Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Aber er muss nicht so teuer sein, wie es die politischen Diskussionen vermuten lassen. Auch ließe sich Klimaschutz ohne die Aufgeregtheit unserer Zeit realisieren.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat kürzlich bemerkenswerte Umfrageergebnisse veröffentlicht. Laut der EIB-Klimaumfrage sprechen sich 56 % der Deutschen für eine Begrenzung des individuellen Konsums aus. Sie wären „…für ein CO2-Budget, bei dem jede Person pro Jahr nur eine begrenzte Anzahl an Emissionsrechten für CO2-intensive Dinge erhält (wie nichtessenzielle Güter, Flüge oder Fleisch)“. Das Umfrageergebnis passt gut zu den vielen Diskussionen unserer Zeit über das, was der Einzelne in Zeiten des Klimawandels überhaupt noch tun darf, wo Verzicht angebracht ist und wo der Staat notfalls Verbote aussprechen sollte.
Nun weiß man nicht so genau, ob die Befragten sich im Klaren darüber sind, welcher Verzicht auf sie zukäme, wenn restriktive, individuelle CO2-Budgets tatsächlich in die Praxis umgesetzt würden. Das Bekenntnis zum Klimaschutz ist schnell abgelegt. Die eigene Lebensweise auf ernsthaften Klimaschutz umzustellen, ist aber eine ganz andere Sache. Der soeben gescheiterte Berliner Volksentscheid für ehrgeizigere Klimaziele hat das gerade offengelegt. Die heutzutage offenbar weit verbreiteten kognitiven Dissonanzen zu analysieren, wäre ein Thema für sich. Darum soll es hier aber nicht gehen.
Klimaschutz mit marktwirtschaftlichen Instrumenten
Stattdessen geht es in diesem Beitrag um die Frage, wie eine kostenminimierende Klimaschutzpolitik aussieht. Und dabei ist man schnell bei der Kernfrage: Soll auch in der Klimapolitik die Ineffizienz der Planwirtschaft einmal mehr getestet werden oder sollten wir nicht lieber auf die bewährte Effizienz der Marktwirtschaft setzen?
Marktwirtschaft und Klimaschutz – viele Kritiker der Marktwirtschaft sehen hierin einen inneren Widerspruch: Ist es nicht die Marktwirtschaft, die mit ihrem gewaltigen Wirtschaftswachstum den Klimawandel überhaupt verursacht hat? Ja und Nein. Nein, weil die sozialistischen Planwirtschaften Osteuropas eine weitaus schlechtere Umweltbilanz hatten als die westlichen Marktwirtschaften. Ja, weil die marktwirtschaftlich orientierten Länder lange Zeit blind waren für den Wert der Natur. Umweltschäden und deren Folgekosten spielten im wirtschaftlichen Kalkül lange keine Rolle.
Der englische Ökonom Arthur Cecil Pigou schlug deshalb bereits vor rund 100 Jahren vor, die sozialen bzw. ökologischen Kosten der Produktion oder des Konsums durch eine Steuer zu berücksichtigen. Denn die Umwelt braucht einen Preis. Die Wirtschaftsakteure richten ihr Handeln dann an diesen ökologisch ehrlicheren Preisen aus. Umwelt- bzw. klimaschädliches Verhalten wird dadurch tendenziell reduziert. Unternehmen erhalten Anreize, in die Erforschung und Entwicklung umwelt- und klimafreundlicher Produktion zu investieren, weil sie dadurch langfristig Geld, nämlich die Zahlung der Umweltsteuer, einsparen können.
Umweltsteuern und Emissionszertifikate
Es hat lange gedauert, bis die Idee von Pigou in die Praxis umgesetzt wurde. In Deutschland wurde die ökologische Steuerreform im Jahr 1999 eingeführt. Die Folge war u.a. eine höhere Mineralölsteuer. Aus klimapolitischer Perspektive gibt es ein noch besseres Instrument: Emissionszertifikate. Hier wird eine konkrete Höchstmenge an CO2-Emissionen festgelegt, die aus klimapolitischer Sicht als noch akzeptabel erscheint. Damit gibt es eine feste Obergrenze, die auch nicht durch hohe Zahlungsbereitschaften der Wirtschaftsakteure nach oben verschoben werden kann.
Wer CO2-Emissionen nicht vermeiden kann, muss Emissionszertifikate erwerben – also Zertifikate, die zur Emission von CO2 berechtigen. Der Handel dieser Zertifikate führt dazu, dass CO2-Emissionen dort eingespart werden, wo die Einsparung besonders leichtfällt bzw. dort, wo die Vermeidung von CO2-Emissionen zu geringen Kosten möglich ist. Oder andersherum: Die Zertifikate landen letztlich bei den Unternehmen, die sie wirklich dringend benötigen, weil sie im Produktionsprozess CO2-Emissionen nicht vermeiden können, und die deshalb eine hohe Zahlungsbereitschaft haben.
Die Informationen darüber, wo die Vermeidungskosten am niedrigsten sind, sind dezentral verteilt. Der Staat verfügt nicht über diese Informationen. Und er braucht sie auch nicht. Jeder Akteur, der wirtschaftlich denkt, wird sich überlegen, was günstiger ist: den Preis für ein Emissionszertifikat zu bezahlen oder auf die Emission zu verzichten. Fällt es den Wirtschaftsakteuren insgesamt leicht, CO2-Emissonen zu vermeiden, dann ist das Ergebnis ein niedriger Zertifikate-Preis, weil die Nachfrage nach Emissionszertifikaten gering ist. Ist es aber schwierig bzw. kostspielig, die Emissionen zu vermeiden, dann ist die Nachfrage nach Zertifikaten hoch und ihr Preis steigt. Entscheidend ist: Auf die Menge der Gesamtemissionen hat das alles keinen Einfluss. Die Menge ist politisch begrenzt. Der Preis passt sich entsprechend an. Handelbare Emissionszertifikate sind deshalb ein kosteneffizientes Verfahren, um klimaschädliche CO2-Emissionen auf ein politisch vorgegebenes, verträgliches Maß zu reduzieren.
Die Europäische Union hat bereits im Jahr 2005 das Europäische Emissionshandelssystem (EU-EHS) installiert, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das EU-EHS umfasst 30 Länder, nämlich alle 27 EU-Länder sowie Norwegen, Island und Liechtenstein. Insgesamt werden dadurch die Emissionen von rund 10 000 energieintensiven Anlagen erfasst, vor allem aus der Stromerzeugungsindustrie und der Verarbeitenden Industrie. Damit werden rund 36 % der Treibhausgasemissionen in der EU abgedeckt. Auch der innereuropäische Luftverkehr ist seit 2012 in das EU-EHS einbezogen. Aktuell liegt der Preis für ein Zertifikat, das zur Emission von einer Tonne CO2 berechtigt, bei 85 Euro. In Europa sind die Emissionen der vom Emissionshandel erfassten Sektoren seit 2005 um 36 % gesunken. In Deutschland gibt es seit 2021 zudem den nationalen Emissionsrechtehandel für die Sektoren Wärme und Verkehr.
Kosteneffizienz: Tief hängende Früchte zuerst pflücken
Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?
- Der Vorwurf vieler Aktivisten, klimapolitisch würde nichts geschehen, ist falsch. Mit Umweltsteuern und vor allem mit dem weltweit größten Emissionsrechtehandel werden in der EU und in Deutschland schon lange Instrumente eingesetzt, die zur Senkung der Treibhausgasemissionen beitragen.
- Der Emissionshandel sorgt dafür, dass die niedrig hängenden Früchte zuerst gepflückt werden. Da es für das Weltklima egal ist, wo die Emissionen vermieden werden, sollten alle Anstrengungen auf eine Ausweitung des Emissionshandels gelenkt werden. Statt in Deutschland (und Europa) krampfhaft und mit erheblichem finanziellem Aufwand sämtliche Emissionen vermeiden zu wollen, wäre es wohl deutlich günstiger, zunächst die tiefer hängenden Früchte auch in anderen Teilen der Welt zu pflücken. Dafür könnten ärmere Länder finanziell unterstützt werden.
- Für eine kosteneffiziente Klimapolitik ist nur eine einzige politische Entscheidung nötig: Wie hoch dürfen die CO2-Emissionen künftig noch sein? CO2-Emissionen werden durch die handelbaren Emissionsrechte zu einem knappen Gut. Der Umgang mit knappen Gütern wird nachweislich am besten vom Markt geregelt. Damit würde Klimaschutz allerdings zu einer relativ geräuschlosen Veranstaltung. Die Preise für CO2-Emissionen werden sukzessive steigen und somit auch die Preise für besonders klimaschädliche Waren und Dienstleistungen. Die Bürger müssen immer mal wieder ihr Verhalten anpassen und sie würden sicherlich über steigende Preise jammern. Doch das ist wahrlich nichts Neues. Die Marktwirtschaft sorgt allerdings dafür, dass das Jammern auf das geringstmögliche Maß reduziert wird. Wahrscheinlich würde auch das gesellschaftliche Klima wieder etwas entgiftet, wenn der Klimaschutz ausschließlich über Preise gesteuert wird und nicht mehr durch erratische Vorschläge regulierungsfreudiger Politiker, Aktivisten, Freunde oder Nachbarn.
Kostentransparenz statt teurer Verbote
Eine kosteneffiziente Klimapolitik ist nicht umsonst. Aber sie ist deutlich billiger, als das Klima durch detaillierte Auflagen und Verbote schützen zu wollen. Manche Kritiker meinen hingegen, auf Zertifikate allein zu setzen sei zu teuer. Der Preis für die Emissionszertifikate würde durch die Decke gehen, wenn ergänzend nicht auch Verbote als klimapolitisches Instrument eingesetzt würden.
Doch das stimmt eben gerade nicht. Der Preis, der beim Emissionshandel entsteht, macht die Kosten der Klimaschutzpolitik lediglich transparent. Billiger geht es nicht, auch nicht mit Verboten. Wer glaubt, dass Verbote kostenlos oder zumindest billiger zu haben sind, hat vermutlich noch nie etwas von Opportunitätskosten gehört. Sie entstehen durch entgangenen Nutzen. Würde man zum Beispiel das Autofahren verbieten, dann würden die meisten Menschen dadurch keine direkten finanziellen Kosten haben. Sie würden sogar Geld sparen, weil sie kein Auto mehr bräuchten und kein Benzin mehr kaufen müssten. Aber ihnen würde der gesamte Nutzen entgehen, der ihnen durch das Autofahren entsteht. Und diesen Nutzen bewerten die Menschen offenkundig höher als die Kosten des Autofahrens, denn sonst hätten sie sich aus Kostengründen ja längst gegen das Autofahren entschieden.
Unglücklicherweise ist die öffentliche Diskussion über die richtige Klimaschutzpolitik vollgepackt mit planwirtschaftlichen Ideen. So entspringt der Ansatz der eingangs zitierten EIB-Klimaumfrage, jedem nur noch ein begrenztes CO2-Budget für seine Lebensführung zuzugestehen, einer planwirtschaftlichen Logik: Jeder Bürger soll den gleichen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen leisten. Die Logik findet sich bisher auch bei den sektorspezifischen Minderungszielen wieder: Jeder Sektor soll einen spezifischen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen leisten. Hier beabsichtigt die Regierungskoalition nun als Ergebnis des jüngsten Koalitionsausschusses erfreulicherweise umzusteuern. Und letztlich ist auch die Fixierung auf nationale Klimaziele ineffizient, wenn doch im Ausland die CO2-Vermeidungskosten oft geringer sind. Für den Umweltökonomen Joachim Weimann ist es sogar ein Kardinalfehler, Klimaschutz insbesondere als nationale Aufgabe zu verstehen. Auch der Sachverständigenrat („Wirtschaftsweise“) hatte 2019 in einem Sondergutachten dafür plädiert, den Zertifikatehandel auszuweiten. So sollten die Sektoren Verkehr und Gebäude bis 2030 in das EU-EHS einbezogen werden. Voraussichtlich 2027 wird nun tatsächlich im Rahmen des Emissionshandels II die Bepreisung der Emissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr erfolgen. Zudem empfahl der Sachverständigenrat, das Vorgehen global zu koordinieren, weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist und Treibhausgase nicht an nationalen oder kontinentalen Grenzen halt machen.
Spätestens die Diskussion über ein mögliches Aus für Gas- und Ölheizungen hat vielen Bürgern die Augen geöffnet, dass sie der ökologische Umbau der Gesellschaft finanziell überfordern könnte. Die Kosten, die der Einzelne für Klimaschutzmaßnahmen aufbringen müsste, könnten ganze Lebenspläne durcheinanderbringen. Mit einem flächendeckenden Zertifikatehandel könnten die Kosten erheblich geringer ausfallen.
Und schließlich könnten sich auch die 56 % der eingangs erwähnten EIB-Umfrageteilnehmer freuen: Mit einem umfassenden Emissionshandelssystem bekämen sie ihr CO2-Budget. Nur nicht individuell, sondern in einer handelbaren Version für die Volkswirtschaften insgesamt – dafür aber ganz sicher billiger und mit weniger Eingriffen in die persönliche Handlungsfreiheit.
- USA: Robuste Wirtschaft, wirtschaftspolitische Risiken - 23. November 2024
- Nach dem Ende der Ampel-Regierung
Wirtschaftspolitischer Neustart nötig - 8. November 2024 - US-Präsidentschaftswahlen (3)
Wirtschaftspolitik auf Abwegen? - 23. Oktober 2024
Eine Antwort auf „GastbeitragEffizienter KlimaschutzNicht mit dem Kopf durch die Wand“