„Die können gegen uns nicht gewinnen, aber wir können gegen sie verlieren!“ (Johan Cruyff)
Donald Trump ist seit über einem halben Jahr im Amt. Er agiert unkonventionell, sprunghaft, großmäulig und machtbesessen. Vor seinen Eskapaden ist niemand sicher, weder Freund noch Feind. Noch immer rätselt die Welt, warum er so handelt, ökonomisch, politisch und militärisch. Es kursieren die wildesten Theorien. Die Spekulationen reichen von ökonomischer Inkompetenz (Joe Stiglitz) über Geltungssucht bis zu Rache und Bösartigkeit (Richard Baldwin). Diese speziellen persönlichen trump’schen Eigenheiten verursachen viel öffentlichen Lärm. Dahinter verschwindet oft der eigentliche Antrieb seines (eher rationalen) Verhaltens. Sein Credo ist kein Geheimnis: Die USA haben nichts zu verschenken. Wer von ihnen etwas will, muss dafür bezahlen. Ausländische Unternehmen sollen zur Kasse gebeten werden, wenn sie weiter Zugang zum großen amerikanischen Markt haben wollen. Ausländische Akteure sollen eine Gebühr entrichten, wenn sie den Dollar für internationale Transkationen nutzen. Fremde Länder sollen einen fairen Preis zahlen, wenn sie weiter den militärischen Schutz der USA in Anspruch nehmen.
Donald Trumps Geschäftsmodell
Alles hat seinen Preis, nichts ist umsonst. Wenn die USA liefern, müssen ausländische Nutzer zahlen. Das ist die Grundüberzeugung von Donald Trump. Seiner Ansicht nach wurden die USA viel zu lange über den Tisch gezogen, handels-, währungs- und verteidigungspolitisch. Das müsse endlich ein Ende haben. Skurril sind allerdings seine handelspolitischen Vorstellungen. Er ist der Meinung, ausländische Akteure wollen einen Zugang zum großen US-Markt. Da liegt er richtig. Wenn sie auf dem amerikanischen (Güter)Markt agieren wollten, müssten sie dafür bezahlen, mit Zöllen etwa. Da irrt er. Ausländische Anbieter profitieren zweifellos, wenn sie ihre Produkte auf den amerikanischen Märkten absetzen können. Mit dem Import von Gütern, Diensten und Kapital „zahlen“ sie allerdings schon. Sie erhöhen nicht nur den eigenen Wohlstand, sondern auch den der USA. Beide, Ausland und Inland, profitieren von freiem Zugang zu den Märkten. Das ist die Crux (inter)nationaler Wirtschaftsbeziehungen. Zahlen müssen ausländische Anbieter dafür nicht. Zölle dagegen verringern den Wohlstand beider, des Auslandes und der USA.
Der US-Dollar ist seit Mitte der 1920er Jahre die weltweite Leitwährung (hier). Wirkliche Konkurrenten auf den Weltwährungsmärkten hat er (bisher) nicht. Die USA besitzen ein „exorbitantes Privileg“ (Giscard d’Estaing): Seigniorage-Gewinne, Gebühren für Finanzdienstleistungen, günstige Verschuldungsmöglichkeiten, den Dollar als Sanktionsinstrument. Die Leitwährung verursacht aber für die USA auch Kosten. Eine anhaltende Überbewertung des Dollars zählt dazu. Sie beschleunigt die De-Industrialisierung („holländische Krankheit“), wenn auch eher minimal. Der Verlust von Industriearbeitsplätzen in den USA ist Donald Trump ein Dorn im Auge, wohl eher politisch als ökonomisch. Das „öffentliche Gut“ US-Dollar soll der Welt nicht mehr kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sie soll dafür zahlen, entweder „kooperativ“ über eine gemeinsame Abwertung des Dollar (Mar-a-Lago Accord) oder „konfrontativ“ über erzwungene geringere Erträge für die Gläubiger amerikanischer Staatspapiere. Das Kalkül von Donald Trump ist klar: Er will s’Weckle (Erträge der Leitwährung) und s’Zehnerle (Überwälzung der Kosten).
Eine Reihe von Ländern will militärischen Schutz durch die USA. Die europäischen Länder sehen sich spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges von Russland bedroht. Sie sind verteidigungspolitisch blank. Die Friedensdividende haben sie längst verfrühstückt. Weder sind sie in der Lage, sich ausreichend selbst zu schützen, noch können sie der Ukraine militärisch wirksam unterstützen. In beiden Fällen brauchen sie die Hilfe der USA. Die erhalten sie durch das Schutzversprechen der USA über die NATO und über US-Waffenlieferungen an die Ukraine. Bisher haben die USA den größten Teil der Kosten geschultert. Das will Donald Trump ändern. Auch seine Vorgänger wollten es. Es gelang ihnen aber nicht, die Europäer zu bewegen, höhere Verteidigungsbeiträge in der NATO zu entrichten. Donald Trump hat es geschafft. Und noch ein Deal ist ihm gelungen: Die US-Regierung wird im Ukraine-Krieg zum Waffenhändler. Sie versorgt die Ukraine weiter mit militärischem Gerät. Die Rechnung wird aber von den Europäern bezahlt, vor allem wohl von den plötzlich ausgabefreudigen Deutschen („whatever it takes“), die nun vieles auf Pump finanzieren wollen.
Fallstricke der trump’schen Geschäftsidee
In einem verhält sich Donald Trump nicht anders als andere Regierungschefs weltweit. Alles, was ihre Länder tun, sollte einen Netto-Nutzen bringen. Er scheint aber (noch) mehr als seine Vorgänger in die eigene Tasche zu wirtschaften. Ob sein Kalkül für die USA allerdings aufgeht, ist zweifelhaft. Die USA haben als Hegemon auch in der Vergangenheit nie uneigennützig „öffentliche Güter“ bereitgestellt. Das gilt für die Welthandels-, die Weltwährungs- und die Verteidigungsordnung. Die USA haben diese Ordnungen nur so lange als „öffentliche Güter“ bereitgestellt und finanziert, wie die Netto-Erträge für sie positiv waren. Das Kalkül geht seit einiger Zeit immer weniger auf. Die USA werden zum „schrumpfenden Giganten“, wirtschaftlich und militärisch (hier). Die Welthandelsordnung rechnete sich für die USA wegen geringerer Erträge immer weniger, die Überbewertung des Dollars in der Weltwährungsordnung wurde industriell zur Belastung, die militärische Schutzfunktion der USA wurde überdehnt und immer weniger finanzierbar. Es gilt Ballast abzuwerfen.
Handelspolitisch wird das trump’sche Kalkül nicht aufgehen. Höhere Zölle erschweren den Zutritt zum amerikanischen Markt. Die Zeche zahlt vor allem der amerikanische Verbraucher. Zölle verteuern importierte Güter und Vorprodukte. Das Realeinkommen der US-Konsumenten sinkt. Amerikanische Unternehmen sind mit höheren Kosten für Vorprodukte konfrontiert. Entweder sie tragen sie oder wälzen sie auf die Güterpreise ab. Empirische Untersuchungen zeigen, höhere Zolleinnahmen der USA zahlt nicht das Ausland, der Dumme ist vor allem der amerikanische Konsument. Und noch etwas bewirken höhere Zölle. Sie verringern die Vielfalt an Gütern. Die Verbraucher müssen auf minderwertigere inländische Produkte zurückgreifen. Das senkt die Qualität der Produkte. Wie man es auch dreht und wendet, es ist der amerikanische Verbraucher, der vor allem Kasse gebeten wird. Reagiert das Ausland mit Vergeltung, wird amerikanischen Unternehmen der Zutritt zu ausländischen Märkten erschwert. Sie erleiden Ertragseinbußen. Alles in allem: Zölle zerstören die Wohlstandsmaschine internationaler Wirtschaftsbeziehungen. Alle werden ärmer, vor allem die USA. Handelskriege sind eben doch nicht leicht zu gewinnen.
Auch ein anderes Element der trump’schen Geschäftsidee steht auf wackligen Beinen. Mit Nutzergebühren für den Dollar und Accorden à la „Mar-a-Lago“ schafft es Donald Trump nicht, das Ausland zur Kasse zu bitten, wenn es den Dollar weiter nutzt. Stetige höhere staatliche Einnahmen sind eine Illusion. Das Gegenteil dürfte richtig sein. Die weltweite Nachfrage nach Dollars schrumpft, sein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Währungen verringert sich weiter. Mit steigenden Nutzungsgebühren sinkt auch die Rendite amerikanischer Staatspapiere. Es wird immer teurer, die (hohen) amerikanischen Staatsschulden zu finanzieren. Auch eine gezielte Abwertung des Dollars, die nicht ohne steigende Inflation in den USA zu haben ist, bringt nicht den gewünschten Erfolg. Der Prozess der amerikanischen De-Industrialisierung wird nicht aufgehalten, das wirtschaftliche Wachstum nicht gestärkt. Eine höhere Inflation ist ein kostspieliges Mittel, Staatsschulden abzubauen. Alles in allem: Nutzergebühren für den Dollar und gezielte Abwertungen zerstören das „exorbitante Privileg“ des Dollars als Reservewährung. Um die Nutzergebühren ist es still geworden in Washington. Der Wunsch nach einer Abwertung des Dollars ist aber weiter groß. Das zeigen die heftigen Angriffe von Donald Trump auf die in seinen Augen zu restriktive Geldpolitik von Jerome Powell, dem Präsidenten der Fed.
Donald Trump, Schutzgelder und die EU
Donald Trump hat die alte Idee seiner Vorgänger belebt, die Europäer stärker für den militärischen Schutz durch die USA zahlen zu lassen. Die USA wollen den Schutzschirm für Europa nicht länger zu großen Teilen bezahlen. Die Idee der Schutzgelder hat ökonomisch einiges für sich. Sie folgt dem Prinzip: Wer bestellt, bezahlt. Wer militärischer Schutz in Anspruch nehmen will, trägt die Kosten. Und höhere Verteidigungsbeiträge verringern Trittbrettfahrer-Verhalten. Wer keine Schutzgelder entrichtet, erhält keinen Schutz. So klar das Prinzip ist, so schwierig ist die konkrete Umsetzung. Militärischer Schutz hat (regionale) externe Effekte. Das wirft Fragen auf: Wie hoch sollen die länderspezifischen Finanzierungsanteile sein? Geklärt werden muss weiter, ob die Länderbeiträge über die NATO abgewickelt oder bilateral an die amerikanische Schutzmacht geleistet werden. Unklar ist auch, was zum Schutzpaket gehört. Zählt nur der direkte militärische Schutz für die Verbündeten? Oder ist etwa auch die militärische Hilfe an die Ukraine im Sicherheitspaket? Wer soll wieviel an der Finanzierung beisteuern?
Militärische Schutzgelder sind ohne asymmetrische Macht nicht denkbar. Daraus entsteht ein grundsätzliches Problem. Die USA können ihre militärische Machtposition ausnutzen. Das ist nicht von der Hand zu weisen, schon gar nicht bei Donald Trump. Europa ist gegenwärtig ohne die USA nicht verteidigungsfähig. Diesen Hebel kann der amerikanische Präsident nutzen, um höhere Schutzgelder von den Europäern zu „erpressen“. Das militärische Machtgefälle ist aber nicht gottgegeben, es ist angreifbar. Die Europäer haben es selbst in der Hand, wie lange es existiert. Rüsten sie (verstärkt) auf, erodiert die amerikanische Machtposition. Wenn es gut läuft, können sich die Europäer vielleicht schon mittelfristig besser selbst verteidigen. Dann brauchen sie die Amerikaner militärisch (immer) weniger. Das Drohpotential der USA sinkt, sich militärisch zurückzuziehen, die Schutzgeldzahlungen gehen zurück. Damit verlieren auch die Zolldrohungen von Donald Trump ihren Schrecken. Die ökonomische Vernunft erhält in den USA wieder eine Chance. Nur: Mit der Aufrüstung verringern sich die militärischen Lasten für die Europäer kaum. Was sie an Schutzgeldzahlungen einsparen, müssen sie für Militärausgaben einsetzen.
Die USA haben realisiert, dass sie ihre weltweiten militärischen Aktivitäten überdehnt haben. Da künftig neue Konfliktherde mit China dazu kommen, wollen sie eine militärische Arbeitsteilung mit den Europäern. Diese sollen sich um die russische Bedrohung kümmern, während der militärische Schwerpunkt der Amerikaner in Asien liegt. Auch deshalb wollen die USA die finanziellen Lasten der militärischen Unterstützung der Ukraine verringern. Die Europäer, allen voran Friedrich Merz, haben, beseelt vom deutschen „whatever it takes“, Donald Trump einen Deal vorgeschlagen: Die Amerikaner liefern Militärgüter, die die Europäer nicht haben, und die Europäer finanzieren sie. Das ist ganz nach dem Geschmack von Donald Trump. Die USA werden zum Waffenhändler, die EU-Länder zahlen die Rechnungen. Für die USA ist das ein lukratives Geschäft. Noch ungeklärt ist die Frage: Wer in Europa soll das bezahlen, einzelne Länder oder die EU insgesamt? Die klammen Kassen wichtiger EU-Länder geben die Antwort. Die Versuchung ist groß, die amerikanische Militärhilfe über eine gemeinsame Schuldenaufnahme (Euobonds) zu finanzieren. So beschleunigt Donald Trump, neben allem anderen handels- und währungspolitischen Unfug, auch noch den Ausbau der Schuldenunion in der EWU.
Fazit
Wer Donald Trump handelspolitisch stoppen will, muss sein Geschäftsmodell angreifen. Die Geschäftsidee beruht auf asymmetrisch verteilter Macht. Ein Pfeiler ist die wirtschaftliche Stärke der USA. Ein Ausbau des europäischen Binnenmarktes würde das wirtschaftliche Machtgefälle zwischen der EU und den USA verringern. Es ist aber auch die militärische Stärke der USA, die Donald Trump die Möglichkeit gibt, sich gegen die multilaterale Welthandelsordnung zu stellen. Er will die amerikanische Macht nutzen, um sich in bilateralen Verhandlungen ein größeres Stück des Kuchens abzuschneiden. Dabei stößt er allerdings an Grenzen, wenn er sich mit wirtschaftlich starken Kontrahenten, wie etwa China anlegt, die zollpolitisch dagegenhalten, indem sie etwa mit Exportkontrollen für Seltene Erden drohen. So gesehen, müsste sich die wirtschaftlich starke EU nicht fürchten, wenn sie zu einer klaren handelspolitischen Linie finden würde. Wäre da nicht die militärische Achillesferse der Europäer. Solange sie existiert und Wladimir Putin auf dem Kriegspfad ist, hängt Europa militärisch am Tropf der USA. Die Chancen der EU, Donald Trump handelspolitisch Paroli zu bieten, sind so lange nicht gut, wie Europa militärisch nicht auf sichereren Beinen steht. Bis dahin sollte sie handelspolitisch vorsichtig agieren. Allerdings: Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch (Friedrich Hölderlin). Die Kapitalmärkte könnten wichtige Helfer im Kampf gegen den zollpolitischen Unfug der USA werden. Vielleicht gelingt es ihnen, Donald Trump zollpolitisch einzubremsen.
Blog-Beiträge zu „Trumponomics“:
Norbert Berthold (JMU, 2025): Handelsbilanzdefizite, Zölle, Staatsschulden. Mit der Handelspolitik den Haushalt sanieren?
Norbert Berthold (JMU, 2025): Donald Trump und der amerikanische Steuerzahler. Trittbrettfahrer, De-Industrialisierung, Zolleinnahmen
Norbert Berthold (JMU, 2025): Handel, Dollar, Sicherheit. Hat Donald Trump einen Plan?
Norbert Berthold (JMU, 2025): Der zollpolitische Furor des Donald Trump. Wie sollte Europa darauf reagieren?
Norbert Berthold (JMU, 2025): Die seltsame Ökonomie des Donald Trump. Angebotspolitik, Zölle und Abschiebungen
Norbert Berthold (JMU, 2025): Donald Trump bekämpft das falsche Defizit. Handel, Zölle, Verschuldung