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Kampf der Geschlechter
Warum und wieviel verdienen Frauen weniger als Männer?

Im Zeitalter der Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebenslagen hat gerade die unterschiedliche Entlohnung von Männern und Frauen eine enorme gesellschaftliche Brisanz und kulmuniert in der Forderung nach einem „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“. Inwieweit unterscheiden sich Frauen und Männer in ihrer Arbeitstätigkeit? Was begründet die ungleiche Verteilung von Frauen und Männern auf Branchen, Berufe und Unternehmen? Welcher Teil der Lohnlücke wird durch diese unterschiedliche Aufteilung begründet? Spiegelt der unerklärbare Teil der Lohnlücke wirklich die Höhe der Lohndiskriminierung von Frauen wider?

Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen

Der unbereinigte Gender Wage Gap gibt den prozentualen Unterschied zwischen Männern und Frauen in den Stundenlöhnen an. In Deutschland lag er im Jahr 2015 bei 19,6 Prozent. Bei diesem einfachen Vergleich der Löhne bleibt unberücksichtigt, dass Männer und Frauen in Bezug auf arbeitsmarktrelevante Eigenschaften unterschiedlich ausgestattet sind. Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, bedarf es demnach der Ermittlung des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen, die der „gleichen Arbeit“ nachgehen. Eine einfache Bereinigung mittels der Oaxaca-Blinder-Dekomposition definiert welcher Teil der Lohnlücke auf die unterschiedliche Merkmalsausstattung von Männern und Frauen zurückzuführen ist. Der verbleibende Rest – der bereinigte Gender Wage Gap – beschreibt diejenige Lohnlücke, die bei gleicher Verteilung der Merkmalsausstattung zwischen Männer und Frauen verbleiben würde. Diese unerklärte Komponente drückt zum einen die Lohndiskriminierung auf den Arbeitsmarkt und zum anderen den Einfluss unberücksichtigter Merkmale, die entweder nicht messbar sind oder nicht abgefragt wurden, aus.

In Deutschland ist die mittlere Lohnlücke seit den 80er Jahren rückläufig. Insbesondere jüngere Arbeitnehmerinnen erfahren einen relativ geringen Lohnabstand zu ihren männlichen Kollegen. Dennoch wird deutlich, dass der Gender Wage Gap über das Erwerbsleben hinweg stetig zunimmt. So lag die Lohnlücke der 20-Jährigen aus dem Jahr 1984 zehn Jahre später bei knapp 20 Prozent und im Jahr 2004 bereits bei 27,2 Prozent.

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Ursachen und Erklärungsansätze

Maßgeblich für die individuelle Lohnhöhe ist die Humankapitalausstattung des Einzelnen. Das allgemeine Bildungsniveau, die Länge der Berufserfahrung und die Intensität an beruflicher und betrieblicher Weiterbildung begründen einen großen Teil der Lohnunterschiede zwischen Arbeitnehmern. Da Frauen heutzutage im Durchschnitt ein höheres Bildungsniveau erreichen als Männer, spielen eher Erwerbsunterbrechungen aufgrund der Kindererziehung eine tragende Rolle für den Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern.

Dies spiegelt sich auch in der Berufserfahrung und der Betriebszugehörigkeitsdauer der Arbeitnehmer zwischen 40 und 45 Jahren wider. 2015 hatten Arbeitnehmerinnen dieser Altersgruppe im Durchschnitt knapp 4,8 Jahre weniger Arbeitsmarkterfahrung und eine um 1,2 Jahre geringere Betriebszugehörigkeitsdauer als ihre männlichen Pendants.

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Ferner unterscheiden sich die Geschlechter sehr stark in ihrer Berufswahl. Arbeitnehmerinnen konzentrieren sich besonders stark auf das Gesundheits- und Sozialwesen, während Männer traditionell im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt sind. Der berufliche Segregationsindex nach Duncan betrug im Jahr 2016 knapp 0,58, d.h. 58 Prozent der Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerinnen müssten ihren Beruf wechseln, um eine Gleichverteilung der Geschlechter auf die Berufe zu erreichen. Ein erheblicher Teil des Gender Wage Gaps entsteht durch die unterschiedliche Entlohnung in Männer- und Frauenberufen. So lag 2016 der durchschnittliche Bruttomedianlohn in Männerberufen bei 3150 Euro und in den Frauenberufen bei 2543 Euro.

Konzentrieren sich Frauen auf eine kleinere Menge an Berufen im Vergleich zu den Männern, erzeugt das stärkere Arbeitsangebot in diesen Berufen einen Lohndruck und bedingt geringere Löhne, während Männer vom schwächeren Wettbewerb in den Männerberufen in Form von höheren Löhnen profitieren. Im Jahr 2016 bildeten Männer in 449 Berufsgruppen die Mehrheit, während Frauen lediglich in 241 Berufsgruppen mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerschaft stellten.
Die Geschlechter unterscheiden sich auch in ihrem Arbeitsumfang. Nach wie vor wird ein Großteil der familiär bedingten Erwerbspausen durch Arbeitnehmerinnen in Anspruch genommen. Die Mehrheit der Frauen ändert aber auch nach der familiär bedingten Auszeit ihr Arbeitsangebotsverhalten und zieht dann eine Teilzeittätigkeit einer Vollzeitbeschäftigung vor. Durch eine schwächere Bindung an das Unternehmen und einem geringeren Maß an on-the-job Training fallen die Löhne in Folge geringer aus.
Trotz der Unterschiede in den arbeitsmarktrelevanten Merkmalen bleibt ein Teil des Gender Wage Gaps auch für Deutschland unerklärt. Wird der unerklärte Teil lediglich durch das Geschlecht begründet und kann nicht auf unberücksichtigte Faktoren zurückgeführt werden, definiert die verbleibende Differenz die Lohndiskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt. Ursächlich für diese Diskriminierungsneigung gegenüber weiblichen Beschäftigten könnte die Präferenz der Arbeitgeber, der Mitarbeiter oder der Kunden für männliches Personal sein. Liegen unvollkommene Informationen vor, sind Arbeitgeber eher geneigt auf ihre Erfahrungen und gesellschaftliche Normen im Einstellungsprozess zurück zu greifen. Wurde in der Vergangenheit die Erfahrung gewonnen, dass Frauen im Durchschnitt weniger produktiv sind oder möglicherweise die Gesellschaft diese als generell weniger leistungsfähig einstuft, so werden Bewerberinnen in den Lohnverhandlungen benachteiligt. Die empirische Evidenz aus Experimenten zeigt, dass Frauen in Bewerbungsverfahren häufiger als weniger kompetent als Männer eingestuft werden und in Folge geringere Gehälter erhalten. Insbesondere Mütter müssen im Vergleich zu kinderlosen Frauen Lohneinbußen hinnehmen, wohingegen Männer in einigen Fällen sogar von der Vaterschaft profitieren.

Empirische Evidenz für Deutschland

Der Stundenlohn eines Arbeitnehmers wird von verschiedenen sozioökonomischen und demographischen als auch umweltbedingten Faktoren beeinflusst, welche man zur Vereinfachung in drei Gruppen einsortieren kann. Die erste Gruppe bilden die individuellen Charakteristika einer Person. Hierzu gehören das Alter, das Geschlecht, der Migrationshintergrund und der Bildungsgrad einer Person. Die zweite Gruppe misst den Einfluss der Arbeitsplatzstabilität auf den individuellen Lohn. Ausschlaggebend hierbei sind die Betriebszugehörigkeitsdauer, die bisherige Arbeitsmarkt- und Arbeitslosigkeitserfahrung und der aktuelle Arbeitszeitstatus (Vollzeit, Teilzeit oder Minijob) einer Person. Die letzte Gruppe umfasst die Beschäftigungseigenschaften einer Person und die Eigenheiten des Betriebs. Zum einen wird die Wirkung der Betriebsgröße, des Wirtschaftszweigs und der Berufsgruppe auf den individuellen Lohn quantifiziert. Zum anderen wird der Einfluss der ausgeführten Tätigkeit gemessen. Hierbei wird abgefragt, ob es sich um eine Tätigkeit im erlernten Beruf handelt und ob der Arbeitsalltag des Arbeitnehmers mehrheitlich abstrakte Nicht-Routinetätigkeiten, kognitive Routinetätigkeiten, manuelle Routinetätigkeiten oder manuelle Nicht-Routinetätigkeiten beinhaltet. Schließlich werden regionale Effekte, wie z.B. die Arbeitslosenquote oder das Wirtschaftswachstum, durch den Wohnort des Arbeitnehmers aufgefangen.

Basierend auf dem Sozio-oekonomischen Panel für das Jahr 2015 ergibt die Schätzung für abhängig Beschäftigte im Alter von 20 bis 60 Jahren, dass eine Arbeitnehmerin, die bezüglich aller Einflussfaktoren die gleichen Eigenschaften aufweist wie ein Arbeitnehmer, im Durchschnitt einen um 8,2 Prozent geringeren Stundenlohn als der vergleichbare Arbeitnehmer erhält. Dies bedeutet, dass knapp 58 Prozent der unbereinigten Lohnlücke auf die unterschiedliche Ausstattung zwischen Frauen und Männer zurückzuführen ist. Mit 41,2 Prozent der mittleren Lohnlücke liefern die Einflussfaktoren der Arbeitsplatzstabilität den größten Erklärungsgehalt. Die Unterschiede in den Beschäftigungs- und Betriebseigenschaften erklären 16,2 Prozent der Lohnlücke. Die individuellen Eigenschaften und die lokalen Effekte haben einen vernachlässigbaren Einfluss auf den Gender Wage Gap. Trotz der Fülle an Einflussgrößen des realen Stundenlohns bleiben weiterhin 42,1 Prozent des Gender Wage Gaps unerklärt. Dies kann zum einem darauf zurückgeführt werden, dass nicht alle arbeitsmarktrelevanten Indikatoren aufgrund der Datenrestriktionen berücksichtigt werden können, wie z.B. genauer Wohnort der Person oder Befristung des Arbeitsvertrags. Zum anderen kann die verbleibende Lohnlücke auch einen Teil der Lohndiskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt widerspiegeln.

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Fazit

Trotz positiver Entwicklungen in der gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gleichstellung von Frauen und Männern in den letzten Jahrzehnten, liegt die mittlere Lohnlücke in Deutschland bei weiterhin 19,6 Prozent. Über die Hälfte des Gender Wage Gaps lässt sich auf arbeitsmarktrelevante Faktoren zurückführen, womit eine bereinigte Lohnlücke von 8,2 Prozent verbleibt. Politischer Handlungsbedarf besteht auf beiden Seiten der Dekomposition der Lohnlücke. Zum einen muss einer Lohndiskriminierung trotz gleicher Leistungsfähigkeit mit einer strikten Durchsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes entgegengetreten werden. Zum anderen bedarf es einer ursachenorientierten Untersuchung des Ausstattungseffektes und seiner langfristigen Reduzierung in der Zukunft. Ein großer Teil des Gender Wage Gaps wird von der Arbeitszeitregelung, der Arbeitsmarkterfahrung und den Beschäftigungs- und Betriebseigenschaften getrieben. Hier gilt es konkrete Verbesserungen für die Arbeitsmarktlage von Frauen und Müttern zu erzeugen. Dies beginnt bei der Stärkung der Attraktivität von MINT-Berufen für Schülerinnen und endet bei der Abfederung negativer Beschäftigungs- und Lohneffekte beim Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt von Müttern nach einer familienbedingten Erwerbspause.

Hinweis: Ein umfassenderer Artikel von Mustafa Coban und Selina Foshag „Kampf der Geschlechter“ ist in der Fachzeitschrift WiSt, Jg. 47 (2018), Heft 12, S. 34 – 45 erschienen.

 

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