Die öffentliche Diskussion zum Thema Einwanderung dreht sich vor allem um Fluchtmigration und Asylpolitik. Eine Trennung zwischen Flüchtlingspolitik und der gezielten Einwanderung in den Arbeitsmarkt findet kaum statt. Angesichts des demographischen Wandels ist Deutschland auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, um sein Wohlstandsniveau zu erhalten. Um im internationalen Fachkräftewettbewerb zu bestehen, muss Deutschland bei den Einwanderungsverfahren schneller und digitaler werden und auf stärkere Standardisierung setzen. Zudem gilt es, eine attraktive Infrastruktur bereit zu stellen. Neben dem Staat kommt den Unternehmen eine wichtige Rolle zu, indem sie gute Arbeitsbedingungen für Einwanderer schaffen. Nicht zuletzt kann eine positivere öffentliche Kommunikation über Einwanderung den Standort Deutschland attraktiver für kluge Köpfe aus dem Ausland machen.
Die öffentliche Diskussion zum Thema Einwanderung dreht sich in Deutschland vor allem um Fragen der Fluchtmigration und der Asylpolitik. Eine Trennung zwischen Flüchtlings-/Asylpolitik und der gezielten Einwanderung in den Arbeitsmarkt findet oft nicht statt. Gleichzeitig verschärft sich mit fortschreitendem demografischem Wandel der aktuell schon deutlich spürbare Fach- und Arbeitskräftemangel in Deutschland. Gezielte Einwanderung von Arbeitskräften ist Teil der Lösung dieses Problems. Allerdings sehen sich auch viele andere Industrieländer einem Fachkräftemangel gegenüber, so dass der Standortwettbewerb um international mobile Erwerbstätige weiter zunehmen wird. Um kluge Köpfe für Deutschland zu gewinnen und im Inland zu halten, müssen die Rahmenbedingungen attraktiv sein. Dies betrifft neben den Einwanderungsregeln Faktoren wie die Steuer- und Abgabenbelastung, bürokratische Hürden, die Infrastrukturausstattung, das Gesundheits- und Bildungssystem, die Lebensqualität und Lebenshaltungskosten sowie eine innovations- und einwanderungsfreundliche Haltung in der Bevölkerung.
Der demographische Wandel wird ohne Gegenmaßnahmen dazu führen, dass das Potenzialwachstum in Deutschland weiter sinkt. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung rechnet mit einem Rückgang des Potenzialwachstums auf nur noch 0,4 Prozent in den nächsten 10 Jahren. Um dem entgegenzuwirken, gilt es, alle Möglichkeiten zur Stärkung des Wachstumspotenzials auszuschöpfen. Dazu gehört auch, verstärkt auf ausländische Arbeitskräfte zurückzugreifen.
Die Beschäftigung deutscher Staatsangehöriger sinkt seit 2023; das Beschäftigungs-wachstum wird – auch in Ostdeutschland – nur noch von ausländischen Arbeitskräften getrieben, insbesondere im Pflegebereich, aber auch in besser bezahlten Berufen. „Prinzipiell besteht bei ausländischen Fach-kräften ein großes Interesse an Deutschland. Aber letztendlich kommen dann doch nur wenige“, konstatiert Nicola Brandt. Laut einer Studie der OECD denken 50 Prozent der Einwanderungswilligen, dass Deutschland kein ehrliches Interesse an Einwanderung hat. Zudem fürchten sie sich vor Diskriminierung, etwa bei der Wohnungssuche.
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat Deutschland mittlerweile eines der liberalsten Regelwerke weltweit und bietet im Prinzip attraktive Rahmenbedingungen für ausländische Arbeitskräfte. „Deutsch-land hat aber große Probleme bei der Umsetzung der Regeln, insbesondere dauern Verwaltungsprozesse zu lange, auch aufgrund mangelnder Digitalisierung“, betont Christina Gathmann. Zudem sind viele der Verfahren stark dezentral organisiert, was zu sehr unterschiedlicher Handhabung vor Ort führt. Besonders problematisch ist die lange Verfahrensdauer für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse – auch für Lebenspartner, denn Einwanderer möchten in der Regel ihre Familie mitbringen. Qualifizierte Fachkräfte, die meist auch andere Optionen haben, sind oft nicht bereit, so lange zu warten und entscheiden sich dann gegen Deutschland. Ein besseres Management der Prozesse und eine stärkere Standardisierung der Verfahren könnten beschleunigend wirken.
Wesentlich für die Akzeptanz ausländischer Arbeitskräfte ist deren Integration. Dies gilt nicht nur für diejenigen, die bereits im Land leben, sondern hat auch Ausstrahleffekte auf potenzielle Zuwanderer. „Netzwerke spielen eine wesentliche Rolle. So können Berichte Zugewanderter über positive Erfahrungen die Zuwanderungsentscheidung anderer beeinflussen“, erläutert Alexandra Spitz-Oener. Unterstützungsangebote, wie insbesondere Sprachkurse, leisten einen wichtigen Bei-trag für die Integration. Allerdings haben sich diese in den letzten 10 Jahren verschlechtert, auch wegen fehlender Fachkräfte. Zudem machen Wohnungsmangel, unzureichende und kostspielige Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Defizite bei der schulischen Bildung ausländischen Fachkräften genauso zu schaffen wie Inländern. Hier müssen daher insgesamt die Bedingungen verbessert und notwendige Investitionen getätigt werden.
Schließlich sollte auch die Rolle der Hochschulen für die Fachkräftegewinnung nicht unterschätzt werden. Da keine Studiengebühren zu zahlen sind, ist Deutschland für ausländische Studierende attraktiv. Sind die Studierenden gut integriert, steigt die Chance, dass sie nach dem Studium zum Arbeiten im Land bleiben. Mehr englische Studiengänge könnten die Attraktivität eines Studiums in Deutschland weiter steigern.
„So wichtig rechtliche Rahmenbedingungen, eine gut funktionierende Bürokratie und eine gute Infrastrukturausstattung für die Attraktivität eines Standorts sind, kommt es wesentlich auch auf die Arbeitgeber an, in den Betrieben Bedingungen zu schaffen, die kluge Köpfe anziehen und halten“, betont Holger Bonin. Im Zusammenleben und in der Zusammenarbeit vor Ort entsteht Wissen über kulturelle Werte, was Vorurteilen und Stereotypen entgegenwirkt. Zudem kann eine stärkere Betonung vorhandener Integrationserfolge in der öffentlichen Diskussion ein Gegengewicht zu den von populistischen Parteien bedienten Narrativen bilden und damit so-wohl im In- als auch im Ausland zu einer positiveren Kommunikation über Einwanderung beitragen.
Hinweis: Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Panels „Kluge Köpfe gewinnen: Wie kann Deutschland im internationalen Fachkräftewettbewerb erfolgreich sein?“ im Rahmen der Jahrestagung 2024 des Vereins für Socialpolitik mit Prof. Dr. Holger Bonin (Institut für höhere Studien Wien), Dr. Nicola Brandt (OECD Berlin Centre), Prof. Christina Gathmann, Ph.D. (LISER und Universität Luxemburg) und Prof. Dr. Alexandra Spitz-Oener (Humboldt-Universität zu Berlin).
Moderation: Dr. Patrick Bernau (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung).
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