Ein schwacher Hoffnungsschimmer für den deutschen Wohnungsbau?

Eigentlich müssten in Deutschland mehr Wohnungen gebaut werden. Seit dem letzten Zensus 2011 ist die Zahl der Einwohner in Deutschland um etwa vier Millionen gestiegen, gleichzeitig wurden in diesem Zeitraum rund drei Millionen neue Wohnungen fertiggestellt. Dies ist zu wenig, da es Abgang gibt und neben der Zuwanderung aus dem Ausland auch Binnenmigration in die Ballungsräume für Wohnungsbedarf sorgt. In keinem der letzten Jahre wurde die im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankerte Zielmarke von 400.000 fertiggestellten Wohnungen erreicht.

Als Folge dieses Auseinanderlaufens sind die Wohnungsmieten insbesondere in den Ballungsräumen stark gestiegen. Doch in den letzten Monaten brachen Auftragseingänge und Baugenehmigungen im Wohnungsbau massiv ein, weil ein Cocktail aus steigenden Finanzierungszinsen, steigenden Baukosten, geopolitischen Krisen und einem zuweilen erratisch anmutendem Regulierungsumfeld den Wohnungsbau verteuerten und für erhöhte Unsicherheiten bei privaten und institutionellen Investoren sorgten. Dies wird zunächst die Lage für Wohnungsmieter weiter verschärfen, gleichzeitig dürfte diese Dynamik auch starke gesamtwirtschaftliche Bremsspuren hinterlassen (Just, 2023a; Just, 2023b).

Gerade weil die Bauwirtschaft mit einem Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukt von über 11% gesamtwirtschaftlich bedeutsam ist, und weil die Frühindikatoren Auftragseingang und Baugenehmigungen nur mit Zeitverzug publiziert werden, gilt es die Entwicklung möglichst in Echtzeit abzubilden. Neben den umfragebasierten Stimmungsindikatoren wie dem ifo-Geschäftsklimaindex, hat sich dafür in den letzten Jahren etabliert, auf das Suchinteresse nach bestimmten Begriffen über die Suchmaschine Google zu achten[1], weil einem Immobilienkauf in der Regel eine umfangreiche Informationsbeschaffung über das Internet vorausläuft. Tatsächlich konnten in den letzten Jahren zahlreiche Studien zeigen, dass es zwischen dem Suchvolumen auf Google und immobilienwirtschaftlichen Indikatoren eine vorlaufende Beziehung gibt (Hohenstatt et al. (2011); Wu und Brynjolfsson (2015); Dietzel (2016)).

Für diesen Artikel haben wir vier unterschiedliche Suchindizes konzipiert, die jeweils auf einer Gruppe von Suchbegriffen fußen: Der Index „Neubau“ fasst Suchbegriffe eben zum Thema Neubautätigkeit zusammen (z.B. „Neubau“ plus „Wohnung“). In ähnlicher Weise basiert der Index „Finanzierung“ auf typischen Immobilienfinanzierungsbegriffen, der Index „Baustart“ fasst Begriffe, die eher aus der Perspektive der Unternehmer kommen könnten (z.B. „Bauunternehmen“ oder „Aushub“), und der letzte Index „Eigentumskauf“ enthält Suchbegriffe zum Immobilienerwerbe (z.B. „Haus kaufen“). Die folgende Abbildung illustriert die Entwicklung der vier Google-Suchvolumenindizes. Wir haben die Originaldaten um Saisonalitäts- und Trendkomponenten bereinigt; Abweichungen vom Trend können dann auch negative Wert ergeben.

Es ist zu erkennen, dass der Rückgang insbesondere in der Kategorie Eigentumskauf bereits vor der Zinswende einsetzte, dass sich der Abwärtstrend des Suchvolumens aber über das gesamte Jahr 2022 vollzog. Am aktuellen Rand zeigen zumindest zwei Suchgruppen (Eigentumskauf und Neubau) wieder leicht nach oben; die Kategorie Finanzierung scheint sich von niedrigem Niveau schon länger zu erholen.

Natürlich sind die Suchindizes zum Teil deutlich miteinander korreliert, gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die spezifische Auswahl an Suchbegriffen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Es ist ratsam, nicht auf einen einzigen Index zu achten, wenn man Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung der Bautätigkeit sucht.

In einem nächsten Schritt haben wir die absoluten Quartalsveränderungen der Suchindizes mit den absoluten Quartalsveränderungen ausgewählter immobilienwirtschaftlicher Parameter korreliert, hier dem Auftragseingang, der Zahl der Baugenehmigungen und dem EPX-Preisindex für Neubauwohnungen von Europace.[2] Es zeigt sich, dass unser Index für die Suchanfragen zum Neubau, zu den Baustarts und unser Eigentumskaufindex sowohl mit den Veränderungen des Auftragseingangs als auch mit jenem der Genehmigungszahlen korrelieren. Für den Index „Finanzierung“ lässt sich keine ähnlich hohe Korrelation feststellen. Für die Beziehungen zu den Immobilienpreisen gibt es sogar uneinheitliche Signale der Google-Indikatoren. Für diese Korrelationsmatrix wurden keine Lags berücksichtigt; weil v.a. Auftragseingänge und Genehmigungsdaten aber mit Verzögerung publiziert werden, würde ein solcher Nowcast am aktuellen Rand quasi-prognostische Qualität haben.

Werden zusätzlich Lag-Strukturen berücksichtigt, lässt sich nicht nur die Korrelationsbeziehung verbessern, es entsteht sogar ein tatsächlicher Vorlauf. Im Anhang haben wir ausgewählte Beziehungen zwischen den einzelnen Variablen mit Lag-Strukturen dargestellt.

Aus dieser kurzen Analyse lassen sich fünf Botschaften ableiten:

  1. Google-Suchverhalten können auch für Bau- und Immobilienmärkte in Deutschland genutzt werden. Es lässt sich zumindest für den Berichtsstand ein gewisser Vorlauf erkennen.
  2. Die leichte Erholung am aktuellen Rand bei den Suchvolumina könnte entsprechend als schwaches Signal verstanden werden, dass der Abschwung im Auftragseingang und bei den Genehmigungszahlen bald seinen zyklischen Tiefpunkt – ausgehend von niedrigem Niveau – erreicht haben könnte.
  3. Dies gilt insbesondere für die Suchinidizes Neubau und Eigentumskauf. Diese erfassen eher das Interesse, sie dürften also den unternehmens- und finanzierungsnahen Indizes eher vorauslaufen.
  4. Vorsicht ist natürlich geboten, weil die „Trendwende“ noch sehr jung ist und die Suchindizes zum Teil heftigen Schwankungen unterworfen sind. Die aktuelle Diskussion um erzwungene energetische Sanierungen von Wohnungen ist in den Daten nicht enthalten.
  5. Für diesen Beitrag wurde zur Veranschaulichung möglicher Beziehungen ein vereinfachter bivariater Ansatz gewählt. Für eine gründliche Analyse und Prognose müssen natürlich mehr Faktoren eingehen. Hier ging es allein darum, dass Google Trends als zusätzlicher Frühindikator verwendet werden kann, nicht darum, dass er als alleiniger Indikator hinreichend wäre.

Literatur:

Dietzel, Marian Alexander (2016). Sentiment-based predictions of housing market turning points with Google trends. In: International Journal of Housing Markets and Analysis 9(1), S. 108-136. .

Hohenstatt, Ralf, Manuel Käsbauer, and Wolfgang Schäfers (2011). „Geco“ and its potential for real estate research: Evidence from the US housing market. In: Journal of Real Estate Research 33(4), S. 471-506.

Just, Tobias (2023a). Aufschwung vorbei: Zinsen belasten Wohnungsbau schwer. In: Wirtschaftsdienst 103(1), S. 20-23.

Just, Tobias (2023b). Alle Hochbausegmente unter Druck – einige auch längerfristig. Bauwirtschaft: Droht ein Absturz in der Baubranche? In: ifo schnelldienst 76 (1), S. 10-13.

Wu, Lynn, and Erik Brynjolfsson (2015). The future of prediction: How Google searches foreshadow housing prices and sales. In: Goldfarb, A. Shane, M. Greenstein and Catherine E. Tucker [Hrsg.]. Economic analysis of the digital economy. University of Chicago Press, S. 89-118.

Anhang: [3]


[1] Mit Hilfe von Google Trends lässt sich dieses Suchinteresse erfassen. Wichtig ist, dass keine absoluten Suchvolumina publiziert werden, sondern jeweils nur ein Suchindex, der das Interesse nach bestimmten Suchbegriffen im Verhältnis zur gesamten Suchanfrage über Google abbildet. Der jeweilige Zeitpunkt mit dem höchsten Suchinteresse erhält den Wert 100. Der Suchindex kann damit nur Werte zwischen Null und 100 annehmen.

[2] Dabei wurden konkret folgende Daten verwendet: Baugenehmigungen nach veranschlagten Kosten des Bauwerks für Wohn- und Nichtwohngebäude; Auftragseingang in Gesamtdeutschland für Wohnungsbau; Auftragseingang für Wohnungsbau; Europace Hedonischer Hauspreisindex EPX Gesamtindex

[3] Quartalsveränderung als absolute Veränderungen berechnet

Marian Dietzel und Tobias Just
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Eine Antwort auf „Ein schwacher Hoffnungsschimmer für den deutschen Wohnungsbau?“

  1. Vielen Dank für diesen interessanten und informativen Beitrag! Ich finde es faszinierend, dass die Bauwirtschaft einen solchen hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat. Ebenso interessant ist die Beobachtung, dass der Index „Baustart“ aus der Sicht der Unternehmer, wie z.B. Bauunternehmen oder Baufirma, kommen könnte. Besten Dank für diesen tollen Artikel!

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