Stahlproduktion auf Wasserstoffbasis
Eine überaus teure Vision!

Es ist eine hochriskante Wette mit hohem Wetteinsatz: Mit etwa sieben Milliarden Euro fördert der Staat die Umstellung der Stahlerzeugung in Deutschland, damit im Jahr 2045 Stahl weitgehend emissionsfrei produziert wird. Riskant ist die Wette vor allem dadurch, dass aktuell durch den Strukturwandel in der Industrie – speziell im Automobilsektor –unklar bleiben muss, in welchem Umfang Stahlerzeugungskapazitäten künftig noch benötigt werden und ob mit den sieben Milliarden Euro nicht vorschnell die Basis für Überkapazitäten geschaffen wurde.

Bedacht wurden dabei vor allem die großen Stahlerzeuger, darunter die Salzgitter AG, ArcelorMittal und die Saarstahl AG. Allein das kriselnde Unternehmen thyssenkrupp Steel Europe, Tochterunternehmen der thyssenkrupp AG, soll zwei Milliarden Euro vom Bund und der Landesregierung NRW dafür erhalten, dass die klassische Stahlerzeugung im Hochofen auf Basis von Kokskohle durch eine Produktion im Direktreduktions-Verfahren abgelöst wird, bei dem dereinst grüner Wasserstoff die Kokskohle ersetzen soll. Bis es so weit ist, soll übergangsweise das emissionsärmere Erdgas eingesetzt werden. Bei diesem Verfahren wird aus Eisenerz Eisenschwamm erzeugt, der anschließend im Elektrostahlverfahren zu Rohstahl veredelt wird. Im Vergleich zur klassischen Hochofenroute wird der Ausstoß an Treibhausgasen um bis zu 60 Prozent reduziert, wenn Erdgas eingesetzt wird, noch stärker, wenn grüner Wasserstoff eingesetzt würde.

Es gibt kostengünstigere Alternativen

In Vergessenheit geraten ist dabei wohl, dass Stahl bereits heute emissionsarm hergestellt wird: in Elektrostahlwerken, in denen Stahl hauptsächlich durch das Einschmelzen von Stahlschrott gewonnen wird. Im Vergleich zur konventionellen Hochofenroute wird hierbei rund drei Viertel der Emissionen einspart. Wäre der dafür nötige Strom bereits heute vollkommen grün, wäre diese Art der Stahlerzeugung sogar weitgehend emissionsfrei.

Eine weitere emissionsarme Alternative ist die herkömmliche Stahlerzeugung mit Abscheidung von Kohlendioxid (CO2) und dessen unterirdischer Speicherung, auch bekannt als Carbon Capture and Storage (CCS). Experten gehen davon aus, dass dies zu CO2-Preisen von 40 bis 60 Euro je Tonne realisiert werden kann. Würden nach der geplanten, aber noch ausstehenden gesetzlichen Genehmigung der CO2-Abscheidung in Deutschland in einigen Jahren Pipelines zur Verfügung stehen, mit denen das abgeschiedene Kohlendioxid in Länder wie Dänemark oder Norwegen transportiert werden könnte, in denen CO2-Speicherung heute schon ein Geschäftsmodell ist, wäre die herkömmliche Stahlerzeugung mit CO2-Abscheidung eine weitaus kostengünstigere Alternative als die Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff. So gehen Experten davon aus, dass grüner Wasserstoff, selbst wenn er denn dereinst in ausreichenden Mengen vorhanden sein sollte, rund 600 Prozent mehr kosten würde als fossiles Erdgas. Es ist zudem wahrscheinlich, dass die Bedeutung von Stahlschrott weiter anwachsen und dieser damit einen wichtigen Beitrag für die grüne Stahlproduktion leisten wird – ohne hohe staatliche Subventionen.

Stahlerzeugung mit grünem Wasserstoff ist überaus teuer

Weitaus unwahrscheinlicher ist hingegen, dass eines Tages genügend grüner Wasserstoff für die noch zu bauenden grünen Stahlwerke zur Verfügung stehen wird. Außer Bundeswirtschaftsminister Habeck, der jüngst auf dem Stahlgipfel in Duisburg grünen Stahl Made in Germany als die Zukunft bezeichnete, glauben nur wenige an diese Alternative. Es kommt daher nicht völlig überraschend, dass thyssenkrupp aktuell den Abbruch seines Investitionsprojekts für den Bau wasserstofffähiger Stahlwerke, für den bereits rund 0,5 Milliarden Euro an Fördergeldern geflossen sind, prüft und ergebnis- und technologieoffen vier Szenarien betrachtet. Eines dieser Szenarien ist der komplette Abbruch des Investitionsprojektes. 

Aber angesichts der hohen Kosten für die Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff müsste man es nicht einmal bedauern, wenn grüner Wasserstoff für die Stahlerzeugung nicht ausreichend vorhanden wäre. Bedauern könnte man aber eines Tages, wenn sich die milliardenschweren Hilfen für den Bau wasserstofffähiger Stahlwerke dadurch in Schrott verwandeln, dass die Stahlproduktion in Deutschland dauerhaft an Wettbewerbsfähigkeit verliert, nicht zuletzt wegen zu hoher Strompreise.

Gefährdete Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Stahlerzeugung

Die Gefahr des dauerhaften Verlusts der Wettbewerbsfähigkeit ist umso realer, als der Umfang der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten im EU-Emissionshandel bis zum Jahr 2034 schrittweise reduziert wird. Anstelle der teilweise kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten, mit der aktuell das Risiko der Verlagerung von Treibhausgasemissionen (Carbon Leakage) in Länder außerhalb der Europäischen Union verringert wird, soll ab dem Jahr 2026 ein CO2-Grenzausgleichssystem treten. Mit dem CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) genannten Mechanismus soll sichergestellt werden, dass auf emissionsintensive Güter wie Zement oder Stahl bei ihrer Einfuhr dieselben Kosten für den CO2-Ausstoß aufgeschlagen werden, wie wenn sie im Geltungsbereich des EU-Emissionshandels hergestellt worden wären. Es darf angesichts vieler praktischer Probleme, die mit dem CBAM verbunden sind – angefangen von der korrekten Erfassung der bei der Produktion im Ausland entstehenden Emissionen – stark bezweifelt werden, dass es mit diesem Mechanismus für die europäischen Unternehmen einen zuverlässigen Schutz vor Wettbewerbsnachteilen infolge der hiesigen überambitionierten Klimaschutzvorgaben geben wird.

Staatlicher Interventionismus wegen ambitionierter Klimaziele?

Die deutsche Politik hat sich wohl gezwungen gesehen, den Bau neuer Stahlwerke zu fördern, um die Geister, die sie selbst rief, indem sie die sehr ambitionierte Klimaschutzpolitik der Europäischen Kommission und die Einführung des CBAM maßgeblich unterstützt hat, wieder zu vertreiben. Besser wäre gewesen, die Politik hätte sich erst gar nicht in diese Zwangslage gebracht. Auch hehre klimapolitische Ziele rechtfertigen aus ökonomischer Sicht nicht den massiven staatlichen Interventionismus und die hohen Fördergelder für einen einzigen Wirtschaftszweig – zumal es Alternativen ohne massive Subventionen gegeben hätte.

Treibhausgasreduktion durch Stahlproduktion auf Wasserstoffbasis?

All dies ist umso befremdlicher als durch die Stahlproduktion auf Wasserstoff- oder Erdgasbasis, anstatt mittels Kokskohle, wegen der Existenz des EU-Emissionshandels im EU-weiten Maßstab betrachtet gar keine Treibhausgasemissionen eingespart würden: Die dadurch freiwerdenden Emissionszertifikate werden von anderen am Emissionshandel beteiligten Unternehmen erworben und die Emissionen werden lediglich innerhalb der Europäischen Union verlagert, aber nicht verringert (Wasserbetteffekt). Dass die Emissionen dadurch in Deutschland geringer ausfallen würden, wäre somit nicht einmal als klimapolitscher Erfolg zu werten – von den hohen Kosten der Verringerung des nationalen Klimagasausstoßes einmal ganz abgesehen.

Niedrige Strompreise sind zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar

Damit die Politik ihre riskante Wette auf neue Stahlwerke nicht von vorneherein verliert, muss sie nun schleunigst für niedrigere Strompreise sorgen. Ein Anfang dazu sollte mit der Reaktivierung der 2023 abgeschalteten Atomkraftwerke gemacht werden.

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