Wer sich Gedanken über die Nachhaltigkeit der Europäischen Währungsunion (EWU) macht und gar danach fragt, ob sie scheitern könne, darf nicht darauf hoffen, in der praktischen Politik auf größeres Interesse zu stoßen. Hier wird er schnell als Bedenkenträger und grundloser Skeptiker abgetan, gilt doch der auf Dauer gesicherte Erfolg der EWU allgemein als ausgemacht. Gern wird dabei auf die Unumkehrbarkeit der Integrationsschritte verwiesen, da der Maastrichter Vertrag kein Austrittsrecht aus der EWU vorsehe. Zudem wird die im zeitlichen wie auch im Ländervergleich relativ hohe Stabilität des Euro als Beleg für den Erfolg der EWU angeführt. Gegen die nach allen Umfragen trotzdem weit verbreitete Euroskepsis („Der Euro ist ein Teuro“) können Untersuchungen u.a. des Statistischen Bundesamtes ins Feld geführt werden, die belegen, dass die subjektive „gefühlte“ Inflationsrate seit Einführung des Euro deutlich über der objektiv anhand des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessenen Preissteigerungsrate liegt. In der Tat ist es der Europäischen Zentralbank (EZB) in den nunmehr acht Jahren seit seiner Einführung gelungen, den Euro zu einer der stabilsten Währungen der Welt zu machen. Als Folge liegen die langfristigen Zinsen deutlich unter denen in den USA und verdrängte der Euro den US-Dollar als wichtigste Anlagewährung auf den internationalen Märkten für festverzinsliche Wertpapiere. Der Euro ist also stabil, aber was ist mit der EWU?
Der Euro in seiner jetzigen Form ist nur dann nachhaltig, wenn die Fundamente der EWU nicht in Frage gestellt, sondern an ihnen zumindest in der im Vertrag vorgesehenen Weise festgehalten wird und sie darüber hinaus weiter verstärkt werden. Der dauerhafte ökonomische und politische Erfolg der EWU ist mithin nicht schon durch die Einführung des Euro gesichert, sondern muss vielmehr durch gute Wirtschaftspolitik erst verdient werden.
Ist der politische Wille dafür nicht vorhanden, kann der Euro in letzter Konsequenz auch scheitern, was eine sehr viel größere Krise heraufbeschwören würde als die durch die Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden entstandene. Ein Bewusstsein für diese Gefahren fehlt in der Öffentlichkeit und praktischen Wirtschaftspolitik weitgehend. Während in Sonntagsreden die Stabilität des Euro gepriesen wird, werden in der Tagespolitik – in letzter Zeit gehäuft – Entscheidungen getroffen, die an die Fundamente der EWU gehen, so dass ihre Funktionsfähigkeit gefährdet und ihr Scheitern riskiert wird. Es ist daher an der Zeit, die Nachhaltigkeit der EWU zu thematisieren.
Ökonomische Konzeption der EWU
Mit dem Europäischen Binnenmarkt (EBM) und der EWU wurde ein neuer Rahmen für die Wirtschaftspolitik in Europa geschaffen, durch den aus ökonomischer Sicht eine bessere und schnellere Anpassung an die Notwendigkeiten und Herausforderungen der Globalisierung erreicht werden sollte. Denn offensichtlich, so wurde argumentiert, seien die Mitgliedsstaaten aus eigener Kraft nicht in der Lage, die notwendigen Strukturreformen politisch durchzusetzen. Der neue Rahmen schaffe aber die erforderlichen Zwänge, sie beschleunigt in Angriff zu nehmen, und Europa von einem Nachzügler zu einem Vorreiter bei der Bewältigung der Globalisierung zu machen. Das würde den Wohlstand sichern und weiter ausbauen. (Übrigens: all dies wird im Rahmen des Lissabon-Prozesses erneut diskutiert, ohne Bezug auf diese vorhergehende Debatte zu nehmen.)
Wie sieht nun der durch EBM und EWU gesetzte neue Rahmen für die Wirtschaftspolitik von seiner Konzeption her aus? Er umfasst die Binnenmarkt- und Geldordnung. Durch die volle Realisierung des EBM sollten alle nicht tarifären Hemmnisse beseitigt und der freie Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit in der EU garantiert werden. Die potentielle Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital wird dadurch erheblich gesteigert, was ihre Optionen für Protest und Abwanderung (voice and exit, A. Hirschman) deutlich erhöht. Das durch Entscheidungen des EuGH etablierte Ursprungslandprinzip ermöglicht es Inländern zudem – auch ohne Faktorwanderungen -, nationalen Jurisdiktionen und Regulierungen auszuweichen und sich bewusst für andere zu entscheiden. Ferner könnte mit wachsender europäischer Öffentlichkeit der Messlatten-Wettbewerb (yardstick competition) zunehmen und ein höherer Druck zur Übernahme besserer Lösungen wirtschaftspolitischer Probleme entstehen, die in anderen Mitgliedsländern gefunden wurden. Durch all dies sollte für mehr Wettbewerb auf den ökonomischen und politischen Märkten aber auch zwischen den nationalen Regulierungssystemen („Systemwettbewerb“) gesorgt werden, um so den Druck auf die Mitgliedsländer zu erhöhen, die dringend benötigten Strukturreformen schneller voran zu bringen. Ihre Durchführung würde eine höhere Lohn- und Preisflexibilität und damit eine bessere Anpassungsfähigkeit der EU- und EWU-Länder an die Entwicklungen in der Welt bewirken.
Die Einführung des Euro und die im Maastrichter Vertrag vereinbarte Ausgestaltung der EWU und damit der europäischen Geldordnung sollten diese Prozesse noch verstärken. Die wichtigsten Elemente der deutschen Geldverfassung wurden auf die europäische Ebene übertragen: Verpflichtung der EZB auf das Ziel Preisniveaustabilität, die Unabhängigkeit der EZB, das strikte Verbot der monetären Finanzierung öffentlicher Haushaltsdefizite. Hinzu kommen die no-bail-out-Klausel und die Regeln für die nationalen Finanzpolitiken im Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP). Mit der Übernahme der zuvor genannten wichtigen Elemente der deutschen Geldverfassung in die europäische Geldordnung wurde ein Teil der hohen Reputation und Glaubwürdigkeit der Deutschen Bundesbank für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik auf die EZB zu transferieren versucht. Dies könnte die bisher relativ hohe Stabilität des Euro mit erklären.
Mit der Einführung des Euro wurden das nominale Wechselkursrisiko und Kosten für den Tausch nationaler Währungen in der EWU endgültig beseitigt und andere vorher bestehende Transaktionskosten für Preisvergleiche etc. reduziert. Dies bewirkt eine weitere Erhöhung der potentiellen Mobilität des Kapitals und eine Verschärfung des Systemwettbewerbs. Nimmt man das europäische Vertragswerk zu EWU und EBM ernst – und das sollte für alle geschlossenen Verträge gelten -, impliziert dies die Schaffung von Bedingungen für einen freien Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie den freien Verkehr von Arbeit und Kapital, die weit über das hinausgehen, was irgendwo in der Welt gilt. Man kann die Liberalisierungen durch EBM und EWU und die dadurch mögliche Integration von Märkten daher auch als „Superglobalisierung“ in Europa bezeichnen.
Seit dem Start der EWU können die Geldpolitik und die Wechselkurspolitik zudem nicht mehr als nationale Anpassungsinstrumente benutzt werden. Denn die EZB muss ihre Politik auf alle jetzt 13 Mitgliedsländer der EWU ausrichten und ist zudem prioritär auf die Verfolgung des Ziels Preisniveaustabilität verpflichtet. Der nominale Wechselkurs der im Euro aufgegangenen Währungen ist für immer fixiert, allerdings kann sich der reale Wechselkurs durch unterschiedliche Inflationsraten verändern. Die Finanzpolitik bleibt zwar ein nationales Instrument. Ihr Einsatz ist aber durch Defizit- und Schuldenstandskriterium (3% bzw. 60% des BIP) begrenzt, so dass sie weniger als Instrument der Globalsteuerung und eher als Mittel der Allokationspolitik eingesetzt werden kann. Die Bekämpfung der in vielen EWU-Mitgliedsländern hohen Arbeitslosigkeit muss daher durch Arbeitsmarktreformen und die Lohnpolitik geleistet werden, was Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden eine deutlich größere Verantwortung für das Ziel hoher Beschäftigungsstand zuweist und den Druck auf die nationalen Regierungen zur Durchführung dringend notwendiger Strukturreformen erhöht. Dies ist kein keynesianisches sondern vielmehr ein institutionenökonomisch fundiertes Policy Assignment.
Der durch EBM und EWU geschaffene neue wirtschaftspolitische Rahmen sieht also vor, dass die Bedeutung der makroökonomischen Prozesspolitik zugunsten der Ordnungspolitik zurückgedrängt wird. Die früher in der Globalsteuerung vorgesehene stabilisierungspolitische Aufgabe von Geld-, Fiskal- und Wechselkurspolitik sollte jetzt überwiegend durch Anpassungsprozesse auf Märkten erfüllt werden. Ihre dafür notwendige verbesserte Funktionsfähigkeit soll durch ordnungspolitische Reformen erreicht werden, die einen stärkeren Wettbewerb und flexiblere Preise und Löhne bewirken. Die Durchsetzung der ordnungspolitischen Strukturreformen wiederum soll der verstärkte Systemwettbewerb beschleunigen.
Die Nachhaltigkeit der EWU wird gefährdet, wenn nicht an dieser Konzeption festgehalten und stattdessen die beschlossenen ordnungspolitischen Regeln offen gebrochen oder in Frage gestellt werden. Leider gibt es eine wachsende Zahl von Beispielen dafür, dass die geschaffenen ordnungspolitischen Zwänge unverblümt missachtet, tatsächlich gelockert werden oder dies versucht wird, um mehr diskretionären Handlungsspielraum für die Politik zurück zu gewinnen. Wird dem nicht entschieden Einhalt geboten, droht die Aufgabe vereinbarter bindender Regeln, das Abgleiten in eine deutlich interventionistischere Wirtschaftspolitik und mehr Divergenz statt Konvergenz. Da unter solchen Umständen notwendige ordnungspolitische Strukturreformen ausbleiben oder langsamer erfolgen, besteht die Gefahr des Verlustes internationaler Wettbewerbsfähigkeit und von Wohlfahrtseinbußen bei einzelnen Mitgliedsländern der EWU. Ein Auseinanderbrechen der EWU kann dann in letzter Konsequenz nicht ausgeschlossen werden.
Aktuelle Gefährdungen der EWU
Dass die aktuelle Wirtschaftspolitik in den EWU Mitgliedsstaaten den grundlegenden Erfordernissen für die Nachhaltigkeit der EWU oft nicht gerecht wird und sie dadurch gefährdet, lässt sich durch eine Reihe von Beispielen belegen.
Die im Maastrichter Vertrag vereinbarte Geldverfassung der EWU wurde in letzter Zeit vielfach von wichtigen Politikern in Frage gestellt. So forderte im Juni 2005 der damalige italienische Arbeitsminister Roberto Moroni öffentlich, Italien solle die EWU verlassen und die Lira wieder einführen. Er wurde in seiner Kritik vom damaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi grundsätzlich unterstützt.
Die Unabhängigkeit der EZB und ihre Verpflichtung auf Preisniveaustabilität wurden bisher zwar noch nicht eingeschränkt, es gab aber eine Reihe von Versuchen dazu. So hat es in den Beratungen des Europäischen Konvents zur Erarbeitung eines Europäischen Verfassungsvertrages Vorstöße gegeben, die Zielsetzung für die Geldpolitik um den hohen Beschäftigungsstand zu erweitern, die sich aber nicht durchsetzen konnten. Im ersten Entwurf des Verfassungsvertrages wurde allerdings die Preisniveaustabilität nicht mehr unter den grundlegenden Zielen der EU aufgeführt und stattdessen zu einem Ziel der EZB allein degradiert. Erst nach heftiger Kritik u.a. der Deutschen Bundesbank wurde das in der letzten Fassung wieder geändert. Während im jetzt gültigen Vertragswerk die EZB eine Institution sui generis ist, wird sie im Verfassungsvertrag zu einem Organ der EU, was ihre Unabhängigkeit gefährden könnte.
In letzter Zeit gab es wiederholt Forderungen, vor allem aus der französischen und italienischen Regierung, das Preisniveauziel der EZB zu relativieren. So forderte der französische Innenminister und Präsidentschaftskandidat des bürgerlichen Lagers, Nicolas Sarkozy, schon Ende Juni 2006 ein grundsätzliches Überdenken der Statuten und Ziele der EZB. Er wiederholte dies seitdem mehrfach und im französischen Wahlkampf wird seine Forderung mittlerweile u.a. auch von Staatspräsident Chirac und Ségolene Royal, der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin geteilt. Von ihnen wird heftige Kritik an der als zu stabilitätsorientiert empfundenen Geldpolitik der EZB geäußert und diese für die Aufwertung des Euro „zum Schaden der Exportwirtschaft Frankreichs“ verantwortlich gemacht. All dies zeigt, dass in Frankreich offensichtlich die gegenwärtige Geldverfassung nicht akzeptiert wird und stattdessen an der Vorstellung von einem gouvernement economique festgehalten wird, mit der eine Einbindung der Geldpolitik und damit eine Beschränkung ihrer Unabhängigkeit verbunden wäre. (Für eine aktuelle Bestätigung vgl. die explizite Forderung nach einer europäischen Wirtschaftsregierung durch Michel Sapin, den Berater der Präsidentschaftskandidatin Royal in der F.A.Z. vom 27.3.067, S. 13.)
Diese Idee wird auch in einem gemeinsamen Schreiben des Präsidenten der Euro Gruppe des ECOFIN-Rates, Jean Claude Juncker, und des für Währungsfragen zuständigen EU-Kommissars, Joaquin Almudia, an den Präsidenten der EZB, Jean Claude Trichet, vom April 2006 transportiert. Denn es enthält die Forderung nach häufigeren Treffen zu dritt mit dem erklärten Ziel einer größeren ex ante Koordinierung zwischen Geld- und Finanzpolitik, was die Unabhängigkeit der EZB klar gefährden würde. Besonderes Gewicht erhält dieser Vorstoß dadurch, dass er von Vertretern zweier EU-Institutionen unternommen wird, zumal von einem Mitglied der EU-Kommission, die oft als Hüterin der Verträge bezeichnet wird. Nachdem Präsident Trichet sich öffentlich klar gegen solche Treffen ausgesprochen hat und Juncker und Almudia von ihrer Forderung nach „regelmäßigen“ Treffen Abstand genommen zu haben scheinen, scheint die Angelegenheit (vorerst?) zu ruhen.
In 2005 wurde bekannt, dass Griechenland jahrelang seine Defizit- und Schuldenstandsdaten gefälscht hatte und daher nicht in die EU hätte aufgenommen werden dürfen. Die Zahlen Italiens werden überprüft. Anders als Großbritannien und Dänemark hat Schweden kein Opting-Out-Recht vereinbart, weigert sich aber trotzdem, die im Maastrichter Vertrag vorgesehenen Vorbereitungsschritte zu unternehmen, um dann der EWU beitreten zu können. In all diesen Fällen liegen klare Vertragsverletzungen vor, die nicht geahndet werden.
Dies gilt auch für das Verhalten Deutschlands (2002-2005), Frankreichs (2002-2004) und anderer EWU-Mitgliedsländer, die das Defizitkriterium für mehrere Jahre nicht einhielten, was gegenwärtig trotz guter Konjunkturlage für Italien (Defizitquote 5,7% in 2006) und Portugal (Defizitquote 4,6% in 2006) zutrifft. Die gegen Deutschland und Frankreich eingeleiteten Verfahren wurden nach heftigen Protesten, insbesondere des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder, durch Beschluss des Ministerrats eingestellt. Stattdessen wurden die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes „reformiert“, d.h. verwässert, indem Anpassungsfristen verlängert und die Zahl der Ausnahmetatbestände vergrößert wurde. Dadurch wird der diskretionäre Handlungsspielraum für die nationale Finanzpolitik ausgeweitet und die von den alten Regeln ausgehenden Zwänge für die Haushaltskonsolidierung verringert. Der politische Druck für notwendige Strukturreformen sinkt, der auf die EZB nimmt aber gleichzeitig zu. Denn bei jeder Zinserhöhung wird die EZB mittlerweile von den Finanzministern, allen voran Jean Claude Juncker, unter Rechtfertigungszwang zu setzen versucht. Ist das der schleichende Beginn eines gouvernement economique?
Spanien, Frankreich und Italien versuchen, Übernahmen heimischer Unternehmen durch andere Unternehmen aus EU-Mitgliedsstaaten zu verhindern und verstoßen damit klar gegen ein konstitutives Merkmal einer Währungsunion, den vollkommen freien Kapitalverkehr und volle Konvertibilität. Diese Beispiele mögen als Beleg dafür genügen, dass die Geldverfassung als zentrales Fundament der EWU immer noch nicht voll akzeptiert ist, sondern selbst wichtige Elemente von Regierungsmitgliedern, Kommissaren und Mitgliedsstaaten immer wieder in Frage gestellt werden.
Bei dem anderen zentralen Fundament steht es nicht besser. Denn auch mit der Vollendung des EBM und der Umsetzung schon beschlossener Regeln gibt es gravierende Probleme. Hier ist an erster Stelle die Zurückweisung des ersten Entwurfs der europäischen Dienstleistungsrichtlinie, insbesondere durch die großen EU-Länder zu nennen, in der als Regel das Ursprungslandprinzip verankert war. Verabschiedet wurde schließlich eine stark verwässerte Fassung im Europäischen Parlament, in der nunmehr das Herkunftslandprinzip die Regel und das Ursprungslandprinzip die Ausnahme ist. Dies verringert den Wettbewerb im Binnenmarkt und macht Löhne und Preise weniger flexibel. Da der Beitrag der Dienstleistungen zum BIP in den EU-Ländern im Durchschnitt etwa 70%, der Anteil am innergemeinschaftlichen Handel aber nur ca. 40% beträgt, wird eine wichtige Quelle der Wohlstandssteigerung nicht adäquat genutzt.
Zudem gibt es eine Reihe von nationalen Maßnahmen, die gegen den Geist, wenn nicht gegen die Buchstaben der Regeln des EBM verstoßen und den Wettbewerb weiter behindern. Dazu zählen in Deutschland die Versuche mit dem Entsendegesetz und der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns – neben dem schon durch Tarifverträge und Sozialgesetzgebung de facto bestehenden – Hürden im Binnenmarkt zu errichten, was sozialpolitisch zu begründen versucht wird.
In Frankreich hat der Premierminister Dominique de Villepin ökonomischen Patriotismus eingefordert und bestimmte Unternehmen als strategisch wichtig erklärt, so dass sie nicht von ausländischen Unternehmen, d.h. auch Unternehmen aus EU-Ländern, übernommen werden können. Die Schaffung nationaler Champions mit staatlicher Unterstützung durch Fusionen unter französischer Führung zählt dazu.
Die spanische Regierung versucht gegenwärtig mit allen Mitteln, d.h., auch nicht vertragskonformen, offen oder versteckt die Übernahme der Endesa durch die deutsche Eon zu verhindern. In die gleiche Richtung geht der Versuch der polnischen Regierung, die aus der Fusion von Unicredit und Hypo-Vereinsbank resultierende Fusion der polnischen Töchter Pekao und BPH zu verbieten.
Neben nationalen Interessen werden in letzter Zeit immer häufiger sozialpolitische Argumente gegen die Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktregeln ins Feld geführt. Gern wird dabei der EBM gegen das europäische Sozialmodell ausgespielt. Das Scheitern des Europäischen Verfassungsvertrages in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden lieferte für viele Politiker den Anlass, mehr soziale Absicherung und weniger Wettbewerb einzufordern. Sollten sie damit Erfolg haben, würde dies zu einer Verlangsamung bei der Durchsetzung notwendiger Strukturreformen mit den zuvor beschriebenen Gefährdungen der Nachhaltigkeit der EWU führen.
Fazit
Die ökonomische Konzeption der EWU, wie sie sich aus den europäischen Verträgen ergibt, ist so angelegt, dass der dauerhafte Erfolg der EWU durch die volle Akzeptanz der vereinbarten europäischen Geldordnung und die Vollendung des Binnenmarktes sichergestellt werden soll. Denn dadurch wird ein neuer Rahmen für die Wirtschaftspolitik in Europa geschaffen, in dem über mehr Systemwettbewerb für die schnellere Durchsetzung ordnungspolitischer Strukturreformen gesorgt wird. Diese sind dringend notwendig, um den Herausforderungen der Globalisierung gerecht zu werden und den Wohlstand in Europa zu festigen und darüber hinaus zu mehren. Erst dies schafft die Fundamente, durch die die Nachhaltigkeit der EWU gesichert wird. Werden jedoch die vereinbarten ordnungspolitischen Regeln aufgeweicht und missachtet und damit ein größerer diskretionärer Handlungsspielraum ermöglicht, kann in letzter Konsequenz die EWU in ihrer jetzigen Form scheitern. Denn dann wären Ausweichreaktionen der Politik möglich und würde die europäische Integration nicht mehr die Ziele erfüllen können, die ihr in der Vergangenheit die Zustimmung der Menschen gesichert haben: Wohlstandsmehrung und Friedenssicherung. Unterbleibt nämlich die notwendige Anpassung an die sich ändernden weltwirtschaftlichen Bedingungen, sinkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit und der (relative) Wohlstand. So haben Italien und Portugal seit dem Start der EWU gegenüber Deutschland über ein Drittel ihrer internationalen preislichen Wettbewerbsfähigkeit verloren und weisen bei guter Weltkonjunktur hohe Haushaltsdefizite auf. Es ist zu befürchten, dass in der nächsten Rezession die Defizitquoten auch in anderen Ländern wieder über die drei-Prozentmarke steigen werden. Daher ist es dringend erforderlich, im neuen geplanten Grundlagenvertrag die beschlossenen ordnungspolitischen Regeln und damit die Fundamente der EWU zu stärken und für effektive Sanktionen zu sorgen. Denn ein Scheitern der EWU ginge an die Substanz der EU insgesamt.
- Gastbeitrag:
Wie stabil ist die Europäische Währungsunion? - 2. April 2007
Sehr geehrter Herr Kösters,
die EWU ist bedroht. Soweit stimme ich Ihnen zu. Allerdings fände ich wichtig, dass man sich zuerst noch mal die Frage stellt, ob der Weg in die EWU überhaupt richtig war. Die damaligen Gegenargumente sind ja nicht wirklich entkräftet worden. Im Gegenteil, durch die heutigen Schwierigkeiten werden sie eher bestätigt. Länder mit durchaus unterschiedlicher Wirtschaftspolitik können nicht in einen festen Währungsverbund gepresst werden.
Mich würde auch interessieren, ob Sie sich für Ziele aussprechen würden, der die Fed unterworfen ist. Diese hat nämlich nicht nur die Aufgaben auf die Inflation zu schauen. Die US-Wirtschaft ist damit in den letzten Jahren sehr gut gefahren. Warum sollte dies nicht für uns ein Vorbild sein?
Auch auf die Kritik vieler – durchaus nicht nur linker – Wirtschaftswissenschaftler, dass die Bundesbank und später die EZB aufgrund ihrer Zinspolitik das Wirtschaftswachstum in Deutschland bzw. Europa abgewürgt haben, gehen Sie leider nicht ein. Das passiert aber, wenn man nur auf die Inflation schaut und sie am Ende noch dort erkennt, wo gar keine vorhanden ist.
Wichtiger aber: auf die wirkliche Bedrohung gehen Sie gar nicht ein. Sie nennen ja auch nur, die Personen (z.B. Moroni), die die jetzige EWU-Gestaltung kritisieren, aber beschäftigen sich nicht mit deren Argumenten. Oft nennen Sie diese nicht einmal. Das sollte man aber meines Erachtens in einem solchen Artikel tun. Die Argumente können ja falsch sein, aber das gilt es nachzuweisen.
Eben weil sie dies nicht tun, erwähnen Sie die gegenwärtig wichtigste Bedrohnung der EWU nicht einmal: die deutsche Wirtschaftspolitik. Deutschland fährt seit Jahren ein gewaltiges Lohndumping bei hoher Produktivitätsrate. Früher wäre eine Anpassung der DM erfolgt, was aber heute nicht mehr möglich ist. Auch eine Finanzierung über Staatsschulden kommt nicht in Frage.
Somit bleiben nur drei mögliche Wege:
– Deutschland gibt seine Weg des Lohndumpings auf, was hohe Lohnabschlüsse und einen Mindestlohn bedeuten würde,
– der Euro bricht auseinander und es kann wieder zu innereuropäischen Währungsanpassungen kommen oder
– Frankreich, Italien etc. gehen den deutschen Weg des Lohndumpings.
Letzteres ist aber keine wirkliche Lösung, denn der deutsche Weg funktioniert ja nur solange, solange ihn die anderen nicht verfolgen. Ansonsten sind wir im alten ökonomischen Beispiel: In einem vollen Kinosaal verbessert einer seine Situation, wenn er aufsteht (Deutschland). Stehen aber alle auf, verschlechtern alle ihre Situation.
Bleibt also: wenn man die EWU wirklich retten will, muss man sich zwingend für hohe Tariflöhne und Mindestlöhne in Deutschland einsetzen. Wollen Sie also die EWU wirklich retten?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Holzer