Die Autoindustrie leidet wegen der Corona-Pandemie unter Absatzschwierigkeiten, so wie viele andere Industriezweige auch. Zur Verbesserung des Absatzes fordert der Verband der deutschen Automobilindustrie VDA eine Kaufprämie für die Neuanschaffung von Autos mit Diesel- und Benzinmotoren. Bei dieser Forderung nimmt man sich wohl die finanziellen Anreize für den Kauf von Elektroautos zum Vorbild, für die es – unter klimapolitischem Vorwand – eine Kaufprämie von 6.000 Euro gibt, die von Staat und Industrie jeweils zur Hälfte finanziert wird.
Zugegeben: Mit rund 800.000 Beschäftigungsverhältnissen, die mit der Auto- und Zuliefererindustrie verbunden sind, ist diese Branche wichtig für den Wohlstand in Deutschland. Dennoch sollte die Politik der Forderung nach einer Kaufprämies für Autos mit Diesel- und Benzinmotoren aus zahlreichen Gründen nicht nachkommen.
- Erstens stellt sich prinzipiell die Frage, weshalb der Autoindustrie aktuell eine Sonderbehandlung zukommen sollte, obwohl andere, nicht minder relevante Wirtschaftsbereiche, wie Tourismus, Kunst und Kultur, Öffentlicher Verkehr, etc. von der Covid-19-Krise ebenfalls sehr hart getroffen wurden. Schuh- oder Bekleidungsgeschäfte finanzieren ihre Rabatte selbst, auch wenn ihre finanziellen Polster aus Gewinnen bei weitem nicht so umfangreich sind, wie jene der Autokonzerne.
- Zweitens bestünde der Haupteffekt einer Kaufprämie in einer Nachfrageverschiebung: Bereits geplante Autokäufe würden vorgezogen und fehlen dafür später. Dies zeigte sich bei der im Jahr 2009 zur Stützung der Beschäftigung gewährten Umweltprämie in Höhe von 2.500 Euro für den Kauf neuer Autos, wenn das alte Auto im Gegenzug verschrottet wurde. Nach Auslaufen der unter dem Namen Abwrackprämie besser bekannten Anreize sanken die Neuwagenumsätze in Deutschland deutlich, nach einem Rekordhoch folgte ein Rekordtief im Folgejahr: Im ersten Halbjahr 2010 gingen die Neuzulassungen deutscher Marken gegenüber dem Vorjahr um 28 % zurück. Dieses Beispiel lässt vermuten, dass die mit einer Kaufprämie verbundenen Mitnahmeeffekte hoch ausfallen würden.
- Drittens hätte eine Kaufprämie regressive Verteilungswirkungen und wäre daher auch aus sozialpolitischer Perspektive zu hinterfragen: Neuwagen werden – zumal in Krisenzeiten – eher von wohlhabenden Personen gekauft, ärmere Haushalte schaffen sich, wenn überhaupt, eher gebrauchte Autos an.
- Viertens wäre eine Kaufprämie für Diesel und Benziner, seien sie auch noch so energieeffizient und treibstoffarm, auch aus umwelt- und klimapolitischer Sicht fragwürdig. Eine Auto-Kaufprämie fördert die Anschaffung und Nutzung von Pkw und würde damit einer Verkehrswende in Richtung Klimaverträglichkeit und Multimodalität entgegenstehen: Um insbesondere die erheblichen Verkehrsprobleme in den Städten zu lindern, wäre statt einer weiterhin starken Nutzung von Pkws ein Umstieg auf den Öffentlichen Nahverkehr und das Fahrrad wünschenswert.
- Es stellt sich nicht zuletzt die Frage, ob nicht aus beschäftigungspolitischer Sicht eine Kaufprämie sinnvoll wäre, schließlich könnten bei einer höheren Beschäftigung im Automobil- und Zulieferersektor erhebliche finanzielle Mittel beim Kurzarbeitergeld eingespart werden. Anstatt eine Kaufprämie zu beschließen, sollte allerdings eher die Dauer der Gewährung von Kurzarbeitergeld hinterfragt werden und ob es, fünftens, nicht im Eigeninteresse der Autoindustrie wäre, ihre Beschäftigten trotz Unterbeschäftigung zu halten, wenn damit zu rechnen ist, dass der Autoabsatz im kommenden Jahr wieder im normalen Bereich liegt oder sogar darüber, weil derzeit ausbleibende Käufe in den kommenden Jahren nachgeholt werden könnten. Die Überwindung einer entsprechenden Durststrecke wäre dann Aufgabe der Unternehmen und sollte nicht zu Lasten der Steuerzahler gehen.
Aus all diesen Gründen, vor allem aus wirtschaftspolitischer Perspektive, ist eine Kaufprämie nicht angebracht. Daher sprechen sich zahlreiche Ökonominnen und Ökonomen dagegen aus, allen voran die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und ehemalige Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik, der angesehenen Vereinigung deutschsprachiger Ökonominnen und Ökonomen.
Blog-Beiträge zum Thema:
Henning Klodt: Abwrackprämien und kein Ende
Eric Heymann: Warum eine Abwrackprämie für Autos keine gute Idee ist
Alexander Eisenkopf: Von Kauf- und anderen Prämien