„Wenn wir die Regeln nicht einhalten, fliegt uns die Eurozone auseinander.“ (Wolfgang Schäuble)
Es ist ruhig geworden um den Euro. Akute Krisen gibt es nicht. Hektische Nachtsitzungen in Brüssel, in denen übernächtigte Politiker die EWU retten, finden nicht statt. Selbst Griechenland verbreitet gegenwärtig weder Angst noch Schrecken. Auch die nahen italienischen Wahlen beunruhigen die Finanzmärkte bisher noch kaum. Die Silvio Berlusconis und Beppe Grillos scheinen nicht mehr zu schrecken. Dennoch ist der Euro noch lange nicht über den Berg. Zwar geht die Arbeitslosigkeit in der EWU langsam zurück. Sie ist aber noch immer eine Plage. Vor allem die Zukunft der Jugend des Südens ist weiter düster. Auch um die staatliche Verschuldung steht es weiter vielerorts nicht gut. Sie ist nach wie vor viel zu hoch. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Strukturelle Reformen sind im Verzug, die Politik der Austerität steht auf dem Index, Umverteilung ist en vogue. Und noch etwas macht Sorge: Der Anteil der notleidenden Kredite der Banken ist sehr hoch, im Süden mehr, im Norden weniger. Die nächste Rezession kann Banken ins Wanken und ihre Staaten in Schieflage bringen. Ein Teufelskreis ist weiter nicht ausgeschlossen. Es spricht vieles dafür, die gegenwärtig ruhigeren Zeiten zu nutzen, die EWU an Haupt und Gliedern zu reformieren. Ein Katalog von zehn Geboten zeigt die großen Linien auf, entlang deren eine nachhaltige institutionelle Reform verlaufen sollte, die glaubwürdig regelgebunden ist.
1. Gebot: Der Euro sollte auch künftig ein „Geld ohne Staat“ sein
Manchen kann es nicht schnell genug gehen mit der Entnationalisierung der EU. Martin Schulz, der gescheiterte Vorsitzende der SPD, wollte schon bis 2025 die „Vereinigten Staaten von Europa“. Wer nicht mitmache, solle aus der EU fliegen. Jean-Claude Juncker, der Präsident der EU-Kommission, will alle Mitgliedsländer der EU, die die Beitrittskriterien zur EWU erfüllen, zwingen, den Euro einzuführen. Emmanuel Macron, der französische Präsident, liebäugelt mit einem europäischen Finanzminister, einem Euro-Zonen-Budget und einer Vergemeinschaftung der Schulden. Alle diese Vorschläge atmen den Geist des Verzichts auf nationale Souveränität. Der ideologische Überbau ist eine (relativ homogene) europäische Wertegemeinschaft. Das war schon immer eine Illusion. Heute wirkt er grotesk. Die Risse in der E(W)U werden tiefer. Europa wird heterogener. Von Interessenharmonie kann immer weniger die Rede sein. Die Interessengegensätze nehmen zu. Sie brechen sich in wachsender Abneigung und offenen Feindseligkeiten immer öfter Bahn. Heute ist Europa vor allem eine Zweckgemeinschaft. Auf einigen Feldern lohnt es sich für die Länder zu kooperieren, auf anderen wollen sie eigene Wege gehen. Kurz und gut: Die E(W)U wird weiter eine Region heterogener Nationalstaaten bleiben. Der Euro wird auch künftig ein „Geld ohne Staat“ (Padoa-Schioppa) sein. Und das ist auch gut so.
2. Gebot: Die EZB sollte politisch unabhängig bleiben
Die Geldpolitik ist eines der Felder, auf dem die EWU-Länder glaub(t)en, Kooperationsgewinne zu erzielen. Das „Binnenmarktprojekt 92“ ist ein anderes. Im Vertrag von Maastricht wurde gemeinsames geldpolitisches Handeln vereinbart. Die EZB wurde als eine politisch unabhängige Institution nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank installiert. Anteilseigner sind die nationalen Notenbanken der EWU. Jedes Mitgliedsland hat unabhängig von der wirtschaftlichen Stärke nur eine Stimme. Die EZB wurde auf das Ziel der Preisniveaustabilität verpflichtet. Das wirtschaftspolitische Assignment ist formal eindeutig. Preisniveaustabilität ist das einzige wirtschaftspolitische Ziel der EZB. Für alle anderen Ziele sind die beteiligten Staaten und die nationalen Tarifpartner zuständig. Die Unabhängigkeit der EZB ist aus zweierlei Gründen in Gefahr: Ihr wurde nach der existentiellen Euro-Krise die Aufsicht über die Banken übertragen. Und mit der Politik der „quantitativen Lockerung“ betreibt sie monetäre Fiskalpolitik. In beiden Fällen gerät sie in Abhängigkeit hochverschuldeter Staaten und ihrer notleidenden Banken. Die Mitgliedsländer der EWU müssen die Bankenaufsicht auf eine unabhängige Institution ausgliedern. Unabhängig bleibt die EZB nur, wenn sie ihre vertragswidrige monetäre Fiskalpolitik schleunigst beendet.
3. Gebot: Die monetäre Staatsfinanzierung sollte verboten bleiben
Die Verträge von Maastricht sind eindeutig: Staatliche Verschuldung darf nicht über die Notenpresse finanziert werden. Es ist allerdings nicht ganz einfach festzulegen, was monetäre Staatsfinanzierung ist. Der EZB ist es zwar verboten, auf dem Primärmarkt für Staatspapiere aktiv zu werden. Aus Gründen der „Marktpflege“ ist es ihr aber erlaubt, auf dem Sekundärmarkt zu intervenieren. Die Grenze zwischen beiden ist bisweilen fließend. Es ist unbestritten, in Zeiten einer existentiellen Krise, wie sie für den Euro im Jahre 2010 bestand, ist die EZB in der Pflicht, zu tun „whatever it takes“. Darauf hat der Genfer Ökonom Charles Wyplosz in einem über weite Strecken interessanten Interview in den „Perspektiven der Wirtschaftspolitik“ vor kurzem hingewiesen. Diese existentiellen krisenhaften Zeiten sind aber längst vorbei. Es ist höchste Zeit zur Umkehr. Eine andere Variante monetärer Staatsfinanzierung blüht eher im Verborgenen. Über die „Target 2-Salden“ genehmigen sich hochverschuldete Mitgliedsländer der EWU zinslose, ungesicherte Kredite auf Kosten einiger weniger Länder, vor allem Deutschlands. Darauf weist Hans-Werner Sinn seit langem völlig zu Recht hin. Wenn die Jens Südekums dieser Republik von einem Sinn’schen Fetisch und seinen Ressentiments gegenüber südeuropäischen Ländern schwafeln, haben sie geld- und integrationspolitisch nichts begriffen. Notwendig ist eine werthaltige Absicherung der Target2-Kredite oder ein unterjähriger Ausgleich der aufgelaufenen Salden.
4. Gebot: Die Nationalstaaten sollten wirtschaftspolitisch das Sagen haben
Die Welt erlebt nicht oft existentielle Krisen, wie die Finanz- oder die Euro-Krise, die zur finanziellen Kernschmelze führen können. In solchen Zeiten ist ökonomisch vieles anders. Die Regel sind allerdings „normale“ exogene Schocks, wie sie ständig auftreten. Damit wird die nationale Wirtschaftspolitik allein fertig. Ein koordiniertes Vorgehen der Länder schadet mehr als es nützt. Das beste Mittel gegen angebotsseitige, symmetrische oder asymmetrische Schocks sind offene Güter- und Faktormärkte. Dafür muss die nationale Wirtschaftspolitik sorgen. Ständige Strukturreformen sind unabdingbar. Ein europäischer Binnenmarkt ist hilfreich. Bei angebotsseitigen Schocks trägt in der EWU die Lohn- und Tarifpolitik die Hauptlast der Anpassung. Auch mit nachfrageseitigen Schocks werden die Länder in der Regel selbst gut fertig. Trotz fiskalischer Verschuldungsregeln, um die sich allerdings in der EWU niemand kümmert, besteht ausreichend nationaler Spielraum, auftretende Nachfragelücken aus eigener Kraft zu schließen. Das ist auch notwendig, weil die zentrale Geldpolitik auf länderspezifische Schocks nicht reagieren kann. Eine antizyklische nationale Fiskalpolitik ist eine große Hilfe: Überschüsse in guten Zeiten helfen, die Defizite in schlechten zu finanzieren. Es gibt keinen Grund, die nationalen Fiskalpolitiken europaweit zu koordinieren. Damit bleibt auch die nationale fiskalische Souveränität erhalten.
5. Gebot: Die soziale Sicherheitsarchitektur sollte national bleiben
Die wirtschaftspolitische Architektur der EWU ist kein Zufall. Die Geldpolitik ist zentral organisiert, alle anderen Wirtschaftspolitiken sind dezentral. Das institutionelle Arrangement spiegelt die heterogenen Präferenzen in Europa. Das „europäische Wunder“ ist ohne Wettbewerb heterogener Institutionen undenkbar. Das gilt auch für ein zentrales Element, die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die nationalen Sozialstaaten spiegeln die heterogenen Präferenzen wider. Dabei setzt die „angelsächsische“ Welt eher auf den Markt, die „nordische“ stärker auf den Staat, die „kontinentale“ auf Korporatismus und die „mediterrane“ mehr auf die Familie. Auf Herausforderungen reagieren sie unterschiedlich. Es wäre deshalb ein großer Fehler in Europa auf einen einheitlichen Sozialstaat zu setzen, wie es Emmanual Macron vorschlägt. Eine europäische Sozialunion mit einheitlichen gesetzlichen Mindestlöhnen, europäischen Tarifverträgen, uniformen Regelungen des Kündigungsschutzes, einer europäischen Arbeitslosenversicherung oder vereinheitlichter Grundsicherung gerät in Konflikt mit heterogenen, nationalen Präferenzen. Und noch etwas spricht gegen eine Sozialunion in Europa. Einheitliche europäische Regelungen verstopfen ein wichtiges Ventil, über das sich Länder (Regionen) an exogene Schocks anpassen. Die Anpassungskapazität der Länder geht zurück. Das destabilisiert die EWU. Europa sollte auf eine Sozialunion verzichten und weiter auf die heterogene, dezentral organisierte soziale Sicherheitsarchitektur setzen.
6. Gebot: Hände weg von den vier Grundfreiheiten in der EU!
Der europäische Binnenmarkt stabilisiert die EWU. Kommt es zu (negativen) exogenen Schocks, müssen sich die wirtschaftlichen Akteure (Arbeitnehmer und Unternehmen) an die veränderten Gegebenheiten anpassen. Wenn sie es nicht über die relativen Preise (Löhne und Lohnstrukturen) schaffen, geschieht die (interne) Anpassung schmerzhaft über die Mengen (Arbeitslosigkeit und Mobilität). Die Gefahr der mengenmäßigen Anpassung nimmt zu, wenn die wirtschaftlichen Akteure über Möglichkeiten verfügen, die Lasten aus der Anpassung auf Dritte abzuwälzen. Das können die Konsumenten sein, wenn die EZB stärker inflationiert („monetärer“ Kanal). Es kann der Staat sein, wenn er vermehrt finanzielle Hilfen gewährt („fiskalischer“ Kanal). Meist ist es aber der Sozialstaat, wenn beschäftigungspolitische Lasten auf Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung abgewälzt werden („sozialer“ Kanal). Härtere Budgetrestriktionen der Akteure verstopfen diese Kanäle. Das gelingt am ehesten, wenn der Wettbewerb auf Güter-, Dienstleistungs- und Faktormärkten intensiviert wird. Die vier Grundfreiheiten sorgen mit dafür. Dazu zählt auch die Personenfreizügigkeit in der EU. Der Wettbewerb wird intensiver, die Budgetrestriktionen werden härter, die relativen Preise flexibler, Arbeit und Kapital mobiler. Das alles stabilisiert die EWU. Wer den Euro künftig vor schweren Krisen bewahren will, muss deshalb den europäischen Binnenmarkt wettbewerblich weiter entwickeln. Vor allem auf den Märkten für Dienstleistungen besteht noch erheblicher (deutscher) Handlungsbedarf.
7. Gebot: Fiskalisches Trittbrettfahrer-Verhalten sollte verhindert werden
Werden Möglichkeiten geschaffen, Lasten auf Andere abzuwälzen, verändert sich das eigene Verhalten. Das gilt nicht nur für Individuen, es trifft auch für Staaten zu. Die Architekten der EWU haben dieses Risiko („moral hazard“) gesehen. Sie haben versucht, es mit fiskalischen Leitplanken einzuhegen. Gelungen ist das nicht. Trotzdem: Die EWU ist nur stabil, wenn es gelingt, möglichst viele Risiken zu vermeiden und möglichst wenige Risiken zu teilen. Das Erste ist nur möglich, wenn in den Ländern der EWU ständig strukturell reformiert wird und die Politik für solide staatliche Haushalte sorgt. Vor allem Nordländer sind diesem Weg gegenüber aufgeschlossen. Das Zweite endet unweigerlich in einer Transferunion, destabilisiert die EWU und zerstört sie schließlich. Vor allem die Südländer der EWU präferieren dieses Modell. Es ist mir unverständlich, weshalb 14 deutsche und französische Ökonomen (hier) stärker auf Risikoteilung setzen, also auf eine Transferunion. Die EWU ist nur stabil, wenn es gelingt, fiskalische Leitplanken zu installieren, die auch wirklich greifen. An einer wirksamen Haftungsausschluss-Klausel, dem Schlussstein der EWU (Charles Wyplosz), führt letztlich kein Weg vorbei. Der griechische Sündenfall darf sich nicht wiederholen. Allerdings ist Deutschland mit seinem überkommenen „bündischen Prinzip“ kein gutes Beispiel für einen wirksamen Haftungsausschluss in der EWU. Damit er funktioniert, muss er von einem „fiskalischen Cordon sanitaire“ abgeschirmt werden: Eine Insolvenzordnung für Staaten, keine Emission gemeinsamer Anleihen (Eurobonds; nachrangige Anleihen etc.), eingehegte, anreizkompatible Target2-Salden, keine europäische Einlagensicherung und auch keine europäische Arbeitslosenversicherung.
8. Gebot: Banken und Staaten sollten durch eine Brandmauer getrennt werden
In der EWU leben Banken und Staaten in einer unheilvollen Symbiose. Der Brand des Einen setzt auch den Anderen in Brand. Deshalb muss die Brandmauer zwischen Banken und Staaten verstärkt werden. Eine erste Möglichkeit ist, die Investitionen der Banken in staatliche Papiere zu begrenzen. Geraten Staaten in Schieflage, ist der negative Einfluss auf die Solidität der Banken begrenzt. Der Teufelskreis kommt erst gar nicht in Gang. Als zweites Element müssen staatliche Papiere in den Bankbilanzen entprivilegiert werden. Staatspapiere sind nicht risikolos. Sie müssen abhängig von der Höhe des Risikos mit Eigenkapital unterlegt werden. Dann gehen die Anreize der Banken, riskante Staatspapiere zu halten, nachhaltig zurück. Ein dritter Schritt besteht darin, die Eigenkapitalquote der Banken spürbar zu erhöhen. Die Vorschläge sehen Quoten zwischen 25 – 30 % vor. Ein viertes Element sollte dafür sorgen, dass Staaten immer wieder Banken retten. Zusammenbrüche von Banken müssen wieder möglich werden, (vorgeschobene) Systemrelevanz hin, (interessengeleitete) Systemrelevanz her. Die Eigentümer und Gläubiger der Banken müssen für die anfallenden Kosten aufkommen. Bail-ins sollten bail-outs ersetzen. Der Schlussstein der solideren Brandmauer muss eine Insolvenzordnung für Staaten sein. Statt auf fiskalische und monetäre Rettungsschirme, finanziert durch andere EWU-Mitglieder, zurückzugreifen, müssen sie bei einer Pleite ihre Schulden umstrukturieren.
9. Gebot: Die EWU sollte keinen permanenten EWF installieren
In der Euro-Krise drohte der EWU die finanzielle Kernschmelze. Das hat vor allem den Ländern, die finanziell in den Abgrund schauten, einen gehörigen Schreck eingejagt. Sie fordern eine ständige finanzielle Feuerwehr, die den Brand in notleidenden Ländern löscht. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), der auf zwischenstaatlichen Vereinbarungen fußt, soll nach dem Vorbild des IWF in einen EWF umgewandelt werden. Das ist der Vorschlag einiger in der EWU. Er soll nach Unionsrecht organisiert, von der EU-Kommission verwaltet und gemeinschaftlich finanziert werden. Das ist voreilig. Eine europäische „Berufsfeuerwehr“ ist in der EWU überflüssig. Die meisten Brände, mit denen die Länder zu kämpfen haben, sind eher klein. Sie können gut von den (nationalen) Feuerwehren vor Ort gelöscht werden. Große Brände sind trotz Finanz- und Euro-Krise die seltene Ausnahme. Dabei kann allerdings in Notfällen gemeinschaftliche Hilfe notwendig werden. Die Feuerwehren aus der Nachbarschaft (EWU) werden gebraucht, einen solchen Großbrand unter Kontrolle zu bringen. Eine gemeinsam finanzierte „Berufsfeuerwehr“ ist trotzdem nicht zu empfehlen. Die ständige Bereitschaft kostet Geld, viel Geld. Der lange „Leerlauf“ bringt die „Berufsfeuerwehr“ auf „dumme“ Gedanken. Sie sucht sich neue Aufgaben. Der IWF ist das abschreckende Beispiel. Die ständige Präsenz einer europäischen „Berufsfeuerwehr“ und die gemeinschaftliche Finanzierung tragen mit dazu bei, den notwendigen Brandschutz vor Ort zu vernachlässigen. Ein EWF erhöht die „Brandrisiken“ in der EWU.
10. Gebot: Die nationalen Parlamente sollten das letzte Wort haben
Es ist eine Illusion zu glauben, die Mitglieder der E(W)U würden sich in absehbarer Zeit zu „Vereinigten Staaten von Europa“ entwickeln. Die Länder verfolgen unterschiedliche Interessen. Es fällt ihnen schwer, auf nationale Souveränität zu verzichten. Den größten Verzicht haben die EWU-Länder in der Geldpolitik geleistet. Nicht alle sind damit einverstanden. Der Widerstand gegen die unkonventionelle Geldpolitik der EZB wächst. Vor allem in der Finanzpolitik beharren die Mitgliedsländer aber auf ihrer nationalen Souveränität. Der Vorschlag einiger, etwa des französischen Präsidenten, einen europäischen Finanzminister zu installieren, ist weder ernst gemeint noch zielführend. Ihm würde die politische Legitimation fehlen. Das Sagen sollten nach wie vor die Parlamente der Nationalstaaten, nicht das Europaparlament haben. Das würde sich erst ändern, wenn in der E(W)U echte Gemeinschaftsaufgaben geschaffen und supra-national finanziert würden. Die parlamentarische Kontrolle müsste dann auf E(W)U-Ebene erfolgen. Das Europäische Parlament käme ins Spiel. Der Einfluss der Nationalstaaten würde sinken. Solange das nicht der Fall ist, sind die Entscheidungsrechte des Europäischen Parlamentes („Wer zahlt, schafft an“) und die Handlungsspielräume der EU-Kommission begrenzt. Die E(W)U bleibt Kostgänger der Nationalstaaten. Sie wird auf absehbare Zeit eine Region heterogener Nationalstaaten bleiben, die wenig Lust verspüren, auf Souveränitätsrechte zu verzichten.
Fazit
Die gegenwärtige Ruhe in der EWU täuscht. Sie steht noch immer auf wackligen Beinen. Viele „Reformen“ der letzten Jahre waren Flickschusterei. Ein konsistenter Plan fehlt. Die Statik der EWU ist weiter instabil. Eklatante Baumängel sind nicht beseitigt. Die nächste Krise lässt sich nicht mehr mit dem Geld der Anderen zukleistern. Was die EWU braucht, sind institutionelle Reformen. Das sprunghafte, diskretionäre Verhalten der Politik in langen Brüsseler Nächten, das nur hektisch notdürftig repariert, ist kontraproduktiv. Ohne klare, glaubwürdige Regeln, die auch eingehalten werden, kommt die EWU auf keinen grünen Zweig. Der Euro bleibt auf absehbare Zeit ein „Geld ohne Staat“. Das ist die Realität. Die „Vereinigten Staaten von Europa“ sind eine der politischen Nebelkerzen der Jean-Claude Junckers in Europa. In deren Schatten treiben EU-Kommission und Europaparlament ihr zentralistisches Unwesen. Auch künftig sollten in der EWU die Nationalstaaten in erster Linie wirtschaftspolitisch das Sagen haben. Es ist die passende Antwort auf die heterogenen Präferenzen der Bürger in Europa. Die E(W)U lässt sich nur stabilisieren, wenn Handlung und Haftung wieder Hand in Hand gehen. Ohne einen glaubwürdigen Haftungsausschluss kommt die EWU wirtschaftlich nicht auf die Beine. Ein Haftungsverbund ist aber auch politisch verheerend. Da lag der Vertrag von Maastricht völlig richtig. Er hat allerdings einen systemrelevanten weißen Fleck: Die unheilvolle Symbiose von Banken und Staaten. Sie ist ein ständiger Gefahrenherd für die Stabilität der EWU und muss schleunigst entflochten werden. Orientieren sich die Mitgliedsländer der EWU an dieser ordnungspolitischen Magna Carta, klappt es auch mit dem Euro. Tun sie es nicht, fliegt den Europäern die EWU bei der nächsten Krise um die Ohren.
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