend. Insbesondere das Informationsgefälle zwischen Krankenhäusern und Patienten führt sowohl zu Über- als auch Fehlversorgungen. Die auffällig hohe Bettenzahl in Deutschland, die vielen kleinen Krankenhäuser und ungenügende Krankenaushausinvestitionen lassen sich aber nicht allein auf solche Merkmale zurückführen, die Krankenhausleistungen systematisch anhaften. In Deutschland tragen regulatorische Unzulänglichkeiten in Planung und Finanzierung nicht unerheblich zu einer suboptimalen Krankenhausversorgung bei.

Gegenwärtig ist die Krankenhausplanung geprägt durch ein komplexes Geflecht verteilter Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Die damit einhergehenden Interessengegensätze und Anreize führen zu einem starken Beharren auf dem Status Quo. Das zeigt sich insbesondere in der mangelnden Anpassung an sich verändernde Versorgungsbedarfe. Der starke Einfluss regionaler Entscheidungsträger auf die Krankenhausplanung begünstigt etwa eine zu große Anzahl kleiner Krankenhäuser in der Fläche.

Regulierungsbehörde stellt Mindestversorgung sicher

Seit langem gibt es daher den Vorschlag, die Planung von der Landes- auf die Bundesebene zu verlagern und dafür eine bundesweite Regulierungsagentur zu errichten. Eine Regulierungsbehörde wäre nicht in gleichem Maße dem politischen Druck zur Erhaltung einer ortsnahen, aber häufig ineffizienten und medizinisch minderwertigen Versorgung ausgesetzt wie die Kommunal- und Landespolitik. Eine Bundeskrankenhausbehörde wäre daher besser als die Länder in der Lage, die Mindestversorgung, die flächendeckend zu gewährleisten ist, auf der Grundlage evidenzbasierter Kriterien festzulegen und in den Leistungsbereichen, in denen dies unter Qualitätsgesichtspunkten ratsam ist, die gebotene Zentralisierung der Versorgungsstruktur durchzusetzen.

Wie bisher die Länder müsste eine Regulierungsbehörde zunächst die Ziele der Krankenhausversorgung festlegen und würde auf dieser Grundlage einen Krankenhausplan erstellen. Eine zentrale Aufgabe der Regulierungsbehörde bestünde in der Gewährleistung einer Mindestversorgung. Für Leistungsbereiche, die einem Wettbewerb zugänglich sind – also vor allem bei Wahlleistungen von Krankenhäusern – könnte sich der Krankenhausplan auf eine klare Definition einer hochwertigen Mindestversorgung beschränken. Solange die Mindestversorgung nicht unterschritten wird, könnten die Anpassung von Angebot und Nachfrage dem Wettbewerb zwischen all jenen Krankenhäusern überlassen bleiben, welche die Qualitätsziele erfüllen. Dem Wettbewerb sollte umso mehr Spielraum belassen werden, je besser der Qualitätswettbewerb funktioniert. Rechnung zu tragen bliebe allerdings der Gefahr einer angebotsinduzierten Überversorgung. Wo Evidenz für einen medizinisch nicht erklärbarer Anstieg von Fallzahlen besteht, wäre die Regulierungsbehörde ermächtigt, einzugreifen und Fallzahlen zu deckeln. Wo sich die Regulierung auf eine Definition der Mindestversorgung und einer Höchstversorgung beschränkt, ist zugleich der Spielraum für Wettbewerb klar umrissen. Diesen Wettbewerb gilt es, vor Wettbewerbsbeschränkungen – einschließlich staatlicher Beihilfen – zu schützen.

Duale Finanzierung ist gescheitert

Ähnlich wie die Planung ist die Finanzierung von Krankenhäusern bislang durch verteilte Kompetenzen gekennzeichnet. Die Ausgaben der Krankenhäuser werden nach dem Prinzip der dualen Finanzierung zwischen den Krankenversicherungen der Patienten und den Ländern aufgeteilt. Nach diesem Prinzip übernehmen die Krankenversicherungen (gesetzlich und privat) die Betriebskosten der Krankenhäuser, d.h. alle Kosten, die durch die Behandlung von Patienten entstehen. Krankenhausinvestitionen dagegen sollen von den Ländern getragen werden.

Weil die Länder dieser Verantwortung in den vergangenen drei Jahrzehnten immer weniger nachgekommen sind, versuchen die Krankenhäuser, Deckungsbeiträge für Investitionen mit Behandlungsfällen zu erwirtschaften, deren Vergütung solche Deckungsbeiträge jedoch eigentlich nicht berücksichtigt. Die hohe Anzahl von Krankenhausbetten und deren überdurchschnittliche Belegung in Deutschland erklärt sich daher anteilig aus dem Versuch, durch hohe Fallzahlen die für Investitionen benötigten Mittel zu generieren. Dies bedeutet zugleich, dass sich Krankenhäuser und ärztliches Personal dem Konflikt ausgesetzt sehen, Behandlungen in Erwägung zu ziehen, die eher betriebswirtschaftlich motiviert als medizinisch indiziert sind.

System der monistischen Finanzierung

Um Fehlanreize, die durch die duale Finanzierung von Krankenhäusern ausgelöst werden, zu beseitigen, sollte die Zentralisierung der Krankenhausplanung mit einem Übergang zu einem System der monistischen Finanzierung verbunden werden. In einem solchen System übernehmen die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen nicht nur die Betriebskosten der Krankenhäuser, sondern finanzieren auch die Krankenhausinvestitionen.

Eine marktnahe Umsetzung der monistischen Finanzierung bestünde darin, in die Fallpauschalen eine Investitionskomponente aufzunehmen. Fallpauschalen übernähmen dann eine ähnliche Funktion wie Marktpreise, die erwerbswirtschaftlichen Unternehmen dazu dienen, Betriebs- und Investitionskosten zu finanzieren. Freilich wären bei der Tarifgestaltung neben linearen Tarifen gespaltene Tarife denkbar. In dem Fall würden die Krankenversicherer den Krankenhäusern zusätzlich zu den Behandlungskosten ein mengenunabhängiges Entgelt für die Deckung fixer Kosten zahlen.

Indessen kann auch bei monistischer Finanzierung keine vollständige Analogie zwischen Markpreisen und Fallpauschalen bestehen. Während sich idealtypische Preise in Wettbewerbsmärkten durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage herausbilden, handelt es sich bei Fallpauschalen um administrierte Entgelte für Behandlungsfälle, deren Mengen ihrerseits spezifischen Regulierungen unterliegen. Ein auf Fallpauschalen basierendes System muss in deutlich stärkerem Umfang explizite Qualitätsparameter berücksichtigen, wobei die neuen Möglichkeiten der Datenökonomie für die Messung von Behandlungsqualität in Zukunft viel stärker genutzt werden sollten. Auf diese Weise können Fallpauschalen Anreize für ein effizientes Maß an Investitionen, etwa in Medizingeräte, setzen und eine Feinsteuerung der Verteilung des Krankenhausangebots im Raum bewirken.

Bessere und wirtschaftlichere Krankenhausleistungen

Der Übergang zu einer monistisch finanzierten Krankenhausversorgung, verbunden mit einer Klarstellung der Aufgabenverteilung zwischen Wettbewerb und (künftig zentralisierter) Planung, dürfte insgesamt zu einer besseren und wirtschaftlicheren Bereitstellung von Krankenhausleistungen beitragen. Der Anreiz, mit Behandlungsfällen Deckungsbeiträge für ansonsten unterfinanzierte Krankenhausinvestitionen zu generieren, würde geschwächt. Das wiederum sollte den Anreiz begrenzen, möglichst viele Krankenhausbetten vorzuhalten. Die Länder würden ihre zentrale Rolle in der Krankenhausplanung verlieren. Entsprechend würden lokale Entscheidungsträger weniger Einfluss auf Krankenhausstandorte ausüben können. Das wiederum würde Spielräume dafür eröffnen, dass sich Krankenhausbehandlungen in einem gestärkten Qualitätswettbewerb künftig stärker in größeren, überregionalen Einrichtungen zu konzentrieren.

Diese Empfehlung gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Corona-Pandemie. Zwar wird die Überversorgung mit Krankenhausbetten in Deutschland seither von einigen Seiten deutlich günstiger bewertet. Eine auffällige Krisenresilienz hat das deutsche Krankenhaussystem im Vergleich mit anderen Ländern aber nicht ausgezeichnet. Eher hat sich der deutsche Gesundheitsföderalismus in der Corona-Pandemie als schwerfällig und entscheidungsschwach erwiesen. Zwar benötigt ein resilientes Krankenhaussystem in einem gewissen Umfang Überkapazitäten, die nicht als eine Überversorgung zu bewerten sind. Der Umfang solcher Überversorgung sollte aber aus rationaler politischer Abwägung und Planung resultieren und nicht als kollaterales Ergebnis unzulänglicher Institutionen.

Hinweis: Dieser Artikel ist auch in der Zeitschrift f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus unter dem Titel „Mehr Bund, weniger Land“ erschienen.

Kronberger Kreis

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