Pro & Contra
Sollten die Regierungen in Deutschland und der Schweiz an der schwarzen Null festhalten?

An der schwarzen Null scheiden sich die Geister. Damit ist der stets ausgeglichene Bundeshaushalt gemeint. Vor allem international steht er ziemlich in der Kritik, weil die sparsamen Länder keine Impulse für die Weltwirtschaft geben würden. Doch auch national fordern viele Menschen mehr Ausgaben des Staates, beispielsweise für die Infrastruktur. Demgegenüber stehen weltweit steigende Staatsschulden, die künftige Generationen belasten und schnell zum Problem werden können, wenn die Zinsen wieder steigen. Gerade in Deutschland ist der Hang zur schwarzen Null derzeit groß, weil bei deren Aufgeben befürchtet wird, dass es schnell wieder in die andere Richtung geht. Die Ökonomen Christoph A. Schaltegger und Achim Truger sind unterschiedlicher Meinung, ob man in diesen konjunkturell eher schwierigen Zeiten daran festhalten sollte.

Pro von Christoph A. Schaltegger

Christoph A. Schaltegger Prof. Christoph A. Schaltegger ist Gründungsdekan und Ordinarius für Politische Ökonomie an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern. Seit 2011 ist er auch Direktor am Institut für Finanzwissenschaft und Finanzrecht IFF an der Universität St. Gallen. Sein aktuelles Buch zusammen mit Ivan Adamovich trägt den Titel: Vom Kredit zur Schuld: Wenn Verschuldung die Freiheit bedroht (NZZ libro).

Hauptargumente

Staatsdefizite machen im Normalfall dann Sinn, wenn sie konjunkturell bedingt durch das Spiel der automatischen Stabilisatoren zur passiven Glättung der Nachfragelücke eingesetzt werden. Ein aktiver Verzicht auf die schwarze Null im Sinne einer Globalsteuerung der Wirtschaft durch permanente Fiskalimpulse hat sich allerdings nicht bewährt.

Empirie

Die Risiken einer solchen Defizitfinanzierung liegen darin, dass in schlechten Zeiten die politischen Mehrheiten für erhöhte Staatsausgaben und Steuersenkungen zwar einfach zu erhalten sind. In guten Zeiten zeigen die Interessengruppen allerdings ein großes Beharrungsvermögen, so dass die expansiven Maßnahmen kaum zurückgenommen werden. Es resultiert ein stetiger Hang zur Defizitfinanzierung mit steigender Staatsverschuldung und Risiken für die langfristige Solvenz des Staats.

Probleme

Die inhärente Neigung der Politik zur Übernutzung des staatlichen Budgets hat diverse Ursachen. Zentral ist, dass das öffentliche Budget eine fiskalische Allmende darstellt. In dieser Konstellation ist jede Interessengruppe daran interessiert, einen möglichst großen Teil davon für die eigene Klientel zu reservieren, während sie über die allgemeinen Steuern nur einen geringen Teil davon selbst tragen müssen.

Politikvorschläge

Um dieser Asymmetrie und den Risiken ständig steigender Staatsschulden zu begegnen, können institutionelle Schranken wie Schuldenbremsen einen wertvollen Dienst leisten. Sie konditionieren die Politik auf einen langfristig ausgeglichenen Staatshaushalt und beschränkten damit den exzessiven Ausgabenappetit der Interessengruppen zur Ausbeutung der öffentlichen Allmende.

Contra von Achim Truger

 Prof. Dr. Achim Truger ist Professor für Staatstätigkeit und Staatsfinanzen am Institut für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Senior Research Fellow am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. Er ist langjähriger Kritiker von „Schuldenbremsen“ und Austeritätspolitik.

Hauptargumente

Schwarze Null, also ein stets ausgeglichener Haushalt, widerspricht mindestens zwei zentralen ökonomischen Grundsätzen: 1. Öffentliche Nettoinvestitionen sollten dauerhaft durch Kredite finanziert werden. 2. Öffentliche Haushalte sollten konjunkturgerecht sein, d.h. im Abschwung mehr Spielraum durch Kredite haben und im Aufschwung weniger Spielraum haben und konsolidiert werden.

Empirie

Bundeshaushalt war seit 2014 immer ausgeglichen, und die Vorgaben der Schuldenbremse, die ein strukturelles Defizit von 0,35 % des BIP zugelassen hätten, wurden übererfüllt. Das war zuletzt nicht mehr konjunkturgerecht, weil der Bund eigentlich wegen der guten Konjunktur höhere Überschüsse hätte fahren müssen. Außerdem verharrte die Investitionsquote auf niedrigerem Niveau als noch zu Beginn des Jahrtausends.

Probleme

Trotz hoher Zukunftsinvestitionsbedarfe und niedriger Zinsen verhindert die schwarze Null kreditfinanzierte öffentliche Investitionen. In der gegenwärtigen konjunkturellen Schwächephase kann der Bund unter der schwarzen Null nicht die resultierenden Mindereinnahmen hinnehmen und höhere Kredite aufnehmen. Stattdessen muss er die Konjunktur durch Kürzungen zusätzlich belasten.

Politikvorschläge

Kurzfristig Aufgabe der schwarzen Null und Ausnutzung der Spielräume unter der Schuldenbremse für öffentliche Investitionen und konjunkturelle Stabilisierung. Dabei sollten auch Extrahaushalte und öffentliche Unternehmen genutzt werden. Mittelfristig Einführung der Goldenen Regel der Finanzpolitik, wonach öffentliche Nettoinvestitionen durch Kredite finanziert werden.

Hinweis: Pro & Contra wurde zusammengestellt von Jörg Rieger, Würzburg. Es erschien in Heft 11/2019 der Fachzeitschrift WiSt.

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