Der Schaufenstereffekt einer Fußball-WM

Dass insbesondere Nationalspieler aus Afrika, aber auch solche aus Asien, Nordamerika, Australien und Neuseeland Fußball-Weltmeisterschaften gerne als „Laufsteg“ interpretieren, der ihnen die Möglichkeit gibt, sich für ein Engagement in einer der europäischen Top-Ligen zu empfehlen, ist vollkommen unstrittig. Die Frage, welchen Einfluss Einsätze bei einer Fußball-Weltmeisterschaft aber tatsächlich auf den Marktwert – und damit natürlich auch auf das Gehalt – eines Spielers haben, ist jedoch nach wie vor unbeantwortet.

Unter Verwendung entsprechender Daten aus dem Kicker-Managerspiel, die seit der Saison 1995/96 für die überwiegende Mehrzahl der in einer Saison zum Einsatz kommenden Spieler verfügbar sind und offenbar hervorragende Näherungsgrößen für den Marktwert und seine Veränderung darstellen (vgl. Frick, 2007, 2010), lässt sich dieser Effekt nunmehr zweifelsfrei quantifizieren. Dies setzt allerdings voraus, dass man zunächst einmal den Einfluss weiterer (potentieller) Determinanten des individuellen Marktwertes bzw. Gehaltes isoliert: Neben dem Alter, der Zahl der Ligaeinsätze und -tore sowie der Position auf dem Spielfeld haben insbesondere die Zahl der Länderspieleinsätze und die regionale Herkunft eines Spielers einen statistisch signifikanten Einfluss auf sein Gehalt:

– Unter sonst gleichen Bedingungen – d.h. bei statistischer Kontrolle der o.g. Faktoren – verdient ein Spieler aus Südamerika rund 40% mehr als ein deutscher Athlet. Für Westeuropäer ist die Lohnprämie mit rund 20% immer noch erheblich, für Osteuropäer, Nordamerikanischer, Afrikaner und Asiaten lässt sich kein entsprechender Effekt nachweisen. Dies ist insofern nicht überraschend, als der Anteil an Südamerikanern im Kader mit einer statistisch höheren Ticketnachfrage einhergeht, nicht aber der Anteil an Osteuropäern, Afrikanern und/oder Asiaten: Selbst bei einer eher bescheidenen sportlichen Performance präferieren die Zuschauer also offenbar südamerikanische Ballzauberer. Darüber hinaus lässt sich eindeutig nachweisen, dass Spieler aus Südamerika, aber auch aus Westeuropa signifikant höhere Merchandisingerlöse generieren: So wird beispielsweise die Zahl der Trikotverkäufe ganz erheblich durch den Klang des Namens beeinflusst – „Lucio“ ist offenbar erheblich attraktiver als „Woronin“.

– Länderspieleinsätze haben – wie auch das Alter und die Zahl der Ligaeinsätze – einen positiven, aber nicht-linearen Effekt: Jeder Auftritt für die Nationalmannschaft erhöht das Einkommen mit einer zunächst abnehmenden, später aber wieder zunehmenden Rate, was auf die Existenz spezifischer „Superstareffekte“ hindeutet. Dieser positive Einfluss von Länderspieleinsätzen differiert – und dies ist der entscheidende Punkt – ganz erheblich mit deren sportlichem Stellenwert: Jeder Einsatz bei der letzten Fußball-WM erhöht das Einkommen um rund 8%. Einsätze bei weiter zurück liegenden Weltmeisterschafts-Turnieren werden zwar ebenfalls noch mit einer Prämie honoriert, doch ist dieser Effekt mit 2% pro Einsatz erheblich schwächer. Mit anderen Worten: Der Schaufenstereffekt nutzt sich zwar ab, bleibt aber auch langfristig nachweisbar. Interessant ist weiterhin, dass dieser Schaufenstereffekt keineswegs für alle Spieler gleich ist: Diejenigen, die bereits vor dem jeweiligen WM-Turnier als Stars gelten, profitieren davon deutlich weniger als diejenigen, die zuvor weniger im Blickpunkt der Fußball-Öffentlichkeit standen (vgl. Deutscher und Simmons, 2010). Um es anders zu formulieren: Ein durchschnittlicher Spieler, der es bei der WM auf fünf Einsätze bringt (weil er beispielsweise mit seiner Mannschaft im Viertelfinale ausscheidet) wird seinen Marktwert um rund 40% erhöhen. Bei einem Spieler, dessen Team mindestens das Spiel um den dritten Platz erreicht, beträgt die entsprechende Steigerung des Marktwertes nahezu 60%.

Was folgt aus den Ergebnissen? Die Erkenntnis, dass es sich offenbar lohnt, bei einem sportlichen Mega-Event wie der Fußball-WM dabei zu sein, mag zunächst trivial klingen. Der jüngst erbrachte Nachweis, dass dies in vielen Fällen auch zu systematischen Verhaltensänderungen führt, ist aber vielleicht doch überraschend: Spieler, deren Nominierung für das Turnier zwar wahrscheinlich, aber noch keineswegs gesichert ist, steigern ihre Performance im Vorfeld der Kaderzusammenstellung ganz erheblich – eine Entwicklung, die weder bei denjenigen zu beobachten ist, die als gesetzt gelten, noch bei denjenigen, die keinerlei Chance (mehr) haben, den WM-Zug noch zu erreichen…

Dass das noch bis Sonntag andauernde Turnier von den Spielern auch tatsächlich in dem beschriebenen Sinne genutzt wird, machen die täglichen Meldungen über Neuverspflichtungen deutlich. Das Karussell ist in Bewegung gekommen und wird wohl noch bis in den August hinein in Schwung bleiben…

Literatur

Deutscher, Christian und Robert Simmons (2010): The Economics of the World Cup, mimeo, Department of Management, University of Paderborn.
Frick, Bernd (2007): Salary Determination and the Pay-Performance Relationship in Professional Soccer: Evidence from Germany, in: Rodriguez, Plácido, Stefan Késenne and Jaume Garcia (eds.): Sports Economics after Fifty Years: Essays in Honor of Simon Rottenberg, Oviedo: University of Oviedo Press, pp. 125-146.
Frick, Bernd (2010): The Football Players’ Labor Market: Recent Developments and Econometric Evidence, mimeo, Department of Management, University of Paderborn.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert