Die Reisewelle hat in Deutschland die Zahl der Neuinfektionen wieder deutlich ansteigen lassen. Jetzt geht die Angst um, dass sich die Situation mit der Wiederaufnahme des regulären Schulbetriebs weiter verschärft. Doch ein Blick auf die Infektionszahlen der Bundesländer, wo der Schulbetrieb wieder läuft, macht Hoffnung, dass bei konsequenter Einhaltung der Corona-Maßnahmen die Infektionszahlen in den kommenden Wochen wieder sinken.
Schulöffnung hat Infektionszahlen bislang nicht steigen lassen
In Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern läuft seit mehr als zwei Wochen wieder der reguläre Schulbetrieb. Bislang hat sich dies nicht negativ auf die Infektionszahlen in diesen Bundesländern ausgewirkt. Im Gegenteil, in all diesen Ländern sind sie zuletzt gesunken (Abbildung 1). In Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bremen, wo die Schulferien noch nicht zu Ende sind, zeigt der Trend bei den gemeldeten Neuinfektionen dagegen weiter nach oben.
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Um dieses auf den ersten Blick überraschende Bild zu erklären, muss man etwas weiter in die Vergangenheit zurückgehen und analysieren, warum die Neuinfektionen seit Mitte Juli von durchschnittlich rund 350 auf über 1.300 gestiegen sind.
Höherer Testumfang bedeutet höhere Infektionszahlen
Ein gewichtiger Grund für die höheren Infektionszahlen ist die massive Ausweitung der Tests. Dies kann man sich leicht am Beispiel eines Loskäufers verdeutlichen. Wenn er aus einem Eimer mit 10 Gewinnlosen und 90 Nieten, 10 Lose ziehen, kann er mit einen Treffer rechnen. Kauft er doppelt so viele Lose, verdoppeln sich seine erwarteten Gewinnlose.
Ähnliches gilt für die Corona-Tests. In der Woche vom 17. August wurden 987.000 Personen getestet, und damit doppelt so viele wie Ende Juni. Bei konstantem Testumfang und gegebener Rate der positiven Tests wäre die Zahl der positiven Tests nicht von 3.000 auf 8.655, sondern nur auf 4.489 gestiegen (Abbildung 2). Rechnerisch entfallen also rund 4/5 des Anstiegs auf die höhere Zahl an Tests, 1/5 auf die gestiegene Positivrate.
Auch Positivrate nach oben verzerrt
Doch damit nicht genug. Auch die gestiegene Positivrate überzeichnet das tatsächliche Infektionsgeschehen. Denn sie wird ebenfalls durch den höheren Testumfang beeinflusst, der vor allem auf die Ausweitung der Tests auf Reiserückkehrer aus dem Ausland zurückzuführen ist. Da die Tests dieser Gruppe laut RKI mit 1,6% eine überdurchschnittlich hohe Positivrate aufweisen, wäre die Positivrate selbst bei unverändertem Infektionsgesehen gestiegen. Um im Beispiel unseres Loskäufers zu bleiben: Wenn der Losverkäufer den ersten Loseeimer mit einem zweiten mischt, der 20 Gewinnlose und 80 Nieten enthält, kann der Loskäufer beim Kauf von 10 Losen nun 1,5 Treffer erwarten.
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Anstieg der Neuinfektion vor allem bei den unter 60-jährigen
Zugenommen hat die Zahl der Neuinfektionen vor allem in den jüngeren Altersgruppen, wo die gesundheitlichen Beschwerden in der Regel weit weniger stark sind als bei den über 60-jährigen. Offensichtlich wurden, insbesondere bei Urlaubsreisen ins Ausland, die Corona-Maßnahmen deutlich laxer gehandhabt. Nach Angaben des Robert Koch Instituts entfielen zuletzt knapp 40% der Neuinfektionen auf Rückkehrer aus dem Ausland.
Dass das Infektionsgeschehen in den Risikogruppen nicht stärker zugenommen hat, zeigt auch die Zahl der in deutschen Krankenhäusern behandelten Corona-Patienten, die trotz höherer Neuinfektionen bislang nicht gestiegen ist. Derzeit werden knapp 250 Erkrankte intensivmedizinisch behandelt (Abbildung 3). Zum Vergleich im Hochpunkt der Epidemie Mitte April waren es rund 3.000 gewesen.
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Ende der Urlaubssaison dürfte sich positiv auf Infektionszahlen auswirken
Mit dem Ende der Urlaubssaison wird auch die Zahl der Reiserückkehrer aus dem Ausland wieder deutlich sinken. Dies führt für sich genommen zu sinkenden Testumfängen und zu einer niedrigeren Positivrate. Zwei wichtige Faktoren für den jüngsten Anstieg der Neuinfektionszahlen kehren sich also um. Dies gibt Hoffnung, dass die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen in den kommenden Wochen bei konsequenter Einhaltung der Corona-Maßnahmen wieder sinkt.
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