Wirtschaftspolitik neu denken (5)
Die Energiewende vom Kopf auf die Füße stellen

Damit die aus der Energiewende resultierenden finanziellen Belastungen für Staat, Gesellschaft und Unternehmen nicht weiter massiv zunehmen, sollten das im Jahr 2000 eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und damit die Subventionen für Erneuerbare schnellstmöglich abgeschafft werden. Anstatt neue wasserstofffähige Erdgaskraftwerke zu bauen, die mit teurem grünem Wasserstoff betrieben werden, sollte die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus Kohle- und Erdgaskraftwerken erlaubt werden. Die Stromerzeugung kann auch so treibhausgasneutral werden. Dann könnte das überambitionierte, nicht wohlfahrtoptimale Erneuerbaren-Ziel eines Grünstromanteils von nahezu 100 % aufgegeben werden, den Stromverbrauchern würde ein dreistelliger Milliardenbetrag erspart bleiben, weil der Netzausbau weitaus weniger umfangreich ausfallen müsste.

Deutschlands Energiewende ist kein Vorbild für die Welt. Das ist nicht erst seit der Dunkelflaute vom 12. Dezember 2024 klar, als wegen fehlenden Winds kaum grüner Strom produziert wurde und ein großes Angebotsdefizit herrschte — auch wegen der Abschaltung von Kern- und Kohlekraftwerken. Im Ergebnis verzehnfachte sich der Strompreis an der Börse am Abend auf knapp einen Euro je Kilowattstunde, etwa ein Fünftel des deutschen Strombedarfs musste durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden.

Deutschlands Energiewende verärgert die europäischen Partner

Das erfreute unsere europäischen Partnerländer keineswegs. So mussten norwegische Stromverbraucher, die meist flexible Stromtarife haben, plötzlich acht statt einer Krone für die Kilowattstunde bezahlen. Unerwähnt blieb, dass Norwegen dank der Leitung nach Deutschland im Sommer regelmäßig von den negativen Strompreisen profitiert, wenn hierzulande bei Sonnenschein Solarstrom im Überfluss produziert wird und dann sogar Geld dafür gezahlt werden muss, dass das Ausland den überschüssigen Strom abnimmt. Das ist für Deutschland wegen der explodierenden Photovoltaikkapazitäten, aber kaum vorhandener Stromspeicher ein zunehmend schlechtes Geschäft.

Die preislichen Exzesse nach oben und unten sind klare Indizien für Ineffizienzen, die durch den Ausbau der Erneuerbaren bei gleichzeitigem Abschalten von immer mehr konventionellen Kapazitäten, und damit jederzeit gesicherter Leistung, entstanden sind — auf Kosten der Steuerzahler und Stromverbraucher. Letztere haben dafür immer höhere Strompreise zu zahlen, besonders wegen stark steigender Netzentgelte. Auch künftig werden die Netzentgelte steigen, denn die erwarteten Kosten für den Ausbau von Überlandleitungen und Verteilnetzen sollen laut Netzentwicklungsplan bei weit über 500 Milliarden Euro liegen. 

Den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren hinterfragen

Damit die finanziellen Belastungen für Staat, Gesellschaft und Unternehmen nicht weiter massiv zunehmen, sollte die neue Regierung den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren hinterfragen, nicht zuletzt deshalb, weil der Ausbau der Stromnetze dem der Erneuerbaren chronisch hinterherhinkt. Das Ausbautempo zu drosseln, solange Netze und Speicher fehlen, würde den Stromverbrauchern Milliarden Euro ersparen, die sie andernfalls zur Vermeidung von Netzinstabilitäten als Entschädigungszahlungen für die Abschaltung von Wind- und Solarparks zahlen müssten. Zumal der Stromverbrauch aktuell sinkt, anstatt zu steigen, wie dies wegen der Zunahme an Elektromobilen und Wärmepumpen erwartet wurde.

Speicher für Solarparks finanzieren, statt neue Parks fördern

Statt neue Solarparks staatlich zu fördern, sollten Batteriespeicher für bestehende Parks finanziert werden. So könnten die Betreiber an sonnigen Tagen den überschüssigen Solarstrom speichern, um ihn nachts zu höheren Preisen verkaufen zu können, als sie tagsüber an Vergütungen für die Solarstromeinspeisung erhalten würden. Die Preisschwankungen an der Strombörse würden so gedämpft, das schlechte Außenhandelsgeschäft mit Strom könnte so verbessert werden.

Kohlendioxid-Abscheidung und Speicherung auch bei Kraftwerken, aber auf den Einsatz von teurem grünem Wasserstoff in Kraftwerken verzichten!

Anstatt neue wasserstofffähige Erdgaskraftwerke zu bauen, die mit teurem grünem Wasserstoff betrieben werden, sollte die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus Kohle- und Erdgaskraftwerken erlaubt werden. Die Stromerzeugung kann auch so treibhausgasneutral werden. Dann könnte das überambitionierte Erneuerbaren-Ziel eines Grünstromanteils von nahezu 100 % aufgegeben werden. Mehrere Studien kommen zum Schluss, dass ein Erneuerbaren-Anteil von um die 50 % weit näher am Wohlfahrtsoptimum liegt. Hauptgrund: So müssten die Stromnetze weit weniger stark ausgebaut werden, als dies der Netzentwicklungsplan vorsieht. Den Stromverbrauchern würde ein dreistelliger Milliardenbetrag erspart bleiben.

Wozu 215 Gigawatt an Photovoltaik bis zum Jahr 2030?

Auf keinen Fall darf am willkürlichen Ziel von 215 Gigawatt (GW) PV-Kapazitäten für das Jahr 2030 festgehalten werden, nachdem bei aktuell 100 GW der Strombedarf an sonnigen Tagen beinahe allein durch PV gedeckt werden kann. Schließlich beträgt die maximale Nachfragelast nach dem starken Rückgang der Industrieproduktion nur noch etwa 75 GW im Winter, im Sommer liegt sie noch deutlich darunter. Die Photovoltaik massiv weiter auszubauen, um so grünen Wasserstoff zu erzeugen, ist sehr viel teuer als dessen Import.

Kernkraftwerke reaktivieren und nach 25 Jahren EEG-Förderung den Ausbau der Erneuerbaren dem Markt überlassen

Nach einem Vierteljahrhundert der Subventionierung der Erneuerbaren durch das im Jahr 2000 eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollte die EEG-Förderung schnellstmöglich abgeschafft werden. Dadurch würden auch die Förderexzesse bei der Photovoltaik eingedämmt. Diese Exzesse haben wenig beachtete soziale Ungerechtigkeiten zur Folge, denn davon profitieren mehrheitlich wohlhabende Haushalte, während die deshalb höheren Netzentgelte auch von Einkommensschwachen zu bezahlen sind. Und nicht zuletzt: Um die Klimaziele kostengünstig zu erreichen und die Versorgungssicherheit mit Strom wieder zu verbessern, sollten möglichst viele der abgeschalteten Kernkraftwerke wieder reaktiviert werden. Entgegen der Aussagen von ehemaligen Betreibern ist dies technisch möglich und ökonomisch sinnvoll.  

Serie „Wirtschaftspolitik neu ausrichten“

Bernd Raffelhüschen (ALU): Rentenversicherung generationengerecht reformieren

Astrid Rosenschon (IfW): Subventionen radikal kürzen

Michael Heise (HQ Trust): Wachstumskräfte und Arbeitsvolumen steigern

Norbert Berthold (JMU) und Jörn Quitzau (Bergos): Wirtschaftspolitik neu ausrichten

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