Die Disruption ist in vollem Gange. „Demographie“ und „Digitalisierung“ gehen Hand in Hand und verändern unser gesamtes Leben. Aber während „das Methusalem-Komplott“ (Frank Schirrmacher) nicht nur in der Rentenkasse, sondern auch in Form des Fachkräftemangels am Arbeitsmarkt immer stärker zuschlägt, kommen Roboter und künstliche Intelligenz gerade rechtzeitig, um uns aus der demographischen Misere zu befreien. Nur: Für wen arbeiten die Roboter eigentlich? Und: Was gibt es an Arbeit?
Man muss nicht so weit gehen wie der US-amerikanische Ökonom und Publizist Jeremy Rifkin, um massive Umbrüche am Arbeitsmarkt zu erwarten. Rifkin proklamierte bereits 1995 in seinem gleichnamigen Buch „Das Ende der Arbeit“. Seine Kollegen Brynjolfsson und McAfee führen die Vorhersage fort, dass es, wenn schon nicht zum Ende der menschlichen Arbeit, so doch zu radikalen Veränderungen in der Arbeitswelt kommt. Das „zweite Maschinenzeitalter“, das sie heraufkommen sehen, würde – anders als das erste – nicht mehr die Produktivität des Faktors Arbeit durch die Kombination Arbeit und Kapital (also Maschine) heben. Vielmehr würde es Arbeit durch Kapital ersetzen, so ihre Prognose. Neben der Frage, welche Arten von Arbeiten für den Menschen noch bleiben werden und wie viele Stellen es geben wird, tritt zwangsläufig auch die Frage nach deren Bezahlung. Arbeitsökonom Richard Freeman sieht hier einen Paradigmenwechsel im Zusammenspiel von menschlicher und Maschinenarbeit. Er spricht von einer „vierten Industriellen Revolution“, in der sich die komparativen Vorteile der Arbeit zugunsten der Maschinen verschieben. Maschinen stießen immer stärker in hochbezahlte, mit kognitiver Arbeit verbundene Tätigkeiten vor. Menschliche Arbeitskraft werde zwar auch weiterhin eingesetzt werden, sie müsse aber immer stärker mit preiswerter Maschinenarbeit konkurrieren. Bisher sei es umgekehrt gewesen: Die Maschinen übernehmen Routinearbeiten. Schwere, körperliche Arbeit wurde auf sie verlagert. Die Menschen konnten in höher bezahlte, kognitive Tätigkeiten vorstoßen.
Können wir uns in diesen Zeiten noch das marxistisch geprägte Weltbild von „Kapitalisten“ und „Proletariern“ leisten? Wäre es nicht Zeit für ein „Proletarier aller Länder, beteiligt Euch“? Betrachtet man die Geldvermögensaufteilung und die Einkommensquellen der Deutschen, so hat sich hier seit dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels (1848) wenig getan. Die wichtigste Einkommensquelle gemäß DIW sind Löhne und Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Dann folgen Renten. Kapitaleinkommen kommt so gut wie nicht vor. Warum eigentlich? Bei einem Geldvermögen in Deutschland, das sich 8.000 Milliarden Euro nähert – da geht doch was! Nach den Zahlen des Deutschen Aktieninstituts besitzen aber nur 12,3 Mio. Deutsche Unternehmensanteile in Form von Aktien oder Aktienfonds, während die Masse des Geldvermögens in Bankeinlagen und anleiheähnlichen Sparformen schlummert.
Dies ist eine Chance für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung, die bei den großen Kapitalgesellschaften durchaus verbreitet ist. Im Gesamtfeld der deutschen Unternehmen bieten jedoch nur 2 bis 3% ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm an. Dieses geringe Angebot ist darauf zurückzuführen, dass vor allem der Mittelstand noch mit der Mitarbeiterbeteiligung fremdelt beziehungsweise sich der positiven Effekte anscheinend nicht vollends bewusst ist. Denn diese Form des Miteigentums wäre gerade für ihn im Kampf um Fachkräfte interessant. Zudem gelten seit Anfang des Jahres neue Regelungen, die eine Beteiligung der Mitarbeitenden steuerlich stärker fördert. Mit 2.000 EUR Freibetrag, die die Mitarbeitenden steuer- und abgabenfrei als Vermögensbeteiligungen am Unternehmen pro Jahr erhalten können, handelt es sich um den größten Steuervorteil, den man den Beschäftigten sachungebunden zukommen lassen kann. Sollte der Arbeitgeber den Freibetrag nicht vollständig ausschöpfen, kann der Mitarbeiter zudem selbst entscheiden, ob er mit Teilen seines Gehalts eine Mitarbeiterbeteiligung bis zu 2.000 Euro im Rahmen einer Entgeltumwandlung erwerben will.
Die Zahlen, wie auch die Beratungspraxis des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung, lassen jedoch vermuten, dass sich die Verbesserung der Rahmenbedingungen noch nicht überall herumgesprochen hat. Denn die neuen Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung kamen ein wenig verdeckt daher. Verpackt im sogenannten Zukunftsfinanzierungsgesetz ging es dem Bundeskabinett vor allem darum, den Start-up-Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Beschäftigte besser zu positionieren. Immerhin ist die Mitarbeiterbeteiligung bei jungen Unternehmen im Kommen, wie eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom zeigt. Demnach beteiligen 44 Prozent der Startups ihre Beschäftigten am Unternehmen, 42 Prozent können sich das für die Zukunft vorstellen. Mehr als die Hälfte sieht es dabei als moralische und gesellschaftliche Pflicht, die Beschäftigten am eigenen Geschäftserfolg zu beteiligen.
Trotz dieser begrüßenswerten Entwicklung wäre es vor allem mit Blick auf den Mittelstand als bundesweit größter Arbeitgeber wünschenswert, dass die Politik die Mitarbeiterbeteiligung als gesamtgesellschaftliche Thematik positioniert, um ihr eine breitere Aufmerksamkeit und Relevanz zu verleihen. Ähnlich wie sie es bei anderen Themen in der Vergangenheit, wie beispielsweise Corporate Social Responsibility (CSR) oder Nachhaltigkeit unternommen hat, könnte sie das Thema durch ein eigenständiges Programm oder Kampagnen in die Unternehmen tragen. Zum anderen wäre es auch eine Chance für die Gewerkschaften, die Brücke zwischen Kapital und Arbeit in Zeiten der Disruption auszubauen.
In Anbetracht der demographischen Entwicklung, aber auch der Robotisierung, ist die Mitarbeiterbeteiligung damit eine echte Chance. Eine Stärkung des Miteigentums wäre auch ein Beitrag gegen die Vermögensungleichheit und würde den Arbeitnehmer-Miteigentümern Kapitaleinkommen ermöglichen, welches gerade im Alter wichtig ist. Ganz zu schweigen davon, dass Mitarbeiterkapitalbeteiligung die Aktienkultur in Deutschland insgesamt fördern würde. Als Baustein einer breiteren Kapitalbeteiligung wäre sie somit auch für die Altersvorsorge relevant. Last not least, hilft sie auch den Weg in Management-Buy-Outs zu ebnen, was gerade für den Mittelstand mit Blick auf die Unternehmensnachfolge relevant ist.
Das Gute dabei: Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung hat eine Mehrheit in Deutschland, und die Zustimmung dazu verstetigt sich, wie die Volkswirte der Allianz in ihrer jährlichen Umfrage feststellen. Auf die Frage „Würden Sie an einem Programm für Mitarbeiteraktien Ihres Arbeitgebers teilnehmen, wenn Sie dazu Zugang hätten?“ antworteten 19,4% mit „Ja, in jedem Fall“, weitere 36,4% mit „Ja, wenn es steuerliche Vorteile mit sich bringt.“ 16,5% sind unentschieden. Weniger als ein Drittel lehnen die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ab. Dabei zeigt sich: Je jünger die Befragten sind, desto höher ist die Zustimmung. So hat die Mitarbeiterkapitalbeteiligung bei der GenZ und den Millennials – also den insgesamt zwischen 1981 und 2010 Geborenen – eine gute Zwei-Drittel-Mehrheit.
Daher gilt: Proletarier aller Länder, beteiligt Euch – und liebe Politik, helft ihnen dabei.
- Gastbeitrag
Proletarier aller Länder, beteiligt Euch! - 2. November 2024