Während der letzten Wochen und Monate geisterte immer häufiger der Begriff des Leistungsschutzrechts für Verlage durch das Internet. Beiträge dazu finden sich sowohl in diversen Blogs als auch in den verschiedenen Internetauftritten der Verlage sowie den Online-Plattformen anderer Medien. Es wurden darüber hinaus auch bereits erste Tagungen und Podiumsdiskussionen zu diesem Thema abgehalten und auch die Politik hat sich schon intensiv mit dieser Fragestellung beschäftigt.
Hinter dem Begriff des Leistungsschutzrechts für Verlage steht dabei nichts anderes als die Forderung einer Art Urheberschutzes für Online-Inhalte. Geschützt werden sollen also vor allem die Texte (aber auch Bilder etc.), die von den Verlagen auf den Internetseiten diverser Presseerzeugnisse veröffentlicht werden. Gemeint sind damit aber nicht nur vollständige Artikel oder einzelne Textabschnitte – hier ist sowieso strittig, inwiefern diese Inhalte nicht schon durch das bestehende Urheberrecht geschützt sind. Geschützt werden sollen ebenso einzelne Textschnipsel aus den Artikeln, die sog. Snippets. Auch kleinste Textauszüge sollen damit nicht mehr ohne Genehmigung von anderen Online-Plattformen benutzt werden.
Der Hintergrund hinter dieser Forderung ist dabei aber weniger der Gedanke eines Urheberschutzes für die kreative Leistung des Verfassers, sondern eher der Schutz der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Beiträge durch die Verlage. Verhindert werden soll vor allem, dass andere Online-Plattformen von den Inhalten der Verlage profitieren, indem durch die Nutzung von Textauszügen oder Snippets die Zugriffszahlen der Plattformen erhöht und damit deren Werbeeinnahmen gesteigert werden können. Dabei wollen die Verlage dieses Verhalten nicht unbedingt immer gleich untersagen (auch sie werden das Recht dazu ebenso anstreben), sie wollen vor allem angemessen am Erfolg beteiligt werden. Insbesondere Suchmaschinen, aber auch andere Plattformen, wie Blogs oder Nachrichtenseiten, profitieren dabei von den Textauszügen, die bei den Treffern einer Suche angezeigt werden.
Warum aber drängen die Verlage auf ein solches Leistungsschutzrecht? Anders als bei den meisten Printerzeugnissen sind die Inhalte im Internet in der Regel kostenlos zu beziehen. Dies liegt zum einen daran, dass die Plattform-Betreiber nur selten ein Interesse daran haben, Surfer vom Konsum auszuschließen – was natürlich problemlos möglich ist, wie einige Beispiele zeigen –, da mit Werbung scheinbar deutlich höhere Deckungsbeiträge erzielt werden können als mit möglichen Einnahmen von der Rezipientenseite. Ein Ausschluss von Rezipienten durch ein Pay-Angebot würde dann also zu geringeren Einnahmen führen. Zum anderen besteht gerade im Internet ein enormer Wettbewerbsdruck durch eine fast unendliche Zahl an Online-Angeboten, geringe Produktionskosten und nur extrem geringe Wechselkosten. Die Rezipienten sind selten darauf angewiesen, ihre Informationen bei einer bestimmten Internetseite zu beziehen. Typischerweise findet sich immer eine hohe Zahl an professionellen Plattformen oder auch Blogs, die die Inhalte in ähnlicher Form bereitstellen. Eine Substitution kann auf Basis einzelner Artikel vorgenommen werden, ohne dass dazu andere Artikel eines Angebots gelesen werden müssen.
Die Möglichkeit, Gewinne durch die Online-Plattformen der Verlage zu erzielen, ist daher im Vergleich zu anderen Medien sehr begrenzt. Gleichzeitig besteht jedoch der Anreiz, diese Plattformen aufrechtzuerhalten, da ansonsten ein Wettbewerbsnachteil gegenüber den Konkurrenten an den Offline-Märkten entsteht. Darüber hinaus ist schon jetzt eine teilweise Verschiebung der Nachfrage auf den Online-Bereich festzustellen. Online-Medien werden im Laufe der Zeit wohl eher wichtiger werden, während die Print-Medien an Bedeutung verlieren werden. Die Verlage sind also in vielen Bereichen mehr oder weniger dazu gezwungen, Online-Plattformen zu betreiben. Hinzu kommt, dass die seit einiger Zeit anhaltende Werbekrise ebenso negativ auf die Gesamtumsätze an den Werbemärkten wirkt. Aus diesen Gründen ist die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht oder anderen Lösungen (weitere Vorschläge sind z.B. Geräteabgaben oder die häufig zitierte Kulturflatrate) aus Sicht der Verlage durchaus nachvollziehbar.
Ob ein solches Leistungsschutzrecht aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist, ist jedoch fraglich. Auch wenn rückläufige Einnahmen aufgrund struktureller Veränderungen aus Sicht der Verlage natürlich bedauerlich sind, ein verbrieftes Recht auf Mindestgewinne existiert jedoch nicht. Temporäre und nachhaltige Reduktionen der Nachfrage gehörten schon immer zu den normalen Entwicklungen in Märkten. Meist haben diese Entwicklungen dazu geführt hat, dass Innovationen hervorgebracht wurden, die neue oder verbesserte Produkte und Produktionsprozesse zur Folge hatten und in einer stärkeren Nachfrage bzw. deutlichen Kostensenkungen resultierten. Marktaustritte sind bei solchen Prozessen völlig normal. Die größte Chance in diesem Prozess zu überstehen, haben jedoch die innovativen und kreativen Unternehmen. Gleich den Tod des vielgepriesenen Qualitätsjournalismus herbeizureden, geht dabei jedoch ein wenig zu weit. Auch die Medienbranche muss sich den neuen Gegebenheiten anpassen und darauf adäquat reagieren. Demnach sollten also Verlage versuchen, kreativ mit der neuen Situation umzugehen und marktliche bzw. betriebswirtschaftliche Lösungen anstreben. Die Möglichkeit, höhere Deckungsbeiträge zu erzielen, ergibt sich entweder daraus, neue Produkte anzubieten, für die eine (höhere) Zahlungsbereitschaft der Rezipienten besteht und damit am Rezipientenmarkt Deckungsbeiträge zu generieren. Alternativ kann eine Lösung gefunden werden, die Rezipienten stärker und in einem größeren Ausmaß zu binden, um wiederum am Werbemarkt erfolgreich zu sein und hier Umsätze zu erzielen. Gelingt zumindest eines von beidem einigen Anbietern nicht, so werden diese langfristig nicht bestehen können.
Mögliche Erfolgsstrategien sind dabei vielfältig. So ist zum Beispiel nicht auszuschließen, dass auch Bezahlinhalte Aussicht auf Erfolg haben werden. Dies kann aber nur gelingen, wenn diese Inhalte exklusiv zur Verfügung stehen oder zumindest in der Darstellung entsprechend wahrgenommen werden – regionale oder lokale Informationen, das Bundling eines weiteren Produkts oder einer Neuerung, die Nutzung von bestehenden Netzwerken durch Kooperationen könnten hier beispielsweise Zahlungsbereitschaften bei den Konsumenten erzeugen. Insgesamt ist also die Kreativität der Anbieter von Online-Inhalten gefragt. Ähnlich wie die bei der Musikbranche, bei der es ebenso zu starken strukturellen Veränderungen gekommen ist – obwohl auch weitreichendes Leistungsschutzrecht existiert – und nun neue Deckungsbeiträge im Bereich der Konzerte, des legalen Downloading und des Merchandising realisiert werden (während der Tonträgermarkt stark wegen des illegalen Downloading verloren hat), können langfristig nur neue Geschäftsmodelle die Lösung für die vorliegenden Problem sein.
Ein Leistungsschutzrecht würde zwar temporär die Einnahmen der Verlage sichern. Jedoch ist auch mit einigen Nachteilen zu rechnen. So ist fraglich, wie etwa eine Kontrolle vollzogen und ein Leistungsschutzrecht durchgesetzt werden soll. Ausschlaggebend dafür ist sicherlich die Ausgestaltung eines solchen Rechts. Ist z.B. nicht einmal mehr die Verwendung von Snippets mit gleichzeitiger Verlinkung der Inhalte erlaubt, was ja im Prinzip einem Zitat der Inhalte gleichkäme, wären Kontrolle und eine Durchsetzung wohl nur zu extrem hohen Kosten möglich. Darüber hinaus würde dadurch der Wettbewerb zwischen den einzelnen Anbietern reduziert. Die Bereitstellung einzelner Beiträge über Suchmaschinen und Angeboten wie Google News tragen letztendlich auch zur Markttransparenz und Verbreitung der Artikel bei. Vor allem jedoch würde ein Leistungsschutzrecht wie bereits erwähnt mittel- und langfristig innovationshemmend wirken. Verhindert werden sollten dagegen natürlich Plagiate und andere illegale Verwertungen der Inhalte. Diese Praktiken sind aber schon heute untersagt. Insgesamt muss also zunächst eingehend geprüft werden, ob und in welchem Umfang die Online-Inhalte der Verlage besonders schützenswert und welche Maßnahmen ggf. dazu notwendig sind. Vor einer vorschnellen Einführung eines umfassenden Leistungsschutzrechts ist also nur zu warnen.
…und jetzt nimmt sogar die Deutsche Bank noch Stellung zum Leistungsschutzrecht. Interessant auch der Link innerhalb der Veröffentlichung zur Studie „Der Pirat in uns. In den Tiefen des Urheberrechts.“ Da macht sich jemand echt Gedanken zum Thema…und das in einer Bank…
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