Sowohl auf der Mikroebene der Unternehmen als auch auf der Makroebene der Staaten beobachten wir zahlreiche Aktivitäten formal selbständig oder souverän bleibender Organisationen, ihre jeweiligen Grenzen durch institutionalisierte Kooperationen auszuweiten, also ihre Aktivitätsspielräume zu erweitern und auf diese Weise eine Kooperationsrente zu erzielen. Doch dies hat seinen Preis. Die „neue Abhängigkeit“ fehlt häufig im Kooperationskalkül.
Einschränkung von Verhaltensspielräumen
Die Mechanismen, die dazu führen sollen sind u.a. Größen-, Vielfalts- und Risikovorteile und zwar sowohl statisch als auch dynamisch. Letztlich geht es um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Dritten. Bei aller Unterschiedlichkeit der betrachteten Organisationen, einerseits Staaten und andererseits Unternehmen, soll hier eine Gemeinsamkeit herausgearbeitet werden, die letztlich den grundlegenden Erfolgsfaktor von Kooperationsprojekten aller Art beinhaltet. Obwohl die Bedeutung dieses Faktors trivial ist, wird er häufig missachtet: Die Zusammenarbeit, die neue Spielräume schaffen soll, schränkt daneben Verhaltensspielräume ein.
Management von Unternehmensgrenzen
Selbständig bleibende Unternehmen verbünden sich zunehmend zu größeren Netzwerken, sie ergänzen oder verstärken sich durch eine Zusammenarbeit in unterschiedlichsten Bereichen und Formen: vertraglich, durch die Gründung gemeinsamer Gesellschaften oder auch nur durch Vereinbarung. Manche Branchen sind heute weitgehend „kooperativ“ organisiert. Nicht die einzelnen Unternehmen, sondern Netzwerke stehen zueinander im Wettbewerb.
Ein Element dieses Organisationskalküls ist die Abwägung zwischen Fusionen/Unternehmenskäufen oder eben einer Kooperation. Im ersten Fall werden die Unternehmensgrenzen real nach außen geschoben, die Unternehmen größer. Im zweiten Fall bleiben die Unternehmen real in ihren Grenzen, erweitern ihren Aktivitätsraum jedoch virtuell. Es geht also um das Management von Unternehmensgrenzen. Als ein aktuelles Beispiel möge die Automobilindustrie dienen mit ihren vielfältigen horizontalen und vertikalen Netzwerken, in deren Kern die Automobilproduzenten stehen. Nicht alle Kooperationen sind erfolgreich: Manche scheitern und werden aufgelöst, manche erwartete Kooperationsrenten sind geringer als erwartet, manche Netzwerke scheitern wegen einer nicht akzeptierten Aufteilung der Kooperationsrente.
Management von Staatsgrenzen
Auch auf der Ebene der Staaten erleben wir vergleichbare Aktivitäten, wenngleich sie meist nicht in diesen Kategorien analysiert werden, sondern von wirtschaftlichen und politischen Integrationsaktivitäten gesprochen wird. Dennoch entsprechen sich die Kalküle: die Zusammenarbeit soll Vorteile ermöglichen, die alleine nicht erreichbar scheinen. Diese können, müssen aber nicht, wirtschaftlicher Natur sein. Manchmal stehen politische oder gesellschaftliche Renten im Vordergrund, die erreicht werden sollen. Sie können in die oben angeführten Kategorien bei Unternehmen problemlos eingeordnet werden. Auch hier gilt es zwischen typischen Organisationsmustern zu entscheiden.
Eine supranationale Zusammenarbeit auf einzelnen Sachgebieten verringert die einzelstaatliche Souveränität, meist werden gemeinsame Institutionen geschaffen. Man denke an die Euro- Währungsunion. Die äußerste Form der supranationalen Zusammenarbeit ist die politische Vereinigung vormals souveräner Staaten, also einer umfassende Zusammenarbeit bei allen staatlichen Aufgaben. Die intergovernmentale Zusammenarbeit belässt die Kompetenzen bei den Kooperationspartnern, Entscheidungen sind diskretionär anhand vereinbarter Regeln zu finden.
Auch hier geht es um das Management von Grenzen, letztlich von Staatsgrenzen, auch differenziert nach einzelnen Aufgaben. Auch hier können Grenzen real oder virtuell verschoben werden. Diese Spielarten der Kooperation lassen sich in der Europäischen Union sehr gut analysieren: Die gemeinsame Währung als eines der supranationalen Elemente in einem Geflecht zahlreicher intergovernmentaler Vertragselemente. Auf der Unternehmensebene würde dies einer vertraglichen Zusammenarbeit entsprechen, die für manche Aufgaben Joint Ventures gegründet hat.
Kooperation bedeutet Abhängigkeit
Sowohl das Management von Unternehmensgrenzen als auch jenes von Staatsgrenzen stellt hohe Anforderungen an die jeweiligen Manager, die im zweiten Fall Politiker sind. Diesen Anforderungen, die sowohl strategischer als auch operativer Natur sind, steht keine Erfolgsgarantie gegenüber. Hinter beiden Arten von Kooperationsprojekten steht, reduziert auf den Kern, ein Kalkül in dem die angestrebten Vorteile für die einzelnen Partner den Kosten gegenüber gestellt werden. Diese lassen sich letztlich auf den Verlust von Handlungsspielräumen reduzieren.
Kooperation bedeutet Abhängigkeit von den Kooperationspartnern: Ein Konsens muss gefunden werden, Überstimmungen sind möglich, Ergebnisse wider die eigenen Interessen können nicht ausgeschlossen werden. Während im einzelwirtschaftlichen oder einzelstaatlichen Kalkül davon auszugehen ist, dass Teile der Souveränität formell oder faktisch abzugeben sind, bleibt der Wunsch den Souveränitätsverlust geringstmöglich zu halten. Daraus leitet sich ab, dass mit einer Kooperation immer Rechte und Pflichten verbunden sind.
Inhärente Moral Hazard-Gefahr       Â
Wie ist damit umzugehen und weshalb handelt es sich letztlich um Managementaufgaben? Erstens ist zu isolieren, welche Faktoren sich auf die Kooperation auswirken (können), selbst wenn sie nicht Teil der Kooperation sind. Wie hinlänglich bekannt sind dies zB die Staatshaushalte im Falle einer „Währungskooperation“. Auf Unternehmensebene sind dies etwa die unternehmerischen Qualitätsstandards im Rahmen einer Markenkooperation. Werden sie in eine Kooperationsvereinbarung nicht einbezogen, sind Probleme in der Kooperation nicht zu vermeiden.
Zweitens gilt es, Regeln über die Handhabung dieser Faktoren zu vereinbaren, die ein Verhalten der Kooperationspartner im Sinne der gemeinsamen Kooperationsziele nahelegen, selbst wenn diese kurzfristig gegen die eigenen Interessen verstossen. Es geht um nichts anderes als um das Vorbeugen eines Moral Hazard-Verhaltens von Partnern in Kooperationen. Es ist also zu verstehen, dass die Kooperationsrente vom Verhalten der Einzelnen abhängt, das sie aushöhlen kann, selbst wenn es um Aktivitäten geht, die außerhalb der Kooperation liegen. Die aktuellen Entwicklungen in der Euro-Währungsunion haben diesen Zusammenhang auf der Makroebene sehr plastisch gemacht. Bei der Kooperation von Unternehmen kommt Moral Hazard zum Tragen zB beim „Absaugen“ und der einzelwirtschaftlichen Verwertung von Wissen der Kooperationspartner oder bei der Verletzung von Qualitätsstandards durch Zulieferer oder in Teamproduktionen.
Regeln für kooperationsorientiertes Verhalten
Kooperationsverträge müssen im Ergebnis adäquate Verhaltensregeln enthalten, die alle Faktoren beeinflussen, die Einfluss auf die Kooperationsrente nehmen können. Häufig wird in der Praxis darauf verzichtet und in den meist folgenden Konfliktfällen auf den „Geist der Verträge“ o.ä. verwiesen, der ein bestimmtes Verhalten nahegelegt hätte. Die Konsequenzen liegen auf der Hand. Es ist selbstverständlich, dass Sanktionen und deren automatisches Greifen Teil der Regeln sein müssen. Die Einschränkung der Verhaltensspielräume der Einzelnen sind sowohl bei Unternehmens- als auch bei Staatskooperationen meist deutlich größer als jene, auf die man sich vertraglich einigen konnte. Nur ein kooperationsorientiertes Verhalten sichert jedoch die angestrebte Kooperationsrente. Im Konfliktfall werden regelmäßig die dezentralen Lösungen gewählt wie uns die Geschichte von Unternehmen und Staaten zeigt.
Dieser an sich simple Zusammenhang wird im „Tagesgeschäft“ sehr oft vernachlässigt. Die Konsequenzen sind anhaltende strukturelle Ungleichgewichte zwischen den Partnern, eine abnehmende Performance und eine sinkende Akzeptanz der Kooperation. Wurde zusätzlich auf Exit-Regeln und/oder auf Regeln zur Anpassung der Kooperationsgovernance verzichtet, verschlimmern sich die Probleme kontinuierlich. Das Krisenmanagement soll dann Lösungen finden.
Kooperationsmanagement
Ob die angemahnten Regeln tatsächlich Vertragsbestandteile werden, hängt von der Qualität des Kooperationsmanagements ab. Jede Kooperation benötigt ein solches. Dieses Verständnis hat sich für die Zusammenarbeit von Unternehmen allmählich durchgesetzt. Weniger problembewusst sind kooperierende Staaten, bei denen das Kooperationsmanagement immer öfter zu einem Krisenmanagement verkommt, anstatt von Anfang an Strukturen für ein strategisches und operatives Management zu schaffen, das den Umgang mit Abhängigkeit und eingeschränkten Verhaltensspielräumen der Partner offensiv angeht. Obwohl anzuerkennen ist, dass die Managementaufgaben bei staatlichen Kooperationen komplexer sind, soll in einem der folgenden Beiträge die Übertragbarkeit des Kooperationsmanagementmodells für Unternehmen auf Staaten geprüft werden.