Industrie in der Krise?
Chef-Volkswirte antworten (1)
ZVEI (Verband der Elektro- und Digitalindustrie)

Die deutsche Wirtschaft stagniert seit Jahren. Der für dieses Jahr erwartete Aufschwung ist ausgefallen. Stattdessen häufen sich die Negativmeldungen aus der Wirtschaft. Wir haben bei drei großen Wirtschaftsverbänden (VCI, VDMA, ZVEI) nachgefragt: 1. Wie ist die wirtschaftliche Lage in Ihrer Industrie? 2. Was sind die drei größten Probleme? 3. Welche drei wirtschaftspolitischen Maßnahmen sind besonders wichtig? Heute: ZVEI (Verband der Elektro- und Digitalindustrie)

1. Wie ist die wirtschaftliche Lage in Ihrer Industrie?

Mit 900.000 Beschäftigten ist die deutsche Elektro- und Digitalindustrie der zweitgrößte Arbeitgeber im Verarbeitenden Gewerbe hierzulande. Nach der Corona-Pandemie hatte sich die Branche sehr schnell erholt. So ist die reale – also preisbereinigte – Produktion der Elektrofirmen 2021 um neuneinhalb Prozent gewachsen. Auch 2022 ging es noch um gut zweieinhalb Prozent vorwärts. 2023 hat der aggregierte Output dann allerdings stagniert, und 2024 verlief bislang äußerst schwach. Hier erwartet der ZVEI inzwischen einen Produktionsrückgang um sieben Prozent. Entsprechend gedrückt ist die Stimmung. Sowohl die gegenwärtige Lage als auch die allgemeinen Geschäftserwartungen werden unterm Strich derzeit negativ beurteilt.

2. Was sind die drei größten Probleme?

Als aktuell größtes Produktionshemmnis benennen die Unternehmen der heimischen Elektroindustrie einen Mangel an Aufträgen. Fast 60 Prozent der Firmen sind hiervon betroffen. In den ersten drei Quartalen 2024 hat die Branche insgesamt zehn Prozent weniger neue Bestellungen erhalten als im gleichen Vorjahreszeitraum. Ihren gegenwärtigen Auftragsbestand bewerten die Elektrounternehmen zudem als zu gering.

Weiter leiden die Firmen unter zu viel Bürokratie und Regulierung. Der Erfüllungsaufwand ist mittlerweile einfach zu hoch und hat speziell in den vergangenen drei, vier Jahren nochmals deutlich zugenommen. Zu nennen sind hier etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die Nachhaltigkeitsberichterstattung oder das CO2-Grenzausgleichsystem, kurz: CBAM. Beschäftigte, die sich mit Berichtspflichten herumschlagen müssen, fehlen in den produktiven und wertschöpfenden Bereichen. Das treibt die Kosten in die Höhe.

Schließlich bleibt der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung eine Herausforderung. Mehr als ein Viertel der Beschäftigten in der deutschen Elektro- und Digitalindustrie ist heute älter als 55 Jahre und muss in den nächsten zehn Jahren entsprechend ersetzt werden.

3. Welche drei wirtschaftspolitischen Maßnahmen wären besonders wichtig?

Es braucht massiven Bürokratieabbau, und zwar auf nationaler wie europäischer Ebene.

Zudem muss eine Unternehmenssteuerreform her. Die letzten größeren Bemühungen in diese Richtung liegen inzwischen rund zwei Jahrzehnte zurück. Laut OECD liegt die effektive Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland etwa deutlich über dem Durchschnitt der G20-Länder, mit denen wir auf den Weltmärkten konkurrieren. Bessere Abschreibungsmöglichkeiten würden Investitionen begünstigen.

Schließlich tritt die exportstarke deutsche Elektrobranche für offene Märkte und Freihandel ein. Handelsbarrieren und protektionistische Maßnahmen, die weder der Herstellung eines Level-Playing-Fields noch der Wahrung nationaler Sicherheit dienen, müssen via Freihandelsabkommen und Rohstoffpartnerschaften abgebaut werden.

Andreas Gontermann

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