Seit die Inflation in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gekannte Höchstwerte erreicht, sind Eingriffe des Staates in die Preise wieder en vogue. Sprit- und Gaspreisbremse, Neun- beziehungsweise 49-Euro-Ticket oder Mietendeckel, um nur einige Beispiele zu nennen. Und Deutschland steht damit nicht allein da. Weltweit versuchen Regierungen, mit Preisdeckeln oder Subventionen Bürger und Unternehmen vor hochschießenden Preisen und damit Kaufkraftverlusten abzuschirmen. Treiber ist die Angst vor aufkeimender Wut in der Bevölkerung.
Doch ökonomische Theorie und historische Erfahrung zeigen: Preisbremsen verschärfen das Problem, das sie beseitigen sollen. Hohe Preise sind in einer offenen Marktwirtschaft das Signal, dass ein Gut – aus welchen Gründen auch immer – sehr knapp ist. Steigt der Preis, drückt das die Nachfrage und neue Gewinnchancen locken mehr Anbieter in den Markt. Die Knappheit vermindert sich und im marktwirtschaftlichen Gefüge wird so das Verhältnis zwischen Wünschen und Möglichkeiten immer wieder neu austariert.
Abschalten des Preissignals hilft nicht, sondern schadet
Die jetzt allenthalben verkündeten Preisbremsen schalten dieses wichtige Signal stumm oder dimmen es zumindest ab. Das Ergebnis: Die Knappheit besteht fort oder wird größer. Regierungen müssen mit immer weiteren Regeln und Eingriffen gegensteuern. Es entsteht eine Interventionsspirale, die kaum noch zu stoppen und für eine Volkswirtschaft ineffizient und damit teuer ist.
Weil Preisbremsen kurzfristig populär sind – siehe der wenig überraschende Run auf die nahezu kostenlosen Monatstickets im Nah- und Regionalverkehr –, entbrennt meist keine Diskussion über die massiven Nachteile staatlicher Preiseingriffe. Welcher Autofahrer nimmt einen gekappten Benzinpreis nicht gern mit? Angesichts eines Krieges in Europa, einer dadurch ausgelösten Energiekrise und massiv steigender Preisen werden all die staatlich verkündeten Deckel und Bremsen als normales Gestaltungsinstrument der Politik akzeptiert. Genau das können sie aber in einer marktwirtschaftlichen Ordnung niemals sein.
Wer Marktpreise außer Kraft setzt, muss die Produktions- und Verteilungsentscheidungen nach anderen Kriterien treffen. Meistens ist das dann eine Mischung aus Zwang, Zufall und Privilegien – eine Erkenntnis, um die sich die Kritiker der Marktlösung gern herumdrücken.
Die Preisbremsen sollen wirtschaftlich schwachen Haushalten helfen, kommen aber großteils ausreichend Zahlungskräftigen zugute. Es entstehen verteilungspolitisch fragwürdige Effekte, gegen die die Politik dann mit weiteren Regeln und Zahlungsgrenzen anzukämpfen versucht.
Knappheit beseitigt am besten ein funktionierender Markt
Dabei hat die Pandemie uns gerade ein lehrbuchhaftes Beispiel für die heilsame Wirkung von Preissignalen geliefert: Anfangs waren medizinische Masken äußerst knapp und wurden rationiert. Die Preise für diese eigentlich billig produzierbaren Massenprodukte schossen durch die Decke. Diese Gewinnchancen ließen Maskenproduzenten weltweit die Produktion hochfahren, und innerhalb weniger Monate waren die Engpässe überwunden und die Preise wieder auf Normalniveau. Solche Beispiele für ein auch in Krisensituationen effizientes Funktionieren der Marktwirtschaft sollten wir nicht aus den Augen verlieren.
Wirtschaften dreht sich immer um die Bewältigung von Knappheiten. Bislang ist kein besseres Verfahren für den intelligenten Umgang damit bekannt als das marktwirtschaftliche Preissystem. Es gibt keinen Grund, in Phasen verschärfter Knappheit die Preissignale zu dimmen. Das Navi im Auto würde man auch nicht abschalten, nur weil die Wegstrecke ruppiger wird.
Allerdings sind die vor allem durch den Wegfall russischer Energielieferungen ausgelösten Preisschocks auch nicht kleinzureden: Die höheren Preise lassen die Kaufkraft der privaten Haushalte so stark einbrechen wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland. Das wird die Konsumnachfrage deutlich schmälern, worunter die konsumnahen Wirtschaftsbereiche leiden.
Privathaushalten lieber gezielt helfen
Soll der Staat dennoch die Preise einfach laufen lassen und Bürger dem Spiel der Märkte ungeschützt aussetzen? Ersteres ja, letzteres nein. Es gibt gute Gründe und auch Instrumente für den Staat, um auf ungewöhnliche Preisausschläge zum Beispiel in Krisenzeiten zu reagieren. Es ist sinnvoll, dass der Staat wirtschaftlich schwache Haushalte unterstützt. Das sollte er dann aber mit direkten und gezielten Zahlungen an diese Haushalte tun, damit sie trotz steigender Preise noch ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die Preissignale kommen dann weiter an, überfordern aber die Menschen nicht.
Das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewünschte Signal, der Staat werde die Bürger in der Krise nicht allein lassen, wird zielgerichtet gesendet, statt mit Eingriffen in die Preise das ganze marktwirtschaftliche System aus dem Tritt zu bringen. Die von der Bundesregierung eingeschlagene „Wumms“-Rhetorik, die auch schon in der Coronakrise problematisch war, wird der Problemlage dagegen nicht gerecht.
Unternehmen müssen sich an höhere Energiekosten anpassen
Für Unternehmen sieht die Lage etwas anders aus. Höhere Energiepreise treffen im Prinzip alle Unternehmen einer Branche in etwa gleich. Anders als etwa für Restaurants in der Pandemie, wird nicht das Geschäftsmodell an sich durch staatliche Auflagen blockiert, sondern rasant steigende Kosten bringen Unternehmen ins Wanken. Gerade weil aber auch Konkurrenten betroffen sind, können Unternehmen Preissteigerungen auch eher durchsetzen. Alle Unternehmen sind dazu gezwungen, und der Kunde hat keine Ausweichmöglichkeiten. Die Stütze durch den Staat ist dann nicht notwendig.
Wo sich höhere Energiekosten hingegen nicht überwälzen lassen, identifiziert der Marktmechanismus eben jene Stellen, wo Energie durch Produktionseinschränkung am ehesten eingespart werden sollte.
Dass wir derzeit mit weniger Energie auskommen müssen, ist der Grund für die Energiekrise. Insgesamt muss damit der Energieverbrauch kurzfristig sinken. Wo das konkret geschehen sollte, zeigt sich im Markt dort, wo Kunden die gestiegenen Kosten nicht über höhere Preise zu tragen bereit sind. Für die Betroffenen ist das unangenehm, gesamtwirtschaftlich ist dieses Verfahren jedoch um ein Vielfaches besser als die Alternative staatlicher Zuteilung.
Vor allem wird der Energiepreisschock – anders als die Corona-Pandemie – wohl kein temporäres Phänomen bleiben. Vielmehr dürften insbesondere die Gaspreise auf absehbare Zeit bei einem Vielfachen des Vorkrisenniveaus verharren. Unternehmen müssen also ihre Geschäftsmodelle an diese neuen Kostenstrukturen anpassen. Preisbremsen zum Wohle von Unternehmen sind dann für den Staat nicht nur teuer, sondern verschleppen auch die notwendige Anpassung der Firmen an die neue Realität.
Der Preisschock kann in Einzelfällen zu Geschäftsaufgaben oder harten Sanierungsschritten zwingen. Auch hier kann der Staat mit sozialpolitischen Hilfen Betroffenen gezielt unter die Arme greifen, statt sie mit Preismanipulationen dauerhaft abzuschirmen.
Der Verweis auf drohende Konkurrenz aus dem Ausland zieht auch nicht wirklich. Wenn im Inland Produktion eingeschränkt und vermehrt auf ausländische Vorprodukte zurückgegriffen wird (wie derzeit in der Chemieindustrie), ist das ein Beitrag zur Kriseneindämmung, weil so Gas für andere – offenkundig weniger gut ersetzbare – Verwendungen frei wird. Schließlich fängt der Wechselkurs einen Teil der notwendigen Preisanpassungen für diejenigen Unternehmen ab, die im internationalen Wettbewerb stehen.
Die Energiekrise würde dramatisch eskalieren, falls infolge einer Gasmangellage durch Behörden industrielle Großverbraucher abgeschaltet werden müssten. In diesem Falle drohen nicht nur weitere Produktionsausfälle in den gasintensiven Industrien selbst, sondern auch in den nachgelagerten Produktionsstufen.
Wird das Gas dagegen an jene zugeteilt, die dafür den höchsten Preis zu zahlen bereit sind, schafft das die damit verbundenen Wohlstandsverluste nicht aus der Welt. Aber es reduziert sie auf das gesamtwirtschaftlich geringstmögliche Niveau. Preissubventionen schaffen hingegen nur die Illusion eines weniger bedrückenden Engpasses. Damit verringern sie notwendige Anpassungen und beschwören noch weitaus bedrohlichere Risiken herauf.
Hinweis: Der Beitrag erschien am 3. Januar 2023 in Business Insider.
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