Narrative sind Geschichten, die in der Regel dazu dienen, komplizierte Zusammenhänge so weit zu vereinfachen, dass sie leicht verständlich werden. Wir brauchen diese kurzen Geschichten, denn die Welt ist viel zu kompliziert, als dass wir die Langfassungen noch verstehen könnten. Allerdings: Es gibt gute Narrative, die uns die Welt so erklären, wie sie ist, schlechte Narrative, die nur so tun, tatsächlich aber partikularen Interessen dienen, und sehr schlechte Narrative, die benutzt werden, um schlimme Dinge zu legitimieren. Das Problem ist, dass es nicht einfach ist, die guten von den schlechten und sehr schlechten Narrativen zu unterscheiden. Das Narrativ, dass uns die Klimaaktivisten auftischen, ist dafür ein gutes Beispiel. Tatsächlich ist es ein sehr schlechtes Narrativ, weil es erstens falsch ist und zweitens dazu genutzt werden kann, Gewalt zu rechtfertigen.
Das Narrativ ist sehr simpel: „Der Klimawandel führt in die Apokalypse und wir haben nur noch sehr wenig Zeit, etwas dagegen zu tun.“ Das gefährliche an diesem Narrativ ist, dass es zur Eskalation benutzt werden kann. „Ihr wacht immer noch nicht auf?! Dann müssen wir drastischer auf das Problem hinweisen.“ Diese Argumentation lässt sich als Endlosschleife abspielen. Auf jeder Stufe ist jede Maßnahme zum „Aufwecken“ der Gesellschaft legitim, denn schließlich geht es um die Rettung vor dem Weltuntergang. Das Ganze folgt einem bekannten Muster. Ist die Gefahr, die man verhindern muss, erst hinreichend groß, heiligt der Zweck jedes Mittel. Bisher sind die Aktionen eher symbolische, letztlich harmlos, manchmal unfreiwillig komisch. Aber dabei wird es nicht bleiben, das ist ziemlich sicher. Ob wir die Eskalationsspirale rechtzeitig stoppen können, wird vor allem davon abhängen, wie viele Menschen in unserem Land erkennen, dass das Narrativ im Kern falsch ist.
Natürlich ist der Klimawandel ein riesiges Problem – aber es ist nicht der Weltuntergang. Jedenfalls steht davon nichts in den Sachstandsberichten des Weltklimarates (IPCC). Der 2022 veröffentlichte letzte Bericht enthält eine zentrale Botschaft, die sich auf Seite 13 der Summary for Policymakers findet. Dort sind fünf Emissionsszenarien abgebildet, in denen Annahmen über die Entwicklung der jährlichen globalen CO2-Emissionen getroffen werden. Diesen Szenarien werden die jeweils zu erwartenden Temperaturanstiege gegenübergestellt. Das Horrorszenario besteht darin, dass sich die Jahresemissionen bis 2100 vervierfachen werden. Die Folge wäre ein Anstieg um 5 Grad oder mehr. Allerdings ist dieses Szenario angesichts der weltweiten Anstrengungen zur CO2-Vermeidung und des zu erwartenden technischen Fortschritts extrem unwahrscheinlich. Genauso wie das zweitschlimmste Szenario, das eine Verdoppelung annimmt. Die realistischen Szenarien zeigen, dass es ohne weiteres möglich sein wird, den Temperaturanstieg in erträglichen Grenzen zu halten – auch dann, wenn in den nächsten beiden Jahrzehnten die Emissionen pro Jahr noch steigen sollten. Der Bericht aus 2022 zeigt geringere Temperaturanstiege als die Vorgänger, denn der IPCC hat erkannt, dass die bisherigen Schätzungen ein „overheating“ enthielten. Aber entscheidend ist, dass selbst die Horrorszenarien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten werden, keineswegs den Weltuntergang bedeuten. Auch bei einer extremen Erwärmung wächst die Weltwirtschaft weiter und steigt der Wohlstand. Auch die Gefahr von Kipppunkten, die gern an die Wand gemalt wird, findet sich im IPCC Bericht nicht. Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass sich bei Überschreiten von bestimmten Schwellenwerten das Klima unwiderruflich und dramatisch ändert.
Leider wird diese wichtige Botschaft des IPCC nicht wirklich verbreitet – jedenfalls nicht in den deutschen Medien. So berichtete die FAZ ausschließlich über das Horrorszenario einer Vervierfachung, ohne darauf hinzuweisen, wie wenig wahrscheinlich dieses ist. Das spielt dem Narrativ der Klimaaktivisten in die Karten und ihrer Eskalationsstrategie auch. Wir sollten etwas dagegen tun und nicht abwarten, wie weit die Eskalation gehen wird. Sonst könnte es sein, dass wir später überrascht feststellen, dass sie sehr weit gegangen ist.
Hinweis: Der Kommentar erscheint als Leitartikel in Heft 2/3 der Fachzeitschrift WiSt.
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