Das Ende eines langen Aufschwungs
Einblicke in die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland

Einleitung

In diesem Jahr haben wir zum zehnten Mal das German Debt Project, die Analyse des gewerblichen Immobilienfinanzierungsmarktes in Deutschland, durchgeführt. Bei diesem Projekt werden Daten durch Datenfragebögen sowie durch standardisierte Interviewfragebögen für 21 Banken erhoben, die in Deutschland gewerbliches Immobilienfinanzierungsgeschäft betreiben. Insgesamt beläuft sich das gesamte Portfolio, das mit diesem Projekt analysiert wird, auf rund 228 Mrd. EUR.

In diesem Jahr standen die Fragen über die Spätfolgen der Pandemie weniger im Mittelpunkt als im letzten Jahr; ganz außen vor waren sie nicht. Doch die Veränderungen, die durch die steigenden Zinsen erzwungen werden, überschatteten (fast) alle anderen Themen, und dies obwohl die Interviews im Sommer geführt wurden, den ganz aktuellen Rand also noch nicht berücksichtigen können.

Veränderung des Wettbewerbsumfelds

Insgesamt zeigen die Daten, dass das Finanzierungsgeschäft 2021 noch sehr stark war, und dass auch das erste Quartal 2022 noch ein sehr gutes Jahr versprach. Insgesamt legte das Neugeschäft in der Gewerbeimmobilienfinanzierung um 7,9% (dies umfasst auch institutionell-gehaltene Wohnimmobilien) im Jahr 2021 zu. Das gesamte Kreditbuch wuchs um 2,4%. Doch mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine, den einsetzenden Energieproblemen und der dadurch verschärften Inflationsdynamik, die am kurzen und am langen Ende für steigende Zinsen sorgte, erschwerte sich die Immobilienfinanzierung. Denn die stark gestiegenen Boden- und Baupreise für Neubauten, sowie die über Jahre gestiegenen Vervielfältiger auch für Bestandsimmobilien engen die Handlungsmöglichkeiten insbesondere dann ein, wenn die Finanzierungszinsen über die Cashflow-Renditen steigen, denn dann würde ein negativer Leverage-Effekt nur noch durch weiter steigende Verkaufspreise vermieden werden können – doch nicht mehr in der verlässlicheren Kalkulation der regelmäßigen Zahlungsströme.

Dies betrifft besonders Projektentwickler und opportunistische Investments, die auf hohe Fremdkapitalhebel angewiesen sind. Folgerichtig hat sich insbesondere in diesen Marktsegmenten die Wettbewerbsintensität am spürbarsten beruhigt. Es finden weiterhin Transaktionen statt, doch vor allem solche, in die viel Eigenkapital eingebracht wird und wenn es sich um als besonders risikoarm erachtete Lagen/Objekte handelt. Die meisten Banken nannten hier die innerstädtischen Hauptgeschäftslagen sowie Logistik und Wohnimmobilien, gerade in den Top-7-Städten.[1]

Die Mehrzahl der Banken berichtet von einem spürbar weniger intensiv wahrgenommenen Wettbewerb. Dies bedeutet auch, dass höhere Margen als zuvor insbesondere in den mit Risiken behafteten Transaktionen durchgesetzt werden können. Dies setzt Projektentwickler zusätzlich unter Druck, zumal auch die LTC-Quoten (Loan-to-Cost, also der Anteil, den Banken bereit sind, bei einer Projektentwicklung als Fremdkapital bereitzustellen) tendenziell gesenkt werden. Auch zeigt sich, dass Banken seltener Covenant light-Strukturen vereinbaren, also Kreditverträge, bei denen nur wenige harte zusätzliche Kontrollparameter vereinbart werden.

Dies zwingt Projektentwickler dazu, teureres Mezzanine-Kapital aufzunehmen – oder die Entwicklung eben gar nicht durchzuführen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass es (noch) seltener zu Sondertilgungen kommt als in den letzten Jahren. Der Höhepunkt an Sondertilgungen wurde 2016 überschritten; die Banken mussten etwas weniger auf den ausgleichenden Ausbau des Neugeschäfts setzen, weil sich das rapide Drehen von Projekten bereits vor der Pandemie angesichts des starken Preisauftriebs beruhigt hatte.

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Keine Überraschungen bei der Asset-Allokation

Die Asset-Allokation sorgt auch im Jahr 2022 für keine Überraschung: während die Interviewteilnehmer für Wohnen, Büro und auch erneut für Logistik wachsende Volumina im Vergleich zum Vorjahr melden, werden für Einzelhandel und Hotel zum vierten Mal in Folge zurückgehende Ergebnisse gemeldet. Es wurde der Wunsch geäußert, mehr Logistik zu finanzieren, was sich jedoch aufgrund einer Knappheit an geeigneten Objekten nicht realisieren ließ. Vorsicht lassen die Banken auch hinsichtlich Gesundheitsimmobilien walten, einige Institute weisen hier überhaupt keine Finanzierungsaktivitäten auf.

Wie auch im letzten Jahr werden Differenzierungen innerhalb der Assetklassen getroffen: Lebensmitteleinzelhandel und Fachmarktzentren werden lieber finanziert als innerstädtischer Einzelhandel, Urlaubshotels lieber als Businesshotels und Bürogebäude in Bestlagen lieber als Büros in der Peripherie.

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ESG als neues Core-Thema

Das zweite bestimmende Thema in den Interviews war die Bemühung, die regulatorischen Vorgaben sowie eigengesetzte Ziele zu E(nvironmental), S(ocial) und G(overnance) in der Kreditvergabe einzuhalten. Hier offenbarte sich, dass die erste große Hürde in der Datensammlung, -aufbereitung und –analyse zu Objekten und Mietern besteht. Es zeigten sich große Unterschiede im Fortschritt bei der Vergabe von Green Loans sowie Grünen Pfandbriefen sowie in den gesteckten Zielen hinsichtlich möglicher ESG-konformer Darlehen.

Die Banken spiegelten zudem, dass es bisher nur in seltenen Fällen – teilweise als Ausdruck eher geschäftspolitischen Willens als von Marktkräften – günstigere Kreditkonditionen für Grüne Darlehen geben kann, dass sich dies aber in der Zukunft dann ändern dürfte, wenn der Wettbewerb um knappe besonders effiziente Gebäude intensiver würde und wenn seitens der Regulierung dies z.B. durch unterschiedliche Eigenkapitalanforderung angestoßen würde.

Einig waren sich die Banken, dass der Weg zu Social Bonds oder Social Loans schwergängiger wird, weil es an belastbaren, eindeutigen Messkriterien mangelt, dass der Weg jedoch auch hier vorgezeichnet sei. Am häufigsten wurde hierbei über erschwingliches Wohnen sowie über Gesundheitsimmobilien gesprochen.

Schlussbemerkungen

Auch wenn in einigen (eher früh geführten) Interviews noch die Hoffnung auf ein stärkeres viertes Quartal 2022 als möglicher Ausgleich der schwachen mittleren Quartale geäußert wurde, zeigte die diesjährige Auswertung, dass der lang anhaltende Aufschwung an den deutschen Immobilienmärkten und folglich auch in der Immobilienfinanzierung zu Ende geht.

Die rasche Abfolge von pandemischen, Zins- und nun Rezessionsschock zwingt die Banken zu mehr Vorsicht. Dies geschieht auch, weil die regulierenden Institutionen (EZB, Bundesbank und Bafin) eine als engmaschig empfundene Kontrolle ausüben und teilweise durch zusätzliche Eigenkapitalanforderungen die Handlungsspielräume einengen.

Dies wird die Transaktions- und vor allem die Bauaktivitäten in Deutschland weiter belasten. Immerhin sind die Banken im Vergleich zur Finanzkrise gestärkt, gut kapitalisiert und sich vor allem der Risiken bewusst. Der Anteil an Non-Performing Loans befindet sich weiterhin auf niedrigem Niveau, die Ratings haben sich in vielen Fällen bis zuletzt kaum verschlechtert. Auch diese Kennziffern dürften sich in den nächsten Quartalen negativ verändern, doch weil insbesondere die großen Vermietungsmärkte (Wohnen, Büro, Logistik) intakt sind – auf Wohnungs- und Logistikmärkten gibt es weiterhin Knappheit – ist eine weitere Verschärfung der Situation durch Leerstände und ausbleibende Zahlungen nicht zu befürchten. Allerdings bleibt hierbei (natürlich) die Unsicherheit, dass die Energiekosten gerade für Mieter so stark steigen könnten, dass dies auch auf die Leistbarkeit der Mietzahlungen ausstrahlen könnte. Für die nächsten Monate ist dies die wichtigste Größe, die es zu beobachten gilt.

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Die gesamte Studie kann hier käuflich erworben werden: https://www.irebs-immobilienakademie.de/shop/publikationen/studie-german-debt-report-2022

[1] Es ist freilich darauf hinzuweisen, dass an dem German Debt Project überwiegend überregional aktive Banken teilnehmen und nur wenige regional aktive Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Der Fokus auf die Top-7-Städte (Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Köln) ist also keine absolute Aussage, sondern eine relative Akzentverlagerung.

Tobias Just und Simon Wiersma

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