Von einer Entspannung der Lage im deutschen Maschinenbau kann noch nicht gesprochen werden. Es ist nur nicht noch schlimmer gekommen. Der Rückgang der Auftragseingänge im Vorjahresvergleich ist mit 28 % im Mai zwar geringer ausgefallen als im April mit 31 %. Über die drei vom Shutdown besonders stark betroffenen Monate März bis Mai 2020 musste die Branche im Vorjahresvergleich einen Rückgang bei den Auftragseingängen von 22 % hinnehmen. In den ersten fünf Monaten insgesamt beträgt das Minus 14 %.
Aber selbst wenn die Aufträge jetzt wieder zunehmen, bedeutet das nicht gleich wieder mehr Produktion und Beschäftigung. Denn weiterhin bestehende Reisebeschränkungen, Probleme in der Logistik, Störungen in den Wertschöpfungsketten und Hygienevorschriften für die Betriebe behindern das Geschäft. Bestellte Maschinen können vom Kunden nicht abgenommen oder von Servicetechnikern nicht montiert werden. Der tiefe Einbruch der Weltwirtschaft trübt nachhaltig die Hoffnungen auf eine baldige Wiederbelebung der Nachfrage ein.
Vorkrisenniveau soll erst 2022 wieder erreicht werden
Der VDMA will angesichts der enormen Unsicherheiten für 2020 keine Umsatz-und Produktionsprognose mehr abgeben. Man muss aber mit einem bis zu zweistelligen Umsatzminus rechnen. Nach einer Blitzumfrage des VDMA von Anfang Juli 2020 rechnen zwar 60 % der Mitgliedsfirmen damit, 2021 wieder nominale Umsatzsteigerungen erzielen zu können. Der Weg wird aber lange und steinig sein. 80 % der Unternehmen rechnen erst für 2022 damit, das Umsatzniveau von 2019 wieder zu erreichen.
Der Maschinenbau mit einem Umsatz von 228 Milliarden € (2019) in seinen 35 Teilbranchen von Antriebstechnik, Armaturen, Baumaschinen, über Fluid- und Fördertechnik, Holzbearbeitungs-, Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, Robotik und Automation bis hin zu Werkzeugmaschinen ist von den Krisen unterschiedlich betroffen. Es gibt eine starke Spreizung zwischen den einzelnen Fachbereichen. Sie reicht beim Auftragseingang in bisherigen Jahresverlauf von + 28 % bei Turbinen bis – 37 % bei Bergbaumaschinen und – 33 % bei spanenden Werkzeugmaschinen.
Dabei spielt eine Rolle, inwieweit die Maschinenbausparten neben Brexit, weltweiten Handelskonflikten, Konjunktureinbruch und Corona-Pandemie auch von der Krise/Transformation in der Automobilindustrie betroffen sind. Das gilt insbesondere für die Werkzeugmaschinen, der mit einer Produktion von bisher 17 Milliarden Euro drittgrößten Sparte des Maschinenbaus. Werkzeugmaschinen werden auch „Königin der Maschinen“ bezeichnet, da sie die Basis für die Produktion anderer Maschinen sind und deren technologischen Fortschritt mit bestimmen. Die deutschen Werkzeugmaschinenhersteller sind Exportweltmeister, mit einem Anteil an den weltweiten Exporten von 21 %.
Automobilabhängigkeit trifft Werkzeugmaschinen besonders
Die Werkzeugmaschinenhersteller mussten bereits 2019 einen Rückgang bei den Auftragseingängen von 22 % verbuchen und in der Folge in den ersten Monaten 2020 einen Umsatzrückgang von 30 % hinnehmen. Bei den spanenden Werkzeugmaschinen, bei denen Motoren – und Teilefertigung in der Automobilindustrie ein wichtiges Einsatzgebiet sind, waren es sogar 34 %. Die Kapazitätsauslastung ging 2020 von 80 % zu Beginn des Jahres auf 64 % im April zurück.
Insgesamt müssen wir in der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie 2020 mit einem Produktions- und in den Umsatzrückgang in der Größenordnung von 30 % rechnen, allerdings ausgehend von einem sehr hohen Niveau noch in den Jahren 2018 und 2019. Oxford Economics prognostiziert für 2020 einen Rückgang des Welt-Werkzeugmaschinenmarktes um 28 %. Damit würde der weltweite Absatz 2020 nur noch knapp über dem Niveau von 2009 liegen. Für 2021 wird zwar – angeführt vom chinesischen Markt – mit einer spürbaren Erholung gerechnet, das Niveau vor der Coronakrise soll aber erstmals 2023 überschritten werden. Ob Deutschland bis dahin wieder das Produktionsniveau von 17 Mrd. € in 2018/19 erreicht, muss bezweifelt werden.
Vor allem die Absatzsituation und der Transformationsprozess in der Automobilindustrie bereiten der deutschen Werkzeugmaschinen-Industrie Sorge. Die weltweite Produktion von PKW und leichten Nutzfahrzeugen dürfte 2020 um fast 30 Prozent unter dem Niveau von 2018 liegen und dürfte auch in den nächsten Jahren das Vorkrisenniveau nicht wieder erreichen. Ferner brechen für die Werkzeugmaschinen-Industrie mit dem Vordringen von Elektroantrieben massiv Absatzpotenziale weg. Bei einem Elektroantrieb beträgt das Wertschöpfungspotenzial für spanende Werkzeugmaschinen nur noch 10 – 20 % des Niveaus bei einem Verbrenner. Viele Hersteller suchen deshalb nach neuen Absatzmärkten in der Medizintechnik, bei erneuerbaren Energien, in der Batteriefertigung, beim Klimaschutz und in neuen Geschäftsmodellen für die digitalisierte Produktion. Besonders hart getroffen wurden auch Hersteller mit einem starken Geschäft in der Flugzeugindustrie. Rückschläge gab es auch bei Zulieferern für Windkraftanlagen.
Ähnliches gilt für die Hersteller von Präzisionswerkzeugen, die im bisherigen Jahresverlauf einen Auftrags- und Umsatzrückgang von 24 % hinnehmen mussten, der mit wiederanspringender Konjunktur nicht so schnell wieder zurückkommt. Das gilt insbesondere für die Hersteller mit einer starken Abhängigkeit von der Automobilindustrie.
Unterschiedliche Entwicklung in einzelnen Sparten
Überdurchschnittliche Einbußen mussten im bisherigen Jahresverlauf auch die Kunststoff- und Gummimaschinen, Druck-und Papiertechnik, Holzbearbeitungsmaschinen, Robotik und Automation, Antriebstechnik und – auf sehr hohem Niveau – Baumaschinen hinnehmen.
Die deutschen Druckmaschinenhersteller sind seit vielen Jahren in einer Strukturkrise. Gleichwohl ist die Branche Weltmarktführer bei den Exporten. Die aktuellen Rückgänge von 24 % beim Auftragseingang und 26 % beim Umsatz und der anhaltende Strukturwandel lassen trotz Digitalisierungsanstrengungen keine großen Wachstumsphantasien aufkommen.
Bei Holzbearbeitungsmaschinen leidet aktuell das Geschäft unter schwacher Nachfrage und ausgefallenen Messen. Auftragseingang und Umsatz lagen zuletzt mit 28 % im Minus, über die ersten fünf Monate hinweg bei 15 %. Mit einem Anteil an den weltweiten Exporten von 26,8, % sind die deutschen Holzmaschinenbauer weiterhin die Nr. 1. Der chinesische Wettbewerber holt aber enorm auf. Der Wettbewerb ist heftig
Das Minus bei Auftragseingang und Umsatz bei Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen in den ersten Monaten 2020 von 13 bzw. 14 % dürften mit Anziehen der Konjunktur wieder bald ausgeglichen werden. Gegessen und getrunken wird immer. Und die Branche ist weltweit die Nr. 2.
Recht gut durch die Krise sind bisher Kunststoff-und Gummimaschinen, Landtechnik, Armaturen, Allgemeine Lufttechnik, Kompressoren, Druckluft- und Vakuumtechnik und Elektrische Automation gekommen.
Wachstumsmotor Künstliche Intelligenz
Mittelfristig sind die Perspektiven für den deutschen Maschinenbau positiv zu beurteilen. Auch wenn die jetzige Krise nicht mit früheren Krisen verglichen werden kann, darf darauf hingewiesen werden, dass auf die Einbrüche zu Beginn der 90er Jahre oder 2008/09 , eine rasante Aufwärtsentwicklung folgte.
In 14 von 31 international vergleichbaren Maschinenbaubranchen ist Deutschland weiterhin „Exportweltmeister“. Die Maschinenbauer setzen weiter auf Innovation und Internationalität. Wir können mit berechtigtem Optimismus annehmen, dass die deutschen Maschinenbauer als weltweit führende Hersteller von Produktionseinrichtungen neue Absatzpotenziale erschließen. Auch in der digitalisierten Welt müssen Dinge produziert werden. Die Unternehmen sind aufgefordert, neue Technologien für die industrielle Produktion zu entwickeln und zu nutzen. Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning bieten für den Maschinenbau enorme Absatzpotenziale. KI nimmt – so VDMA-Präsident Carl Martin Welcker – eine Schlüsselrolle ein, um die weltweite Produktführerschaft des deutschen Maschinenbaus weiter zu behaupten. Rohstoffe, Material und Energie könne mit KI effizienter genutzt werden, ein für die nachhaltige Ressourcenschonung und Klimaschutz ganz wesentlicher Faktor.. Das Institut für Innovation und Technik rechnet durch den Einsatz von KI mit einer Zunahme der Bruttowertschöpfung im produzierenden Gewerbe um 31,8 Milliarden € bis 2023.
Den Strukturwandel und die Ausrichtung auf neue Geschäftsfelder werden nicht alle deutschen Maschinenhersteller erfolgreich bewältigen. Dennoch ruft die weiterhin stark mittelständisch strukturierte Branche nicht nach staatlichen Subventionen oder Abwrackprämien. Viel wichtiger ist, dass die Bundesregierung Forschung und Entwicklung steuerlich stärker fördert und somit dem Maschinenbau Chancen eröffnet, die eigene Zukunft zu gestalten.
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