Warm ist nicht gleich arm – zumindest auf regionaler Ebene

Der Klimawandel könnte in Zukunft zahlreiche Aspekte des menschlichen Lebens beeinflussen. Einige Vorhersagen für die kommenden Jahrzehnte sind tendenziell düster. Neue empirische Untersuchungen mit Daten auf subnationaler Ebene könnten die Zukunftsaussichten etwas weniger trüben, zumindest in Bezug auf den materiellen Wohlstand der Bürger.

Unser Artikel „The Link between Regional Temperature and Regional Incomes: Econometric Evidence with Sub-National Data“ (im Erscheinen in „Economic Policy“, https://doi.org/10.1093/epolic/eiab007) untersucht die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Durchschnittstemperaturen mithilfe von regionalen Daten, also Daten für subnationale Verwaltungseinheiten wie Gliedstaaten und Provinzen. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass Regionen innerhalb von Ländern nicht per se reicher oder ärmer sind, nur weil sie wärmere oder kältere Temperaturen aufweisen. Temperatur scheint keinen statistisch relevanten und robusten Einfluss auf den materiellen Wohlstand zu haben. Dies ist konsistent mit der Sicht, dass sich der Mensch in der Vergangenheit erfolgreich an unterschiedliche klimatische Bedingungen anpassen konnte. Im Hinblick auf den modernen Klimawandel stimmt dieses Ergebnis tendenziell hoffnungsvoller.

Temperatur und Einkommen in der ökonomischen FachLiteratur

Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung hat in den letzten Jahrzehnten viel Aufmerksamkeit darauf verwendet, Einkommensunterschiede zwischen Ländern zu erklären. Hierbei legen viele empirische Studien den Schluss nahe, dass Einkommensunterschiede zwischen Ländern insbesondere durch Unterschiede in den Bereichen wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen (Institutionen), Handel, Bildung, Gesundheit oder makroökonomischer Politik getrieben sind. Ein unabhängiger, relevanter und robuster Einfluss von klimatischen Bedingungen auf Einkommen – bei gleichzeitiger Berücksichtigung anderer Treiber von Einkommensunterschieden – konnte eher selten festgestellt werden. In jüngerer Zeit hat sich das Forschungsinteresse aufgrund des steigenden medialen und politischen Interesses an den Auswirkungen des Klimawandels erneut dem Einfluss klimatischer Bedingungen und Veränderungen – insbesondere steigender Temperaturen – auf die wirtschaftliche Entwicklung gewidmet. Empirische Vergleiche auf Länderebene zeigen hierbei teilweise größere negative Auswirkungen steigender Temperaturen auf das Einkommensniveau von Ländern, sofern längere Zeiträume betrachtet werden. Hochrechnung und Extrapolation dieser Ergebnisse bis 2100 deutet auf eine relevante Verringerung des materiellen Wohlstands hin, wenngleich die zukünftigen Weltbürger in nahezu allen Voraussagen mit einem absolut höheren Wohlstandsniveau rechnen dürfen.

Simplizistisches Bild: Wärmer/Kälter und Ärmer/Reicher?

Im Gegensatz zu den bestehenden Ländervergleichen, haben wir den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Durchschnittstemperaturen anhand regionaler Daten untersucht. In Regelfall handelt es sich dabei um subnationale Verwaltungseinheiten wie Bundesstaaten und Provinzen. Innerhalb vieler Länder gibt es massive Temperatur- und Einkommensunterschiede. Die Temperaturen zwischen einzelnen Regionen in Ländern wie Russland oder den Vereinigten Staaten können um mehrere Grad Celsius variieren. Zudem weist anekdotische Evidenz darauf, dass einige der reichsten Regionen der Welt zu den heißesten und kältesten der Welt gehören (z. B. Regionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Kanada). Ein Kernstück der empirischen Arbeit ist die systematische Berücksichtigung zeitinvarianter nationaler Faktoren, zu denen z.B. geografische Charakteristika gehören. Diese Faktoren wurden in der neueren Forschung, die sich auf die negativen Auswirkungen höherer Temperaturen konzentriert, tendenziell übersehen.

Insgesamt zeigen unsere empirischen Untersuchungen eine negative Korrelation zwischen Temperatur und dem Einkommensniveau auf regionaler Ebene. Doch ist diese Korrelation statistisch eher unbedeutend, insbesondere sobald für zeitinvariante nationale Faktoren mitkontrolliert wird. Im Klartext: Regionen innerhalb von Ländern sind nicht per se reicher oder ärmer, nur weil sie kälter oder wärmer sind. Da es in einem Land oft mehrere Regionen mit ähnlichen Einkommen, aber unterschiedlichen Temperaturen geben kann, scheint eine Anpassung an unterschiedliche Temperaturen in der Vergangenheit nicht nur möglich, sondern oft erfolgreich gewesen zu sein. Wahrscheinlich wurden inländische wirtschaftliche Unterschiede zwischen Regionen, die sich durch unterschiedliche Klimabedingungen möglicherweise hätten entwickeln können, durch Innovationen, Spezialisierung, intranationale Migration, intranationalen Handel oder politische Interventionen (z.B. Infrastrukturinvestitionen, Dezentralisierung) ausgeglichen.

Ein unwirtlicheres wärmeres (oder kälteres) Klima muss nicht per se zu niedrigeren Einkommen führen. Der Mensch scheint anpassungsfähig – auch an unterschiedliche klimatische Bedingungen – und er hat diese Fähigkeit in der Vergangenheit erfolgreich unter Beweis gestellt. Sofern sich in Zukunft große, neue Herausforderungen stellen, könnten verbesserte wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und die Anwendung des Prinzips der Kostenwahrheit die dann noch notwendigen Anpassungen erleichtern.

Christina Greßer, Daniel Meierrieks und David Stadelmann
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