Kurz kommentiert
Zerbricht Ernst & Young am Wirecard-Skandal?

„Auditors might be in the position to alert boards and investors to questionable practices and hidden risks, but they might have their own conflicts of interests.“ (Admati, A.R. / Hellwig, M.F. (2013), p. 128)

Der schwedische Autor Johan Norberg (2003), S. 10:

„Von mancher Seite ist behauptet worden, die Bilanzfälschungen und darauf folgenden Zusammenbrüche der US-Firmen Enron und WorldCom hätten den Kapitalismus als unzuverlässiges und betrügerisches System entlarvt.

Nach meiner Überzeugung ist genau das Gegenteil richtig.

Natürlich können sich Manager und Unternehmen als Gauner erweisen – besonders in einem Boom, wenn alles expandiert.

Aber der Markt ist eines der besten Mittel, um mit Gaunern fertig zu werden.

Warum konnte beispielsweise Enron die Leute so lange über die wahren Erträge täuschen?

Weil der Markt auf Vertrauen setzt. Im Allgemeinen kann man darauf vertrauen, dass ein  Unternehmen seine Bilanzen und Zahlen nicht fälscht, denn wenn so etwas herauskommt, verliert es seine Glaubwürdigkeit, Kunden und Kapital.

Genau das geschah mit Enron. Sobald die Leute merken, dass sie zum Narren gehalten werden, reagieren sie schneller als jedes Justizsystem und verhängen die sofortige Todesstrafe über das betrügerische Unternehmen.

Die Aktienkurse fielen um 100 Prozent, von 40 Dollar auf Null. Und ebenso schnell zogen sich die Kunden von Enrons Wirtschaftsprüfungs-Firma Arthur Anderson zurück, so dass sie Enron in den Orkus nachfolgte.

Ohne Vertrauen kein Markt – das ist für andere Firmen ein starkes Motiv, bei der Wahrheit zu bleiben.“

Die Kardinalfrage nach dem Wirecard-Skandal in München:

Prüft Ernst & Young wirklich, wie geplant, den Konzernabschluss der Deutschen Bank oder von anderen Großunternehmen im Jahr 2020 in Deutschland?

Literaturhinweise

Admati, A.R. / Hellwig, M.F. (2013), The Bankers’ New Clothes: What’s Wrong with Banking and What to Do About It, Princeton University Press

Norberg, J. (2003), Das Kapitalistische Manifest – Warum allein die globalisierte Marktwirtschaft den Wohlstand der Menschheit sichert, 2. Auflage, Frankfurt am Main

Seitenstücker, H. / Schütze, A. (2020), Finanzdienstleister: Wirecard kollabiert nach Bilanzskandal, Deutsche Welle vom 25.06.2020 (https://www.dw.com/de/wirecard-kollabiert-nach-bilanzskandal/a-53936173)

106 Antworten auf „Kurz kommentiert
Zerbricht Ernst & Young am Wirecard-Skandal?“

  1. Außerdem sehr, sehr interessant für die Finanzmarktakteure und die (Wirtschafts-)Presse in Deutschland und Europa sowie die breite Öffentlichkeit in Deutschland und Europa:

    Die (bewusste) Verschiebung von (potenzieller) Haftungsmasse durch Vorstand und Aufsichtsrat von Ernst & Young (EY) oder purer Zufall?

    Und ist nicht Herr Univ.-Professor Dr. Clemens Fuest, ifo-Präsident, München, seit sehr, sehr vielen Jahren Aufsichtsrat von EY – und kontrolliert (angeblich) die Geschäftsführung bzw. das Top-Management von EY?

    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/schadenersatz-tausende-wirecard-klagen-gegen-ey-eingegangen-18680977.html

  2. Liegt möglicherweise im Wirecard-Skandal ein sogenannter „bedingter Vorsatz“ von Ernst & Young (EY) vor?

    Sehr zu empfehlen ist der FAZ-Beitrag vom Freitag, 31. März 2023, S. 20: „Das Haftungsprivileg der Prüferzunft ist schwer zu knacken“

  3. „Das Asien-Geschäft gab es nicht.“

    Antwortete (sinngemäß) die ehemalige langjährige Chefjuristin des Wirecard-Konzerns, des ehemaligen DAX-30-Konzerns, laut Süddeutscher Zeitung, vom Dienstag, 13. Juni 2023, S. 16, dem Vorsitzenden Richter im Wirecard-Prozess in München.

    Online:

    https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirecard-prozess-braun-marsalek-1.5924588?

    Die Kardinalfrage lautet daher in diesem Kontext:

    Ist in Deutschland ein (Konzern-)Jahresabschluss-Testat einer Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als eine Art (internationales) Gütesiegel extrem wertvoll oder extrem wertlos?

  4. Fulminante Mandatsverluste für den Prüfriesen Ernst & Young (EY) am Markt für (Konzern-)Jahresabschlussprüfungen in Deutschland:

    Ein sehr zu empfehlender Beitrag von Herrn Mark Fehr, mit dem Titel „Wirecard-Aufklärer wollen Meilenstein setzen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 28.11.2023, S. 21

    Die Kardinalfrage lautet nach dieser Lektüre:

    Hält der Aufsichtsrat der Deutschen Bank, Frankfurt am Main, an EY als (Konzern-)Jahresabschlussprüfer der Deutschen Bank (weiterhin) fest?

  5. Außerdem sehr zu empfehlen:

    Mark Fehr (2024), Ein Umbau mit Folgen – Die neue Struktur des Prüferhauses EY könnte Konsequenzen für die Haftung für Altfälle wie den Wirecard-Skandal haben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom Samstag, 16. März 2024, S. 24

  6. „Der Schaden für den Finanzplatz Deutschland ist beträchtlich, weil in diesem Fall alle Kontrollmechanismen innerhalb und außerhalb des Unternehmens (Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsinstitutionen wie BaFin, Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung und die Abschlussprüferaufsicht) versagt haben“, so das persönliche Fazit von Hansrudi Lenz.

    Der Fall zeige wie unter einem Brennglas erhebliche Funktionsdefizite des deutschen Kapitalmarktes. „Diese sind zu untersuchen, um aus den Fehlern für die Zukunft zu lernen.“

    Link:

    https://www.wiwi.uni-wuerzburg.de/aktuelles/news/single/news/professor-lenz-bezieht-stellung-zum-bilanzskandal-des-dax-unternehmens-wirecard/

  7. „…, dennoch könnte der Skandal (für EY) im Extremfall existenzbedrohend werden.“

    Ein brillanter, fast ganzseitiger, SZ-Artikel von Herrn Stephan Radomsky; zudem mit einem sehr, sehr schönen Symbolbild von den „drei Affen“:

    Quelle:

    Stephan Radomsky (2024), Im Sog der Wirecard-Affäre, in: Süddeutsche Zeitung (SZ), vom Montag, 29. Juli 2024, S. 15

  8. Zudem zu empfehlen:

    „Der Skandal um den Kollaps des chinesischen Immobilienriesen Evergrande hat gravierende Folgen für den Prüfriesen PwC.“

    Quelle:

    Gustav Theile / Mark Fehr (2024), Für PwC in China kommt es dicke, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom Freitag, 23. August 2024, S. 25

  9. Auch sehr zu empfehlen – hinsichtlich des PwC-Geschäftsverbot in China:

    Nelly Keusch (2024), PwC droht ein sechsmonatiges Geschäftsverbot in China – Nach der Pleite des Immobilienkonzerns Evergrande prüft Peking, welche Rolle PwC bei dem Skandal spielte, in: Neue Zürcher Zeitung, vom Samstag, 24. August 2024

    Ein schönes Zitat:

    „Die Krise bei Evergrande lastet schwer auf dem chinesischen Immobiliensektor. Seit das Unternehmen im Dezember 2021 eine erste Anleihe nicht mehr bedienen konnte, kamen fünfzig weitere Immobilienkonzerne ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nach.

    Ein Ende der Krise ist nicht Sicht.“

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