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Für den deutschen Maschinenbau kommt es derzeit knüppeldick: weltweiter Konjunktureinbruch (schon vor der Corona-Pandemie), Handelskonflikte, Brexit, Strukturprobleme in der Automobilindustrie, Digitalisierung und jetzt auch noch der Lockdown durch die Pandemie. In einer Umfrage des VDMA von Mitte April 2020 berichten 32 Prozent der befragten Unternehmen von gravierenden und 45 Prozent der Unternehmen von merklichen Auftragseinbußen oder Stornierungen aufgrund der Corona-Pandemie. Die Lieferketten stehen erheblich unter Druck. 60 Prozent der Unternehmen gehen von Umsatzrückgängen zwischen 10 und 30 Prozent in 2020 aus [www.vdma.org.443/). Der mit 1,3 Millionen Mitarbeitern beschäftigungsstärksten Industriebranche steht nach dem leichten Rückgang um 1,7 Prozent im Vorjahr 2020 ein kräftiger Einbruch von Produktion und Umsatz bevor. Auch die Beschäftigtenzahl wird sinken. Das „Beschäftigungswunder“ aus der Krise 2008/09 dürfte sich nicht wiederholen, als bei einem Produktionsrückgang von 24,7 Prozent in 2009 die Zahl der festangestellten Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt 2009 nur um 0,6 Prozent und 2010 um 3,3 Prozent reduziert wurde. Der Staat sollte die Wiederbelebung mit einer Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen anstatt mit Subventionen für einzelne Branchen fördern.
Erfolgreiche Bewältigung der Krise 2008/09
Erschwerend für die Corona-Krise kommt hinzu, dass große Unsicherheiten bezüglich der Dauer und veränderten Perspektiven nach der Krise herrschen. Die Unternehmen des Maschinenbaus sind zwar zyklische Ausschläge bei den Auftragseingängen gewohnt. Auch sind die Erfahrungen aus der erfolgreichen Bewältigung der Krise 2008/09 noch im Instrumentenkasten präsent. 2008 wurden schnell Einstellungsstopps verfügt, Zeitkonten, Resturlaube, befristete Arbeitsverhältnisse und Leasingkräfte abgebaut und schließlich auch Kurzarbeit eingeführt. Vielfältige Maßnahmen zur Kostenreduzierung, zum Working Capital Management und zur Liquiditätssicherung wurden ergriffen. Die Kurzarbeit wurde zur Weiterqualifizierung der Mitarbeiter genutzt und die Entwicklung neuer Produkte vorangetrieben. All das führte dazu, dass nach Krisenende im ersten Quartal 2010 die Auftragseingänge und im zweiten Quartal die Produktion wieder stark angesprungen sind (V-förmiger Verlauf) und im Gesamtjahr 2010 wieder ein Produktionswachstum von 8 Prozent erzielt wurde [vgl. Hermani (2018), S.105]. Die Mitarbeiter waren nach Krisenende fit für den Wiederanstieg und die deutschen Maschinenbauer hatten die Produkte, die weltweit benötigt wurden. Viele Projekte waren auch nur ausgeschoben und konnten nach der Krise wieder schnell in Angriff genommen werden.
Entwicklung neuer Produkte, Konzentration auf ertragsstarke Produkte, Prozessverbesserungen und Aufbau finanzieller Reserven – das waren die wichtigsten Lehren, die die Maschinenbauer aus der Krise gezogen hatten [vgl. Lichtblau u.a. (2010), S.54]. Sie hatten damit nachhaltigen Erfolg. Es folgten neun Wachstumsjahre mit Beschäftigungsaufbau, Weltmarktführung in vielen Teilsparten, Die Eigenkapitalquote stieg wieder von 36 Prozent in 2010 auf 41 Prozent in 2017 [VDMA (2019)] bei einer durchschnittlichen Profitabilität von über 6 Prozent [McKinsey (2014)].
Neue Herausforderungen durch die Corona-Pandemie
Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise hat ganz andere Auswirkungen auf die Betriebe als die von den Finanzmärkten ausgelöste Konjunkturkrise 2008/09. Insofern sind andere Strategien und Maßnahmen zur Krisenbewältigung erforderlich.
Die Schließung von Fabriken schon zu Anfang des Jahres in China, Grenzschließungen, vielfacher Zusammenbruch der Logistik und die Einschränkung der Reisemöglichkeiten führten bald zu einer Unterbrechung der Lieferketten. Da oft keine alternativen Bezugsquellen zur Verfügung standen, trat zur Nachfragekrise eine Angebotskrise hinzu. Die Angebotskrise wurde noch durch gesundheitspolitische Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten, den Ausfall von wichtigen Leistungsträgern durch Quarantänemaßnahmen und Kinderbetreuung und dadurch bedingte Produktions- und Leistungsausfälle verschärft. Die Grenzschließungen führten dazu, dass Maschinen und Anlagen von den ausländischen Kunden nicht mehr abgenommen werden und deutsche Techniker keine Anlagen im Ausland in Betrieb nehmen konnten.
Die Sicherung des operativen Ablaufs und der Lieferfähigkeit der Betriebe ist zu einer bisher nicht gekannten Herausforderung geworden. Remote Work, Home Office, Arbeiten in virtuellen Teams, digitales Shopfloor Management in Echtzeit, Online-Collaboration, Führen auf Distanz erfordern ein neues Operations Management. Bei anhaltender Unsicherheit müssen sich die Unternehmen ständig an die „neue Normalität“ für die nächsten Wochen oder Monate anpassen, Szenarien für die Marktentwicklung und die Auswirkungen auf Standorte, Produktionspläne, Ressourcen, Liefer- und Absatznetzwerke entwickeln und umsetzen. Es muss im wahrsten Sinne des Wortes auf Sicht gefahren werden, wenn nicht bekannt ist, wann staatliche Entscheidungsträger welche Lockerungen vornehmen oder wieder zurücknehmen müssen. Arbeitszeiten und Kapazitäten müssen ständig angepasst werden.
Förderung der Kurzarbeit als bewährtes Instrument
Mit der Erleichterung der Einführung von Kurzarbeit und der Entlastung der Unternehmen bei den Remanenzkosten hat die Bundesregierung schnell gehandelt. Da es aber bereits erkennbar ist, dass die Krise länger anhalten wird und der Neustart zäh verlaufen wird, sollte jedoch wie in der Krise 2008/09 die Bezugsdauer wieder auf 24 Monate verlängert und die Phasen der Kurzarbeit für die Qualifizierung der Mitarbeiter für das veränderte (digitale) Arbeiten nach der Krise genutzt werden. Ein Exodus von qualifizierten Mitarbeitern in die Arbeitslosigkeit sollte im Interesse aller Beteiligten verhindert werden. In einer VDMA-Umfrage vom April 2020 geben aber schon 14 Prozent der Unternehmen an, Stammpersonal abbauen zu müssen. Weniger zielführend war die staatliche Aufstockung des Kurzarbeitergelds bis auf 70/77 bzw. 80/87 Prozent des Nettoentgelts ab dem 4. bzw. 7. Monat der Bezugsdauer
Die Sicherung der Liquidität ist derzeit im Maschinenbau noch nicht das große Problem. Nur 5 Prozent der Maschinenbauer geben im März 2020 in einer VDMA-Umfrage an, dass sie Liquiditätsprobleme haben oder erwarten. Problematischer dürfte die Phase des Wiederhochfahrens der Produktion werden. Im Gegensatz zu anderen Branchen rufen die Maschinenbauer in einer Phase des Niedergangs auch nicht gleich nach Staatshilfen. Die Eigenverantwortung der Unternehmer gebietet es, dass Geschäftsmodell und Finanzierung des Unternehmens in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, so VDMA-Präsident Carl Martin Welcker in der FAZ vom 5. Mai 2020.
Maschinenbauer bereiten sich auf den Exit vor
Wenn auch das Ende der durch die Corona-Pandemie bedingten massiven Einschränkungen des Wirtschaftslebens noch nicht absehbar ist, bereiten sich die Maschinenbauer intensiv auf den Exit vor. Es bestehen aber große Zweifel, ob die Entwicklung wie 2008/209 wieder einen V-förmigen Verlauf nimmt. Je ein Drittel der Unternehmen erwarten, dass sie 1 bis 3 Monate beziehungsweise 3 bis 6 Monate für eine Rückkehr zur Normalauslastung nach einer Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie benötigen. Mehr als 20 Prozent der vom VDMA befragten Maschinenbauer rechnen sogar mit einem Zeitbedarf von 6 bis 12 Monaten [www.vdma.org:443/]. Der Wiederanstieg dürfte holprig verlaufen, da Lieferketten unterbrochen wurden, Vorkehrungen für den Gesundheitsschutz den Produktionsanlauf erschweren, die weltwirtschaftliche Entwicklung schwach bleibt und viele Kunden sich neu ausrichten müssen. Das bedeutet erneute Herausforderungen für die Maschinenbauer:
- Hochfahren der Produktion bei unsicherer Nachfrage und unklarem Produktmix
- Stabilisierung kritischer Lieferanten, Reaktivierung der Lieferketten
- Vorkehrungen für den Gesundheitsschutz, Qualitätssicherung bei aus Gesundheitsgründen geänderten Arbeitsplänen/Schichtmodellen
- Geringere Präsenz in den Betrieben und Reisetätigkeiten
- Sicherung der Effizienz bei 70-80 Prozent Kapazitätsauslastung
Förderung des Wiederanstiegs: bessere Rahmenbedingungen statt Einzelsubventionen
Bundes- und Landesregierungen sowie EU- Kommission haben schnell umfassende Maßnahmen beschlossen, um die Liquidität der Unternehmen zu sichern, diese teilweise direkt zu fördern bzw. steuerlich zu entlasten sowie Kurzarbeit zu erleichtern. Ferner haben Bund und EU umfassende Konjunkturprogramme (Bazooka) angekündigt, um die Wiederbelebung nach der Krise zu beschleunigen. Zunächst muss aber den Unternehmen die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeiten mit der Öffnung von Grenzen und der Mobilität für die Mitarbeiter ermöglicht werden.
Schon bevor die Grundzüge erkennbar sind, wird heftig über zu begünstigende Branchen, ökologische Aspekte und die Finanzierung der Programme gestritten. Der VDMA lehnt – vor allem aus ordnungspolitischen Gründen – Einzelsubventionen für einzelne Branchen ab. Es ist ordnungspolitisch nicht vertretbar, bei jeder Gelegenheit nach dem Staat zu rufen, insbesondere dann nicht, wenn man in guten Zeiten für wenig Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen eintritt. „ Unternehmen und Verbände haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Was wir vertreten, muss regelkonform sein und dem Wohle aller dienen“ [Welcker].
Ferner sollten Strohfeuereffekte mit einem anschließenden Nachfrageloch vermieden werden. Viel zielführender und langfristig wirkungsvoller sind aus Sicht der mittelständischen Maschinenbauer steuerliche Erleichterungen und staatliche Investitionen zur Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Kurzfristig muss zur Liquiditätssicherung der steuerliche Verlustrücktrag deutlich ausgeweitet werden. Ferner sollte mit einem nachhaltigen Bürokratieabbau und der Deregulierung endlich Ernst gemacht werden und nicht schon wieder über neue Regulierungen – Beispiel Homeoffice-Gesetz – nachgedacht werden.
Deutschlands Position im internationalen Steuerwettbewerb ist dringend verbesserungsbedürftig. Eine Unternehmenssteuerreform ist überfällig. Eine Ertragssteuerbelastung von höchstens 25 Prozent, die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages, eine unbefristete 25-prozentige degressive AfA und ein Ausbau der steuerlichen F&E-Förderung müssen umgesetzt werden, damit die Unternehmen sich in einem verschärften internationalen Innovationswettbewerb um die Märkte der Zukunft behaupten können. Förderung von Digitalisierung, Bildung und Klimaschutz erfordern eine Neuausrichtung der staatlichen Ausgabenpolitik.
Staatsanteil und Staatsverschuldung wieder zurückführen
Noch ist der Anstieg der öffentlichen Neuverschuldung im Zuge der Corona-Pandemie nicht zu beziffern. Die Bundesregierung verweist darauf, dass man vor dem Hintergrund der sparsamen Haushaltspolitik der letzten Jahre und des Rückgangs der öffentlichen Verschuldung auf wieder 60 Prozent des BIP nunmehr klotzen könne. Nach Lars Feld wird Deutschland Ende 2021 mit rund 80 Prozent des BIP wieder auf dem Niveau am Ende der Finanzkrise 2009 liegen. Zurückgeführt werden muss in den nächsten Jahren aber nicht nur das Niveau der öffentlichen Verschuldung, sondern auch der Umfang der staatlichen Interventionen in das Wirtschaftsleben. Staatliche Unternehmensbeteiligungen, politische Bevormundungen und Markteingriffe schränken die Entfaltungsmöglichkeiten gerade der mittelständischen Unternehmen ein.
Die Maschinenbauer setzen auf wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen, damit sie sich eigenverantwortlich im Wettbewerb um die besten Lösungen bewähren können. Die Staatsquote am BIP sollte langfristig wieder auf 40 Prozent reduziert, die Staatsausgaben zukunftsorientiert umgeschichtet werden. Mit einem ordnungspolitischen Kompass sollten wir nach der Krise wieder auf den Boden der sozialen Marktwirtschaft zurückfinden.
Literatur
Hermani, U.P. (2018), Förderung von Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung im deutschen Maschinenbau, Hamburg
Lichtblau,K., Demary,M. und E. Schmitz (2010), Lehren einer Krise – Die Sicht des Maschinenbaus, Frankfurt
McKinsey & Company und VDMA (2014), Zukunftsperspektive deutscher Maschinenbau – Erfolgreich in einem dynamischen Umfeld agieren, Berlin/Frankfurt
VDMA (2019), Kennzahlenkompass, Frankfurt
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