Gastbeitrag
Aktive Wechselkurspolitik à la Hollande
Erfolgsrezept oder Ausdruck einer „Finalité politique“?

Gerade wieder wurde von François Hollande die  Forderung nach einer Euro-Wechselkurs-Politik erhoben. Was ist von der Forderung zu halten? Soll eine Zentralbank den Wechselkurs als Zielvariable ins Auge fassen? Ist dies erfolgversprechend?

Es spricht Vieles gegen eine geldpolitische Manipulation des Euro-Wechselkurses.

Denn warum sollen wir aktive Wechselkurspolitik betreiben, wenn die Tendenz ohnehin in Richtung einer „Lira-isierung“ der Eurozone geht: nicht viele Peripherieländer werden ihre Wettbewerbsfähigkeit durch stringente Reformen wiedergewinnen – beispielsweise lassen die Wahlen in Italien gegenwärtig den Reformeifer erlahmen. Was danach kommt, weiß keiner. Ins Bild passt, dass die Leistungsbilanzsalden einiger Problemländer sich gegenwärtig häufig nicht wegen verbesserter Wettbewerbsfähigkeitsindikatoren verbessern, sondern einfach weil im Inland die Absatzmöglichkeiten wegbrechen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Portugal. Also bleibt die Abhängigkeit dieser Staaten von der ultralaxen Geldpolitik der EZB erst einmal bis auf Weiteres bestehen. Auf die EZB können sich die Krisenländer unbedingt verlassen, da die Bank den Wert der von ihr auf die Bilanz genommenen Staatsanleihen und anderer Assets schützen muss. Eine fundierte Prognose lautet also: mittelfristig dürfte es wegen der „fiscal dominance“ – also dem Einfluss der Regierungen auf die Geldpolitik und die Inflationsrate – und der „financial repression“ – also dem staatlicherseits durch Niedrigzinspolitik und regulatorischem Zwang zum Erwerb von Staatsanleihen aufoktroyierten Verlust der Sparer oder Geldanleger zugunsten ebendiesen Staates – mittelfristig zu höherer Inflation und einem Abwertungsdruck auf den Euro kommen.

Es sei denn, die USA und Japan verstärken den „Währungskrieg“ (weiter) und versuchen die Abwertungstendenzen des Euros durch eine weiter expansive Geldpolitik zu verhindern, was zu Handelsprotektion und  erheblichen Verwerfungen auf den Weltmärkten führen dürfte. Ein analoges Verhalten in den Jahren 2003-2005 war einer der zentralen ein Auslöser der Finanzkrise (Taylor, 2013).  Für dieses Szenario spricht, dass Großbritannien und viele asiatische Volkswirtschaften ihre Währung immer noch de facto immer an den US-Dollar koppeln: wenn aber der Rest der Welt abwertet, muss der Euro zwangsläufig unter Aufwertungsdruck kommen. Zu plädieren ist deshalb statt einer manipulierten Euro-Abwertung für eine größere Flexibilität der Wechselkurse in Asien, damit der Euro die Anpassungslast eines Geldpolitik-bedingt abwertenden Dollar nicht allein tragen muss.

Die Volkswirtschaften mit einer Strategie der expliziten Inflationssteuerung (u.a. Australien) haben die Finanzkrise unter anderem deshalb relativ besser als andere Länder überstanden, da sie ein flexibles Wechselkursregime bevorzugen. Dies sollte Vorbild genug sein.

Rufen wir uns die wichtigsten theoretischen Gegenargumente gegen eine aktive Wechselkurspolitik vor Augen:

(1) Eine Schwächung des Euro zu Gunsten der Handelspartner würde eine noch expansivere Geldpolitik der EZB als bisher erfordern, die die Preisstabilität in verschiedenen Assetklassen auf mittlere Sicht entscheidend gefährden kann. Damit kommt sie mit ihrem primären Ziel in Konflikt.

(2) Empirische Untersuchungen zeigen, dass Währungsaufwertungen nicht in dem Umfang negative Folgen auf die Exporte ausüben, wie allgemein behauptet wird. Es existieren keine eindeutigen Schmerzgrenzen für den Euro-Wechselkurs. Die Aufwertung verläuft langsam und absehbar genug, um den Unternehmen Zeit für eine Anpassung zu lassen (Belke, Göcke und Günther, 2013). Umgekehrt dürfte eine künstlich induzierte Abwertung des Euro ebenfalls v.a. Deutschland und anderen exportstarken Euroländern zu gute kommen und wenig zum Abbau der Handelsungleichgewichte in der Eurozone beitragen.

(3) Die EZB kann durch eine nominale Abwertung den (entscheidenden) realen Wechselkurs nicht zielgerecht und systematisch beeinflussen. Denn steigende Löhne und Preise sind auf kurz oder lang die Folge.

(4) Devisenmarktinterventionen bergen das Risiko, destabilisierende Effekte auf den Märkten auszulösen. Zumal man den gleichgewichtigen Wechselkurs nicht kennt und nur schwer abschätzen kann.

(5) Geldpolitische Interventionen zur Schwächung des Euro reduzieren aller Erfahrung nach die Anreize, die notwendigen Strukturreformen sowie Produkt- und Prozessinnovationen voranzutreiben, was dann den Wachstumspfad und die Beschäftigungslage gerade im Süden der Eurozone beeinträchtigt.

(6) (Mikroökonomische) Strukturreformen sind per se viel effektiver bei der Schaffung von Wachstum und Beschäftigung als (makroökonomisch wirkende) Abwertungen.

(7) Die Nachfrage nach Eurozonen-Exporten und die Größe der länderspezifischen Marktanteile sind nur zu einem geringeren Teil vom Wechselkurs des Euro abhängig. Viel bedeutsamer sind die Entwicklung des BIP-Wachstums im Importland und strategische Überlegungen der Exporteure wie das „Pricing-to-market“, das auf die Erhaltung von Marktanteilen trotz sinkender Gewinnmargen durch eine Aufwertung der heimischen Währung abzielt.

(8) Durch Devisenmarktinterventionen oder wechselkursorientierte Geldpolitiken wird Wechselkursvolatilität erzeugt, die für die Realwirtschaft die Planung erschweren und daher schädlich sind. Abwertungswettläufe, die Hollandes mit seiner Äußerung riskiert, sind deshalb unbedingt zu vermeiden.

(9) Einseitige politische Interessen und erwartete Gewinne bestimmter “Pressure groups“ (wie zum Beispiel der Produzenten im Bereich handelbarer Güter) sind die Triebfeder des Strebens nach einer Euro-Abwertung. Die EZB würde bei einer aktiven Wechselkurspolitik Gefangene dieser einseitigen politischen Interessen und damit gegen ihr Statut politisch abhängig. Diese birgt zudem die Gefahr eines nicht-kalkulierbaren Fine-Tunings der Geldpolitik, was die Erwartungen der Marktakteure destabilisieren und Investoren vor Investitionen in die Eurozone abschrecken dürfte.

(10) Aktiv betriebene Abwertungen der heimischen Währung sind einfach ineffektiv, wenn es darum geht, eine Rezession (dagegen sprechen J-Kurveneffekte, also verzögerte positive Effekte einer Abwertung auf die Nettoexporte) oder gar Stagnation (dagegen spricht der strukturelle Charakter der Arbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien und Griechenland und die „Neue Normalität“ der makroökonomischen Gesamtlage nach der Finanzkrise mit einem geringeren Wachstumspotenzial) zu bekämpfen.

Genauere theoretische Unterlegungen liefern wir bereits in einem unserer frühen ECB Observer Reports (ECB Observer, 2004). Ein entscheidendes Zitat hieraus lautet wohl (S. 8):

„Economic literature has often detected destabilising effects from intervention. Intervening within a narrow band of the equilibrium rate is likely to increase the chances of creating persistent instability. Unfortunately, the likelihood of meeting equilibrium is relatively remote. Experience shows that intervention increases the probability of stability only when the rate is clearly misaligned. An additional, and perhaps more striking argument against intervention, is that the factors driving the direction and intensity of exchange rate moves – that is, for instance, expected growth and capital returns – are beyond the reach of monetary policy: apart from the price level it is hard to see how monetary policy can have a systematic impact on the variables which are usually held responsible for exchange rate levels“.

Genau dies darf in diesen Tagen der Diskussion um mögliche Währungskriege nicht in Vergessenheit geraten. Denn eine Debatte um die Politisierung der Wechselkurse gedeiht in der Regel nur in einem Umfeld politisierter Geldpolitik. Sie betrifft wegen ihres hohen Spaltungspotenzials entlang der Trennlinie zwischen Nord- und Südländern nicht nur die Zukunft der Währungsunion, sondern auch die politische Zukunft der Europäischen Union. Politiker vermeiden leider zu häufig Antworten auf Fragen nach dem Endpunkt politischer Bemühungen – bekannt als finalité politique.

Literatur

Belke, Ansgar, Kösters, Wim, Leschke, Martin, Polleit, Thorsten (2004): Liquidity on the Rise – Too Much Money Chasing too Few Goods, Part 1: A case against ECB FX market interventions, ECB Observer – Analyses of the Monetary Policy of the European System of Central Banks, No. 6, Frankfurt/Main, February 2.

Belke, Ansgar, Göcke, Matthias und Martin Günther (2013): Exchange Rate Bands of Inaction and Play-Hysteresis in German Exports – Sectoral Evidence for Some OECD Destinations, Metroeconomica, Vol. 64, Issue 1, S. 152 – 179

Taylor, John B. (2013): International Monetary Coordination and the Great Deviation, ASSA Meetings 2013, San Diego

 

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