Kurz kommentiert
Lob des Unverpackten

Den Unverpacktläden in Deutschland, deren gesamtes Sortiment lose und verpackungsfrei angeboten wird, geht es nicht gut. Gebeutelt von der Coronazeit und den aktuell außerordentlich hohen Inflationsraten rechnet sich das Geschäftsmodell der oftmals sehr kleinen Läden immer weniger. Die Betreiber würden – wie die Badische Zeitung über den Freiburger Unverpacktladen berichtet – jedoch notfalls lieber ihr Geschäft aufgeben, als sich dem Diktat der wettbewerblichen Effizienz unterzuordnen und die „kleine Utopie“ zu opfern, die sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leben wollen. Man mag über diese Einstellung spotten, weil sie in einer Marktwirtschaft realitätsfern erscheint, doch tatsächlich sind Unverpacktläden ein wunderbares Beispiel für alles, was eine freie marktwirtschaftliche Ordnung ausmacht.

Viele Jahre lang waren Unverpacktläden, auch wenn sie selbst in ihren Hochzeiten nur ein Nischenphänomen geblieben sind, eine boomende Geschäftsidee. Etwa 500 Läden gab es vor der Krise in Deutschland und sie dienen inzwischen zahlreichen Supermarktketten als Vorlage zum Experimentieren mit verpackungsfreier Ware. Gerade durch die Vermeidung von Verpackungsmüll wollten und wollen die Unverpacktläden einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung leisten. Dem gleichen Ziel dienen das Angebot biologischer Produkte sowie kurze Transportwege durch regionale Bezugsquellen und eine Lage der Ladenlokale in zentralen, meist alternativen oder studentisch geprägten Stadtvierteln. Hiermit wird eine bestimmte Klientel von Käuferinnen und Käufern erfolgreich angesprochen, der eine biologische und nachhaltige Verwertungskette besonders wichtig ist.

Die hieraus resultierende relativ hohe Zahlungsbereitschaft der Kundschaft liegt vielfach sogar deutlich über derjenigen für biologisch-nachhaltige Lebensmittel und Waren allein, denn diese gibt es oftmals günstiger im Bio- und manchmal sogar normalen Supermarkt. Offenbar ist also auch das hinter den Unverpacktläden stehende Konzept einer alternativen Form des Wirtschaftens, das in manchen Läden erkennbar und intensiv gelebt wird, den Kundinnen und Kunden den einen oder anderen zusätzlichen Euro wert. Diesen kosten die angebotenen Produkte deshalb mehr, weil zugunsten der Beschäftigen offenbar nicht jede mögliche Maßnahme zur Erhöhung der Effizienz durchgeführt wird.

Solange genügend Menschen bereit sind, für die kleine Utopie anderer – aus welchen Gründen auch immer – zu zahlen und damit deren Geschäftsmodell tragfähig zu machen, ist daran aus marktwirtschaftlicher Sicht rein gar nichts auszusetzen. Zumal auch nicht davon zu hören ist, dass die Betreiber die Kundinnen und Kunden über ihre Intentionen im Unklaren ließen. Wenn schließlich auch noch der Marktaustritt mancher Läden aufgrund einer schwierigen wirtschaftlichen Lage – wenn auch mit Bedauern, so doch ohne Klage – akzeptiert wird, dann kann sich mancher erzkapitalistische Pleitier, der bei wirtschaftlichem Gegenwind sogleich nach staatlicher Unterstützung ruft, eine Scheibe davon abschneiden. Dabei ist der Marktaustritt ohnehin nur das letzte Mittel: derzeit wird in der Unverpackt-Szene mit neuen Finanzierungskonzepten wie Genossenschaftsmodellen experimentiert, um die Läden trotz Krise weiter betreiben zu können.

Allzu laut sollte man das marktwirtschaftliche Lob der Unverpacktläden aber vermutlich nicht klingen lassen, denn in demselben Milieu, das sie speist, erfreuen sich auch andere Instrumente zur Verwirklichung der eigenen kleinen Utopien großer Beliebtheit. Diese sind allerdings weitaus weniger marktwirtschaftlich, manchmal sogar geradezu das Spiegelbild des Konzepts der Unverpacktläden. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eine solche Idee: wo die Kleinkaufleute des Unverpacktladens vorsichtig planen und innovativ sein müssen, können die Bezieherinnen und Bezieher des Grundeinkommens mit einem stetigen, sicheren Mittelfluss rechnen, der unabhängig von jeglichem Wettbewerbsdruck ist. Ein solches Leben hat seinen ganz eigenen, bequemen Charme, es ist allerdings der Marktwirtschaft gänzlich wesensfremd, denn es ist – dank des steuerstaatlichen Finanzierungszwangs – keinerlei Bemühen nötig, Andere auf innovative und inspirierende Weise davon zu überzeugen, einen Extraeuro für den eigenen Lebensentwurf zu geben.

So bleibt, die Unverpacktläden zu loben und auf ihr Fortbestehen zu hoffen, auf dass sie weiterhin als mahnende, weil erfolgreiche und eigenfinanzierte, Alternative gegen allzu weitreichende, fremdfinanzierte Utopien dienen. 

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