Gastbeitrag:
Private Krankenversicherung für alle

Es ist unstrittig, dass die Absicherung des Krankheitsrisikos in der nächsten Legislaturperiode einer Neuregelung bedarf. Die alte und nach Ansicht vieler bewährte Dualität von privater und gesetzlicher Krankenversicherung ist nach den holländischen Erfahrungen nunmehr auch in der Bundesrepublik obsolet geworden. Bei der insbesondere von den Leistungserbringern erfreulich angesehenen finanziellen Unterstützung der GKV durch die PKV ist diese Subventionierung keine dauerhafte Grundlage für ein ordnungspolitisch sauberes Krankenversicherungssystem. Außerdem erkennen mehr und mehr Versicherte und Patienten die Risikoselektion, die die bestehende PKV in vielen ihrer Tarife betreibt. Gleichzeitig möchte der überwiegende Teil der Bevölkerung aus guten Gründen privat versichert sein.

Eine einfache Lösung liegt doch auf der Hand. Die nächste Bundesregierung öffnet den Krankenversicherungsmarkt für alle und überlässt den Krankenversicherungen die Tariffindung. Umlagefinanzierung und Kapitalbildung stehen dann nebeneinander zur Diskussion. Nach der letztlich guten Erfahrung mit der Riesterrente wird sich möglicherweise mehr Kapitalbildung auch in der Kranken- und Pflegeversicherung durchsetzen. Es gäbe keine Streiterei mehr über Beitragsbemessungsgrenzen und die Versicherungspflichtgrenze. Die Bevölkerung würde die Unterscheidung zwischen PKV und GKV nicht mehr als Zweiklassenmedizin erleben. Die Mündigkeit und das Gesundheitsbewusstsein haben sich über die letzten Jahre aufgrund der andauernden Diskussion über die Krankenversorgung und gesundheitliche Förderung der Bevölkerung erfreulicherweise verbessert, so dass die Ausdehnung der Wahl- und Wechselmöglichkeiten keine unüberbrückbaren Probleme aufwirft. Die an Bedeutung gewinnenden Einrichtungen der Verbraucheraufklärung und die Patientenvertretungen würden diesen Prozess unterstützen. Nicht zuletzt erfordert eine private Krankenversicherung für alle eine Anpassung der staatlichen Versicherungsaufsicht.

Käme es zu einer Privatversicherung für alle, würde aller Voraussicht nach auch die Gesetzliche Krankenversicherung nach einer privaten Rechtsform rufen. Die öffentlich-rechtlichen Körperschaften genügen bereits heute nicht mehr den Anforderungen durch den zunehmenden Wettbewerb. Ähnlich wie in den Niederlanden lässt sich ein gemeinsamer privater Rechtsrahmen für die Krankenversicherung finden. Aktiengesellschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und die ihnen ähnelnden Genossenschaften wären dann u.a. private Rechtsformen. Die derzeit getrennte Versicherungsaufsicht für PKV und GKV, und in der GKV noch eine weitere und wenig transparente Unterscheidung der Versicherungsaufsicht für bundesweit operierende und landesweit bzw. regional tätige Kassen müsste dieser Neuausrichtung der Krankenversicherung angepasst werden.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein offener Markt für Krankenversicherungen mit einer starken Versicherungsaufsicht. Zu dieser Aufsicht gehört auch eine Regelung des Risk-Pooling bzw. des Risikostrukturausgleichs. Er ist und bleibt eine Voraussetzung für den wünschenswerten sozialen Wettbewerb mit einer qualitätsgesicherten Grundversorgung für alle, verbunden mit der Möglichkeit, höhere Gesundheitsleistungen nachzufragen. Selbstbehalts- und Bonusregeln gehören genauso zu diesem Modell, wie mehr Wettbewerb durch neue Formen einer selektiven Kontrahierung der Versicherungsunternehmen mit unterschiedlichen Leistungserbringern. Damit verbunden ist auch das Recht der Versicherungsnehmer auf diskriminierungsfreie Kontrahierung mit allen Krankenversicherungen.

Das vorgeschlagene Prämienmodell übernähme im Markt für die medizinische Grundversorgung die Lenkungsfunktion eines Preises. Sie würde also keinesfalls für alle Anbieter von Krankenversicherungen gleich hoch sein. Der soziale Ausgleich ist, wie bisher, für die erwerbslose und unterstützungsbedürftige Bevölkerung aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten.

Auf der Grundlage des bestehenden Gesundheitsfonds mit seinen Zahlungen an die bestehenden Krankenkassen würden sich die Wettbewerbsparameter weiter auf die Leistungsseite verlagern und damit auch die Höhe des Beitragssatzes auf indirekte Weise beeinflussen. Zu diesem Zweck müsste sich die bestehende private Krankenversicherung am Risikostrukturausgleich beteiligen ohne die bestehenden Alterungsrückstellungen zu gefährden. Im Grund muss sie auf mittlere Sicht ihre Geschäftsfelder neu entwickeln, möglicherweise in direkter Kooperation mit den bestehenden gesetzlichen Krankenversicherungen.

Die Öffnung des Krankenversicherungsmarktes für einen umfassenden privaten Versicherungsschutz stellt eine ordnungspolitische Herausforderung dar, die mit der letzten Gesundheitsreform erst rudimentär versucht wurde. Der nächste gesundheitspolitische Kompromiss wird kommen und als Preis unserer parlamentarischen Demokratie genauso anerkannt werden müssen wie die Reformen in den letzten 30 Jahren.

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