Gastbeitrag
Deutschland braucht keine Vermögensteuer

Die Wiederherstellung der Vermögensteuer gehört zum Standardrepertoire linker Parteien. Trotz einer stark progressiven Einkommensteuer, einer im internationalen Vergleich hohen Gewinnbesteuerung und eines äußerst umfassenden Sozialstaates besteht angeblich eine Gerechtigkeitslücke, die mit der Vermögensteuer geschlossen werden soll. Der Vorschlag entbehrt jeder überzeugenden Begründung. Die Vermögensteuer ist weder ein gerechtes, noch ein effizientes Instrument der Steuer- und Verteilungspolitik.

Die Vermögensteuerdebatte flammt immer dann auf, wenn die Staatskasse relativ zu den Ausgabewünschen der Politiker leer erscheint. Hinter dem herausgestellten Anliegen einer fairen Steuerverteilung verbergen sich außerdem – wenn nicht sogar primär – fiskalische Interessen. Diese werden gerne durch populäre Verwendungszwecke übertüncht. Wenn es nur um eine andere Lastverteilung ginge, müsste die Forderung nach einer weiteren Steuerquelle jedoch mit aufkommensneutralen Entlastungsvorschlägen verknüpft werden. Dies würde Verteilungstransparenz herstellen und davor schützen, den Blick einseitig auf tatsächliche oder vermeintliche Steuerlücken zu richten.

Mangelhafte Begründung der Vermögensteuer

Die Vermögensteuer lässt sich im Wesentlichen mit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Ziel einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung rechtfertigen. Infolgedessen stellt sich zunächst die Frage, inwieweit Vermögen ergänzend zum persönlichen Einkommen als Indikator der steuerlichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden soll. Bezogen auf die Vermögenserträge ist die Antwort klar: Soweit sie im Rahmen der Einkommensbesteuerung ohnehin erfasst werden, bedürfen sie keiner weiteren separaten Besteuerung.

Das gilt auch dann, wenn man den Vermögenserträgen eine erhöhte Leistungsfähigkeit zubilligt. Vermögenserträge gelten als fundierte Einkommen, die im Vergleich zu Arbeitseinkommen müheloser erzielbar, sicherer und mit einem zusätzlichen Freizeitnutzen verbunden sind. Allerdings verzichtet die Einkommensteuer aus gutem Grund auf eine Differenzierung nach nicht messbaren subjektiven Größen und beschränkt sich auf das Einkommen als messbares Ergebnis der Wirtschaftstätigkeit. Zudem ließe sich eine Zusatzbelastung der Vermögenserträge auch ohne Vermögensteuer im Rahmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer erreichen.

Zur Begründung einer gesonderten Besteuerung des Vermögens kann das Leistungsfähigkeitsprinzip nur herangezogen werden, wenn der Vermögensbesitz eine besondere Leistungsfähigkeit begründet, die über die Vermögenserträge hinausreicht. In diesem Kontext wird argumentiert, dass Vermögensbesitz mit finanzieller Unabhängigkeit und Sicherheit, größerer Kreditfähigkeit, ökonomischer Macht und gesellschaftlichem Ansehen einhergehe.

Diese Rechtfertigungsversuche sind allerdings grundsätzlich umstritten. Ansehen und Einfluss einer Person hängen nicht allein und nicht in vorhersehbarer Weise vom Vermögen ab. Zudem werden Einkommensrisiken allgemein durch das soziale Sicherungssystem gemildert. Schließlich lassen sich alle angeführten Faktoren nur schwer für Steuerzwecke konkretisieren. Das Leistungsfähigkeitsprinzip liefert mithin alles andere als eine valide Grundlage für die Vermögensteuer. Im Gegenteil: Insbesondere in Kombination mit der Besteuerung der Vermögenserträge bewirkt eine Vermögensteuer oftmals eine Belastung der realen Vermögenssubstanz. Dann erfolgt eine Besteuerung, obwohl keine steuerliche Leistungsfähigkeit vorliegt.

Übermäßige Besteuerung der Vermögenseinkommen

Die mögliche Überbesteuerung der Vermögenseinkommen durch eine Steuer auf das Gesamtvermögen ist leicht erklärbar. Sobald der Realzins unter dem Vermögensteuersatz von z.B. 1 Prozent liegt, kommt es zu einem realen Kapitalverzehr. Das ist etwa bei einem Nominalzins von 3 Prozent und einer Inflationsrate von mehr als 2 Prozent der Fall. Auch die Besteuerung der Vermögenserträge kann bereits für sich genommen zu einem Substanzverlust führen. Das gilt sogar für die moderat erscheinende Abgeltungsteuer von 26,375 Prozent (inklusive Solidaritätszuschlag). Bei einem Nominalzins von rund 2,72 Prozent reduziert die Steuer den Nettozins auf 2 Prozent. Eine Inflationsrate von mehr als 2 Prozent bewirkt dann einen negativen Realzins und einen Substanzverlust.

Die Wahrscheinlichkeit einer Besteuerung von Scheinerträgen nimmt durch die Kombination beider Steuern deutlich zu. Ein Bruttozins von 4 Prozent wird zum Beispiel durch die Abgeltungsteuer auf 2,945 Prozent reduziert. Die Vermögensteuer führt zu einer weiteren Verminderung um einen Prozentpunkt auf 1,945 Prozent. Bei einer Inflationsrate von 1,945 Prozent wäre der reale Ertrag bereits gleich Null. Sobald die Inflationsrate den kritischen Wert übersteigt oder der Zinssatz unter 4 Prozent fällt, führen Abgeltung- und Vermögensteuer zu einer realen Vermögensminderung. Dieser konfiskatorische Effekt dürfte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kaum standhalten. Schon die exzessive Belastung der nominalen Vermögenserträge – im Beispielfall mit 51,375 Prozent – widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung mit anderen Einkommen.

Ohne eine durchgreifende Inflationsbereinigung verfehlt bereits die heutige Besteuerung der Vermögenserträge ihre Belastungsziele. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer würde die Diskriminierung der Vermögenseinkommen noch einmal deutlich verstärken. Die Befürworter des Vorschlags interessieren sich aber eigentlich nicht für systematische Steuergerechtigkeit, sondern verfolgen Umverteilungsziele. Die Vermögensteuer soll der Vermögenskonzentration entgegenwirken und eine gleichmäßigere Vermögensverteilung herbeiführen. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass die Umverteilungsfunktion tatsächlich erfüllt wird.

Zum einen dürfte der Staat seine Einnahmen kaum zur Vermögensbildung der ärmeren Bevölkerungsschichten verwenden und zum anderen ist das Aufkommenspotential der Vermögensteuer überschaubar, wenn man eine halbwegs moderate Spezifizierung vornimmt. Bei einem Vermögensteuersatz von 1 Prozent, einem persönlichen Freibetrag von 2 Millionen Euro und einem Betriebsvermögensfreibetrag von 5 Millionen Euro hätte sich im Jahr 2011 ein geschätztes Aufkommen von 11 Milliarden Euro ergeben (DIW 2016, S. 49). Das wären nur 1,9 Prozent des gesamten Steueraufkommens (2011: 573 Mrd. Euro), etwa soviel wie die Grundsteuer (2 Prozent) und weniger als die Tabaksteuer (2,4 Prozent). Die Vermögensungleichheit kann durch eine solche Steuer nicht nennenswert reduziert werden (IW 2021, S. 2).

Zu beachten ist in diesem Kontext, dass ein großer Teil des potentiellen Steueraufkommens auf Betriebsvermögen basiert. Da international kaum noch allgemeine Vermögensteuern erhoben werden, würde eine Zusatzbelastung in Deutschland zur Abwanderung von Investitionen und Arbeitsplätzen beitragen. Um dies zu vermeiden, werden regelmäßig Steuervergünstigungen für das Betriebsvermögen eingeplant, die den Standortnachteil allerdings nicht beseitigen. Sie bewirken zudem eine ungleichmäßige Besteuerung der Vermögensarten, die der horizontalen Steuergerechtigkeit zuwiderläuft und die intendierten Verteilungswirkungen konterkariert.

Ungelöste Probleme der Vermögensbewertung

Die Vermögensteuer ist weder mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip noch mit dem Umverteilungsziel stichhaltig zu begründen. Sollte die Politik dennoch eine Wiederbelebung in Erwägung ziehen, muss sie mit ernsthaften Gestaltungsproblemen rechnen. Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer wäre das Gesamtvermögen nach Abzug eventueller sachlicher und persönlicher Freibeträge. Ein gravierendes Problem bildet hierbei die monetäre Bewertung der unterschiedlichen Vermögensgegenstände.

In Deutschland sollte die sogenannte Einheitsbewertung eine gleichmäßige Bewertung unterschiedlicher Vermögensarten und die einheitliche Verwendung dieser Werte bei Vermögen-steuer, Erbschaftsteuer und Grundsteuer gewährleisten. In der Praxis kam es jedoch zu einer ungleichmäßigen, teilweise willkürlichen Bewertung, vor allem des Grundvermögens. Daher war die Einheitsbewertung verfassungswidrig, was zur Aussetzung der Vermögensteuer führte. Die ungleiche Besteuerung des Vermögens verzerrte zudem die Entscheidungen über die Vermögensanlage, vor allem zugunsten der Immobilien.

Ohne befriedigende Regelung der Vermögensbewertung ist die Vermögensteuer nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Problem besteht darin, eine kontinuierliche, zeitnahe, den Verkehrswert der Vermögensgegenstände widerspiegelnde Bewertung für alle Vermögen sicherzustellen. Das erbschaftssteuerliche Bewertungsrecht mag zwar die verkehrswertorientierte Ermittlung für Immobilien und Betriebe erleichtern. Man darf aber die sehr viel größere Masse der Bewertungen im Rahmen einer laufenden Vermögensteuer nicht unterschätzen. Der hierfür erforderliche Aufwand steht in klarem Missverhältnis zum erzielbaren Steueraufkommen.

Fazit

Für die Vermögensteuer gibt es keine überzeugende Begründung. Sie bewirkt eine übermäßige Belastung der Vermögenseinkommen und scheitert praktisch an ungelösten Erfassungs- und Bewertungsproblemen. Infolgedessen sind Forderungen nach einer Wiederbelebung sachlich nicht nachvollziehbar. Dahinter steht ein grundlegender Defekt linker „Gerechtigkeitspolitik“. Sie basiert auf der fiskalischen Illusion, dass man nur die Milliardäre etwas mehr belasten müsse, um zusätzliche staatliche Wohltaten für alle finanzieren zu können. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Umverteilung keinen Preis hat. Letzteres ist ein gravierender Fehler. Die Verringerung der Standortqualität forciert die Abwanderung von Real- und Humankapital und verschlechtert die ohnehin angespannte Wirtschaftslage. Aber auch darauf hat die Politik bestimmt eine Antwort: Milliardensubventionen für ansiedlungswillige ausländische Unternehmen und Fachkräfte.

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