Gastbeitrag
Corona-Daten: Eine Interpretationshilfe

Gemeldete Neuinfektionen, Neuinfektionen nach Datum der Erkrankung, 7-Tage-Inzidenz, Zahl der Corona-Intensivpatienten. Wir zeigen, was bei der Interpretation dieser Größen beachtet werden sollte.

Gemeldete Neuinfektionen

Jeden morgen veröffentlicht das Robert-Koch-Institut die am Vortag von den Gesundheitsämtern übermittelten Neuinfektionen. Das Kriterium für eine Corona-Neuinfektion ist ein positiver PCR-Test. Positive Schnell-, Selbst- oder Antikörpertests werden nicht berücksichtigt.

Die Höhe der gemeldeten Neuinfektionen – nicht zu verwechseln mit den tatsächlichen Neuinfektionen, die schätzungsweise 4 bis 6 mal höher sind – wird durch drei Parameter bestimmt:

1. Testumfang

Der wichtigste Bestimmungsfaktor für die Höhe der gemeldeten Neuinfektionen ist der Umfang der Tests. Je mehr getestet wird, desto höher ist für sich genommen die Zahl der positiven Testergebnisse. Das Problem besteht nun darin, dass der Testumfang von Tag zu Tag schwankt und damit auch die gemeldeten Neuinfektionen (Grafik 1). Besonders an Wochenenden und Feiertagen wird deutlich weniger getestet als unter der Woche. Die Veränderung der gemeldeten Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag hat damit keine Aussagekraft. Sinnvoll ist allein der Vergleich mit dem Wert in der Vorwoche. Für Werktage gilt dies aber nur, wenn nicht einer der beiden Tage ein Feiertag ist.

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Zudem darf der Testumfang nicht zu stark von dem der Vorwoche abweichen. Andernfalls ist auch der Vorwochenvergleich wie etwa um Weihnachten und Neujahr oder um Ostern kaum aussagefähig (Grafik 2).

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2. Positivrate

Rechnerisch ist die Zahl der Neuinfektionen gleich dem Testumfang multipliziert mit dem Anteil der positiven Tests. Diese sogenannte Positivrate wird maßgeblich durch die Teststrategie beeinflusst. Durch eine Vorselektion der für einen Test infrage kommenden Personen lässt sich der Anteil der falsch negativen PCR-Test nämlich stark verringern. Werden nur Personen getestet, die die typischen Corona-Symptome aufweisen oder gar einen positiven Schnelltest hatten, dann ist die sogenannte Positivrate deutlich höher als wenn die Testpersonen rein zufällig ausgewählt wurden. Ein Beispiel dafür ist der markante Anstieg der Positivrate in der Weihnachtswoche, als überwiegend nur Menschen mit Symptomen getestet wurden (Grafik 3). Die vermehrten Selbsttests lassen also für sich genommen die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen in der Tendenz steigen.

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3. Nachmeldungen

Häufig kommt es vor, dass die Gesundheitsämter dem RKI erst mit zeitlicher Verzögerung die Neuinfektionen melden. Diese Nachmeldungen erhöhen am Tag der Übermittlung die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen. Vor allem sonntags übermitteln einige Gesundheitsämter keine Daten. Diese werden dann im Verlauf der Woche nachgemeldet.

Diese Faktoren führen dazu, dass die Höhe der gemeldeten Neuinfektionen allein wenig aussagt. Am aussagekräftigsten ist die Veränderung der gemeldeten Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen – in diesem Fall spielt das Wochenmuster keine Rolle – im Vergleich zu den sieben Tagen zuvor, sofern sich der Testumfang zur Vorwoche nicht nennenswert verändert hat. Beim längerfristigen Vergleich ist auch auf eine mögliche Änderung der Teststrategie zu achten.

In der Statistik werden in einem solchen Fall die Zahlen gewöhnlich als Durchschnitte ausgewiesen. Deshalb zeigen wir in unseren Grafiken in der Regel den 7-Tage-Durchschnitt der gemeldeten Neuinfektionen und nicht wie bei der 7-Tage-Inzidenz die Summe.

Neuinfektionen nach Datum der Erkrankung

Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen sagt nichts darüber aus, wann die Infektion erfolgte. Häufig enthält die Zahl auch Infektionen, die schon Wochen zurückliegen. Das RKI schlüsselt die Meldungen aber auch nach dem Datum der Erkrankung auf. Wo dieses nicht bekannt ist oder keine Symptome aufgetreten sind, wird ersatzweise das Meldedatum herangezogen. In diesem Fall spielt der Wochentag eine deutlich geringere Rolle. Diese Zahlen haben jedoch den Nachteil, dass insbesondere für die letzten drei Tage noch viele Nachmeldungen zu erwarten sind (Grafik 4). Zwar kann man mit statistischen Verfahren, die zu erwartenden Nachmeldungen schätzen. Gerade aber für Samstag und Sonntag ist die Schätzungenauigkeit hoch. Anhand dieser Daten schätzt das RKI auch den berühmt-berüchtigten R-Wert, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt.

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7-Tage-Inzidenz

Auf Basis der neu an Corona erkrankten Personen in den vergangenen sieben Tagen wird auch täglich die 7-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner errechnet. Da, wie erwähnt, noch erhebliche Nachmeldungen zu erwarten sind, ist die Zahl nicht identisch mit den tatsächlichen Erkrankungen in diesem Zeitraum. Zurückliegende Inzidenzwerte werden nur auf Wochenbasis korrigiert. Der Vergleich mit dem Inzidenzwert am Vortrag kann somit irreführend sein. So kann der Inzidenzwert allein aufgrund von Nachmeldungen steigen. Das kann man sich an einem einfachen Beispiel klarmachen. Wenn jeden Tag 10 Personen je 100.000 Einwohner erkranken, dann ergibt sich eine 7-Tage-Inzidenz von 70. Wenn nun an einem Tag keine Daten übermittelt werden, fällt die 7-Tage-Inzidenz auf 60, um am nächsten Tag, wenn die Nachmeldungen erfolgen, wieder auf 70 zu steigen.

Zahl der Corona-Intensivpatienten

Eine Größe, die weder vom Testumfang noch von der Teststrategie oder dem Wochentag beeinflusst wird, ist die Zahl der Corona-Intensivpatienten in deutschen Krankenhäusern. Sie bilden damit aus unserer Sicht die Entwicklung des Infektionsgeschehens am besten ab. Aber auch diese Zahl hat ihre kleinen Schwächen. So steigt sie unterdurchschnittlich, wenn sich das Virus verstärkt unter jüngeren Menschen ausbreitet, die ein deutlich geringeres Risiko haben, schwer an Corona zu erkranken. Darüber hinaus folgt die Zahl der Corona-Intensivpatienten den registrierten Neuinfektionen mit einer Verzögerung von etwa einer Woche (Grafik 5).

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