Wenn Großbritannien fehlt

1.  Wenn Großbritannien fehlt, gewinnt die Industriepolitik in der EU

Der Brexit verändert die institutionelle Infrastruktur in Europa. Wenn nämlich Großbritannien aus der EU austritt, dann verschieben sich die ordnungsökonomischen Schwerpunkte in der Gemeinschaft: Es fehlt dann der grundsätzlich marktwirtschaftlich, wettbewerbsorientiert,  dezentral-subsidiär und im Prinzip protektions-avers angelegte Integrationsentwurf der Briten, der im klassischen Liberalismus angelsächsischer Prägung seine traditionellen Wurzeln hat. Dagegen verstärkt sich der eher zentralistisch angelegte staatlich gesteuerte korporatistische Planungsansatz französischer Prägung, denn es gibt nun kein großes Mitgliedsland mehr als Gegenpol, als veto-potenten „Störenfried“ in der EU. Das kommt auch den Intentionen und Integrationsansätzen der EU-Kommission und des Parlaments entgegen, deren Integrationsstrategien sichtbar auf ein schnelleres gesteuertes Integrationstempo zu einer „ever closer union“ gerichtet sind.

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Wie hart soll die EU bei Neuverhandlungen des Brexits verhandeln?

Unter Ökonomen – sowohl auf dem europäischen Festland wie auch auf der britischen Insel – gibt es vergleichsweise wenig Zweifel daran, dass die Europäische Union, insbesondere die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit und freier Kapital- und Zahlungsverkehr), für alle Seiten vorteilhaft ist. Trotzdem verliert die EU in vielen Ländern zunehmend an Zustimmung, sodass inzwischen das Vereinigte Königreich das Verfahren zum Austritt aus der EU eingeleitet hat. Niemand weiß genau, wie es zu diesem „Betriebsunfall“ kommen konnte. Vermutlich haben jedoch zumindest die folgenden drei Faktoren einen spürbaren Einfluss ausgeübt: (a) Die EU ist immer stärker bestrebt, ihre Kompetenzen auszuweiten (Vertiefung der EU) und sich räumlich auszudehnen (Erweiterung). Dies führt nicht nur zu einem gefühlten Einflussverlust der Bürger auf die Politik, sondern auch zu steigenden Anreizen zum intraeuropäischen Trittbrettfahren (z.B. Verschuldung zu Lasten anderer Nationen). (b) Die europäische Staatsschuldenkrise, die sich zeitweise sogar zu einer ernsten Währungskrise entwickelte, unterhöhlt das Vertrauen in die Wirksamkeit des europäischen Regelsystems. (c) Es herrscht offensichtlich ein großer Dissens darüber, wie mit Migrationsströmen umgegangen werden soll. Prinzipiell aufnahmewillige Länder fürchten dann ein Trittbrettfahrerverhalten durch die Länder, die jede Aufnahme verweigern. Umgekehrt wollen sich letztere Länder nicht durch erstere bevormunden lassen.

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The day after
Politischer Poker um den Brexit

„Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen“ (Bertolt Brecht; Marcel Reich-Ranicki)

Das Brexit-Drama steuert auf einen (vorläufigen) Höhepunkt zu. Es könnte sein, dass das Vereinigte Königreich am 29. März 2019 ungeregelt aus der EU austritt. Der Brexit könnte so enden, wie er angefangen hat, mit einem Paukenschlag. Alles begann am 23. Juni 2016. Die Bürger des Vereinigten Königreichs entschieden sich in einem Referendum, aus der EU auszusteigen. Theresa May, die britische Premierministerin, reichte am 29. März 2017 das Austrittsgesuch nach Art. 50 EU-Vertrag in Brüssel ein. Nach 21-monatigen, zähen Verhandlungen kam es schließlich zu einer Vereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Das von der britischen Regierung akzeptierte Abkommen mit der EU wurde allerdings nach einigen zeitlichen Verschiebungen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Unterhaus abgeschmettert. Der vordergründige Stolperstein ist Irland. Um den Vertrag doch noch zu retten, ging Theresa May auf die Forderung des Unterhauses ein, mit der EU noch einmal zu verhandeln. Wichtigster Streitpunkt ist die irische Auffanglösung (Backstop). Die EU lehnt es allerdings weiterhin kategorisch ab, das vereinbarte Abkommen noch einmal zu öffnen. Ein „harter“ Brexit wird immer wahrscheinlicher.

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Europäische Fiskalunion?
Erfahrungen aus der Schweizer Bundesstaatsgründung von 1848

1          Einleitung[1]

Seit der Eurokrise und wird in regelmässigen Abständen von verschiedener Seite die Einführung einer Fiskalunion in der Eurozone gefordert. Die Vorschläge reichen von der Verschärfung fiskalpolitischer Regeln mit automatischen Sanktionsmechanismen bis hin zur Einführung eines Steuer- und Transfersystems. Allen Forderungen gemein ist die Vorstellung, dass eine Fiskalunion die Lösung für die wirtschaftlichen Probleme Europas ist. Zu den prominentesten Verfechtern einer Fiskalunion gehört der französische Präsident Emmanuel Macron. Er vertritt seit seinem Amtsantritt im Jahr 2017 die Ansicht, dass die Währungsunion eine politische Union brauche, was für ihn unter anderem die Einführung einer Fiskalunion bedeutet. Die EU, so Macron, benötige einen Eurofinanzminister und ein Eurozonenbudget, das mit einer eigenen Steuer finanziert werden soll. Seine Forderungen hat er in einer vielbeachteten Rede vor dem Europaparlament im Jahr 2018 wiederholt, in der er angesichts des Brexit und dem Aufschwung von euroskeptischen Protestparteien in EU-Mitgliedsländern vor einer politischen Spaltung Europas warnte.

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Das Brexit-Theater, wie lange noch?

Das Unterhaus des britischen Parlaments hat am 15. Januar das zwischen London und Brüssel ausgehandelte und von den EU-Staats- und Regierungschefs auf einem Sondergipfel am 25. November 2018 gebilligte Austrittsabkommen mit einer historisch überwältigen Mehrheit (432 gegen 202 Abgeordnete) abgelehnt. Die Chancen für einen geordneten Austritt fristgerecht am kommenden 29. März stehen damit schlecht. Die Folgen für (i) die Wirtschaft, besonders die britische, (ii) die Arbeitnehmer, die britischen in der EU-27 und die EU-Bürger im Vereinigten Königreich, sowie (iii) die Erasmus-Program-Schüler und Studierenden aus der jeweils anderen Seite des Ärmelkanals wären dramatisch.

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Noch ist das Vereinigte Königreich nicht verloren
Angst vor Sozialtourismus und Brexit-Nachahmern

„Tempora mutantur, nos et mutamur in illis“ (Ovid)

Der Brexit-Prozess gestaltet sich schwierig. Ein Ende ist nicht abzusehen. Das Vereinigte Königreich und die EU haben sich zwar auf ein auf der Insel umstrittenes Rahmenabkommen zur Scheidungsvereinbarung geeinigt. Der Europäische Rat hat es schon gebilligt. Theresa May muss es erst noch durch das Parlament bringen. Das scheint gegenwärtig ein schier hoffnungsloses Unterfangen. Sollte dies trotzdem gelingen, müssen sich EU und UK auf ein Handelsabkommen verständigen. Die EU hat dem Vereinigten Königreich in den langwierigen Verhandlungen vorgeworfen, es betreibe „Rosinenpicken“. Es wolle nur die für es guten Teile, die Rosinen, die schlechten wolle es dagegen entsorgen. Der Handel mit Gütern solle nach der Trennung möglichst so laufen wie bisher auch. Bei den Dienstleistungen sollen neue Wege gesucht werden. Das politisch Wichtigste für das Vereinigte Königreich ist, die Personenfreizügigkeit abzuschaffen. Die EU war von Anfang an der Meinung, die vier Grundfreiheiten für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen gibt es nur im Paket. Es solle nicht zugehen wie in einem Steinbruch, wo sich jeder nur die Steine nimmt, die ihm gefallen und den Schutt liegen lässt. Die EU hat sich durchgesetzt, bisher.

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Angst vor Sozialtourismus und Brexit-Nachahmern
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Remain, Britannia!

Ist der Dampfer bereits abgefahren? Das Publikum jedenfalls wendet sich – teils in Grausen, teils in desinteressierter Gelassenheit – ab. Großbritannien wird die Europäische Union verlassen. Das scheint sicher. Und längst ist es den meisten Menschen egal, ob dies mit einem Knall, dem harten Brexit, oder in einem langwierigen Gewürge – euphemistisch weicher Brexit genannt – passieren wird. Die EU-Oberen haben das Kapitel Brexit ebenfalls und in seltener Einmütigkeit abgeschlossen. Geh mit Gott, aber geh! Die Briten selbst haben sich politisch derart blockiert, dass jegliche Form des Brexits für sie zum Desaster werden wird: ökonomisch, politisch, sozial – vermutlich alles gleichzeitig.

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Gastbeitrag
Warum wird die ordnungspolitische Dimension der Eurozone unterschätzt?
Aufruf der 154 (+)

Am 21. Mai 2018 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein neuerlicher Ökonomenaufruf. 154 Professoren unterzeichneten ein Papier, in dem auf die Gefahren einer Haftungsunion in der Eurozone hingewiesen und eine Reihe von Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung gefordert werden.

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Warum wird die ordnungspolitische Dimension der Eurozone unterschätzt?
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Open letter to the President of the European Council

19 March 2018

Dear Mr Tusk

I am writing to you on behalf of the European Constitutional Group following its meeting in Prague on March 1-3, 2018 and subsequent communication. (list of members attached).

We last wrote to you in December 2015 when we warned against the divisions facing the Union. We made recommendations that would bring EU decision-making closer to its citizens. Since then the UK has voted in favour of leaving the Union and political debate, both within and between member states, has become even more polarized.

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