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Klimaschutz lohnt sich

Neulich stand eine Dienstreise nach Wien an, der günstige Flug war schon gebucht. Als meine Kinder dies hörten, äußerten sie Protest: Ich könne doch auch mit der Bahn nach Wien fahren und solle aus Klimaschutzgründen Flüge vermeiden. Mein Gegenargument, dass innereuropäische Flüge doch im europäischen Emissionshandel seien und deshalb keine zusätzlichen CO2-Emissionen bewirken, stieß nur auf verständnisloses Kopfschütteln, und war der Beginn vieler Gespräche über die Instrumente der Klimapolitik und deren Wirkungen. Fangen wir beim Emissionshandel an.

Für Emissionen aus der Stromerzeugung, aus der energieintensiven Industrie und aus dem innereuropäischen Flugverkehr wurde 2005 in Europa ein Emissionshandel eingeführt: Jeder, der in den genannten Bereichen Emissionen verursacht, muss dafür Zertifikate kaufen, die mittlerweile über 90 Euro (pro Tonne CO2) kosten. Derzeit soll ein zweiter europäischer Emissionshandel für die Treib- bzw. Brennstoffversorgung in den Sektoren Verkehr und Gebäude entstehen, der aber umstritten ist. Deutschland hat dafür bereits einen eigenen Emissionshandel.

Die Menge der Zertifikate ist dabei beschränkt. Es gibt eine Emissionsobergrenze, den sogenannten Cap, der bestimmt, wie viel die Unternehmen insgesamt ausstoßen dürfen. Diese Gesamtmenge richtet sich nach den europäischen Einsparzielen.

Doch gibt es eine Nebenwirkung, die man kennen sollte: Die Festlegung der Gesamtmenge, des Caps, führt dazu, dass sich die Emissionen in der EU nicht reduzieren, wenn beispielsweise ein Kohlekraftwerk vom Netz geht. Natürlich emittiert dieses Kraftwerk dann kein CO2 mehr. Aber die Zertifikate, die es nicht mehr benötigt, werden von anderen Unternehmen gekauft, die dann entsprechend mehr emittieren können. Dies nennt man den „Wasserbetteffekt“: Drückt man an einer Stelle auf die Matratze, schwappt das Wasser zu einer anderen Stelle des Bettes. Verbraucht ein Unternehmen weniger Zertifikate, werden an anderer Stelle – bei anderen Unternehmen, in anderen Ländern – mehr Zertifikate verbraucht, und die Gesamtmenge der Emissionen ändert sich nicht.

Zurück zu dem Flug nach Wien: Innereuropäische Flüge sind Teil dieses Handels. Das heißt, für jeden innereuropäischen Flug müssen die Fluglinien Emissionszertifikate kaufen, und zwar in Höhe der CO2-Emissionen, die bei diesem Flug ausgestoßen werden. Wenn mehr geflogen wird, werden mehr Zertifikate für Flüge benötigt, die dann für andere nicht mehr zur Verfügung stehen. Mehr Flüge führen somit nicht zu mehr Gesamtemissionen an CO2 und weniger Flüge nicht zu weniger Gesamtemissionen. Der Zertifikatehandel bezieht sich jedoch nur auf den CO2-Ausstoß, nicht aber auf andere Klimaauswirkungen des Fliegens. Hier sollte der Emissionshandel noch nachbessern, um diese Effekte mit zu berücksichtigen.

Dieser Wasserbetteffekt zeigt sich auch bei der Installation einer Solaranlage: Wenn ein Haushalt wegen einer neuen Solaranlage weniger konventionellen Strom verbraucht, werden weniger Zertifikate benötigt. Da der Cap gleich bleibt, werden diese Zertifikate woanders genutzt – der Emissionseffekt ist gleich Null. Es kann sich aber durchaus für Hausbesitzer wirtschaftlich lohnen, diese Solaranlagen zu bauen, da Solaranlagen immer günstiger werden, der Bau gefördert wird und weil man beim Eigenverbrauch keine Nebenkosten wie Netzgebühren zu zahlen hat. Es lohnt sich also, sich klimafreundlich zu verhalten.

Aus demselben Grund läuft zumindest eine Kritik an den Elektroautos – sie verbrauchen  schmutzigen Strom – ins Leere. Der Wasserbetteffekt bewirkt, dass mehr Emissionen bei der Stromerzeugung für Elektroautos zu weniger Emissionen an anderer Stelle führen.

Aus einer guten Absicht heraus zu handeln, heißt nicht zwangsläufig, auch etwas Gutes zu bewirken. Wenn wir sichergehen wollen, dass das, was wir als Individuen machen, auch die gewünschte Wirkung zeigt, müssen wir das Gesamtgeflecht der Klimapolitik verstehen. Umgekehrt zeigt sich aber auch – da wo die Emissionsmärkte ihre Wirkung erzielen, können wir er uns einfach machen: Die Zertifikatpreise (CO2-Preise) ziehen sich nämlich durch die gesamte Lieferkette – der Klimaschaden ist in der Kalkulation berücksichtigt. Das klimafreundlichere Produkt ist dann auch das billigere – Klimaschutz lohnt sich.

Hinweis: Passagen sind entnommen aus dem Buch des Autors „Klima muss sich lohnen. Ökonomische Vernunft für ein gutes Gewissen“, das im Herder Verlag erschienen ist.

Hinweis: Der Beitrag ist als Leitartikel in Heft 11 (2022) der Fachzeitschrift WiSt erschienen.

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