Trennbank vs. Universalbank?
Missverständnisse und Randnotizen in einer aktuellen Diskussion

In der nicht enden wollenden Finanzmarktkrisenbewältigungsdiskussion wurde jüngst ein Thema an die Oberfläche gespült, das weder neu ist noch für die breite Öffentlichkeit besonders attraktiv erscheint: Dürfen Banken sowohl Wertpapierhandel auf eigene Rechnung betreiben als auch das normale Einlagen-/Kreditgeschäft mit ihren Kunden?

Ausgangspunkt der plötzlichen Publizität war dann auch weniger das Thema an sich, sondern sein Aufgreifen in zwei kurz hintereinander auftretenden Initiativen: Dem Steinbrück-Papier „Vertrauen gewinnen: Ein Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte“ sowie den „Final Report“ der „High-level Expert Group on reforming the structure oft he EU banking sector“ (man sehe mir nach, dass ich diese überaus bescheidene Titulierung ohne Übersetzung übernehme) unter dem Vorsitz von Erkki Liikanen. Damit kommt man schon zur ersten Randnotiz: Ist diese praktische Koinzidenz ein Zufall bzw., wenn nein, welcher Zusammenhang besteht hier? Beide Papiere umfassen mehr als die Frage nach der Abtrennung des Eigenhandels vom eigentlichen Kundengeschäft der Banken, beide wurden über einen längeren Zeitraum von Experten erarbeitet und beide stimmen – bei allen Unterschieden in Details – in der Kernbotschaft der Trennung überein. Angesichts der vielfach komplexen Ausführungen, die in der öffentlichen Berichterstattung allenfalls teilweise reflektiert werden, würde ein „acting in concert“ jedenfalls auch eine Abstimmung auf der zweiten Ebene erfordern, denn er erscheint durchaus fragwürdig, dass die beiden Gallionsfiguren Steinbrück und Liikanen verwendete Begriffe wie „value at risk“ oder „expected shortfall“ jemals in ihrer mathematischen Basisdefinition zur Kenntnis genommen haben. Damit dürfte aber wahrscheinlicher sein, dass Steinbrück in Kenntnis der Bestellung des Expertengremiums und seiner Kernthemen durch die EU-Kommission sowie einer zu erwartenden Grundtendenz der Ergebnisse seine eigenen (High-level?)Experten angetrieben hat, noch kurz vor der Brüsseler Verlautbarung „zu Potte zu kommen“, um nicht als Nachzügler in die mediale Unbeachtlichkeit abzugleiten. Für diese Interpretation spricht auch die kurz nach der Veröffentlichung seines eigenen Papiers ausgerufene Kanzlerkandidatur, so dass der „Final Report“ aus Brüssel vielleicht sogar das pivotale Element für die Chronologie der Kürungsprozedur in der SPD war – sollte doch die endgültige Festlegung auf den Kanzlerkandidaten erst im März 2013 erfolgen! Spekulation? Ja, aber immerhin eine schlüssige.

Die zweite Randnotiz betrifft die Kommentierung der Kernbotschaft beider Papiere, die keineswegs in allen Teilen erwartungskonform verlief bzw. zumindest erklärungsbedürftig erscheint, wenn man als Gegner der angestrebten Regulierung das internationale Finanzestablishment und als Befürworter heimische Kleinbanken und Sparkassen sowie linkslastige Medien vermutet. Zumindest bei dieser Voreinstellung reibt man sich die Augen, wenn der Vorstandsvorsitzende der Münchener Rückversicherung pro und die Bundesverbände der öffentlichen Banken sowie der Genossenschaftsbanken ebenso wie die Frankfurter Rundschau contra Trennbanken argumentieren. Damit kommen wir aber zu den Missverständnissen.

Das erste Missverständnis betrifft die Interessenlage der Wettbewerber im Finanzsektor. Sollten durch die neuen Regelungen einige große Adressen geschwächt werden, würde dies für aktuelle oder potenzielle Konkurrenten, die voraussichtlich wenig bis gar nicht von ihnen betroffen sind, grundsätzlich einen Vorteil bedeuten. Wer daran Zweifel hegt, denke einmal an die Situation im Sommer 2009 als die trotz offizieller Aufgabe ihres Status effektiv im Geschäft gebliebenen US-Investmentbanken dank der reduzierten Konkurrenz leichtes Spiel hatten, schnell wieder umfangreiche Geschäfte zu machen und dabei Top-Gewinne zu erzielen. Ein weiterer Aspekt in Sachen Interessenlage besteht darin, dass viele institutionelle Anleger wegen des für sie fatal niedrigen Zinsniveaus mittlerweile fast jedem groß angelegten Versuch eines Befreiungsschlags aus der Finanzkrise beizuspringen scheinen, weil sie die aktuelle Situation für langfristig nicht durchhaltbar erachten. Wie auch immer: Die Front realistisch zu unterstellender Motive verläuft nicht so einheitlich, wie manche auf den ersten Blick vermeinen.

Die Sache mit den Bundesverbänden erscheint dagegen als ein Schnellschuss, der für die Zukunft mehr Detailrecherche vor entsprechenden Stellungnahmen nahe legt, denn hier sind gleich mehrere Missverständnisse zu verorten. Zunächst folgt aus den aktuellen Vorstößen nicht, dass normale Banken keine Wertpapiergeschäfte für ihre Kunden durchführen dürfen, sondern lediglich, dass Institute mit hohem Eigenhandel diesen in rechtliche selbstständige Entitäten auslagern müssen, die aber sogar im Konzernverbund bleiben dürfen. Es geht also gar nicht um die teilweise plakativ bemühte Alternative „Trennbank vs. Universalbank“ im klassischen Sinne. Die Grenzen, ab denen diese Abspaltung geschieht, sind zudem so großzügig bemessen, dass Volks- oder Raiffeisenbanken und auch die meisten Sparkassen hier regelmäßig keine Probleme haben dürften. Jedenfalls sind hinsichtlich des für sie gegenüber dem Handelsbuch viel wichtigeren Anlagenbuchs (noch) keine wesentlichen Einschnitte ersichtlich und auch hinsichtlich eines Hedgings von Eigenanlagen über Derivate wird man kleineren und mittleren Instituten keine Daumenschrauben anlegen, wenn es in Bezug auf die noch zu klärenden Einzelheiten zum Schwur kommen wird. Allenfalls die Spitzeninstitute werden hier Veränderungen einführen müssen, die man nicht ernsthaft als schlagendes Instrument gegen die grundsätzliche Abschottung von groß dimensioniertem Eigenhandel in Feld führen wird, wenn man diese grundsätzlich für angemessen hält.

Bleiben ungeahnte Kritiker einer „Bankenaufspaltung“ in den Medien. Grit Beecken von der Frankfurter Rundschau, einem ebenso bekannten wie hinsichtlich allzu großer Nähe zu kapitalistischem Gedankengut eher unverdächtigen Presseorgan, lehnte die Trennungsforderung schon in der Steinbrück-Formulierung ab. Interner Verlustausgleich zwischen Sparten, schwierige Abgrenzbarkeit von Eigenhandel und Kundengeschäft sowie die letztlich nach der Lehman-Erfahrung doch zu erwartende Stützung großer Investmentbanken sprächen für das Universalbanksystem.

Ganz abgesehen davon, dass man Eigenhandel und Kundengeschäft sehr wohl trennen kann und dies natürlich auch tut (wie sollte man sonst auch klären, wer intern dafür vergütet wird und wie das alles zu versteuern ist), liegt das größte Missverständnis in der Bemühung gegenseitiger Kompensation. Zunächst einmal kann wegen der weiteren Führung des Eigenhandels innerhalb eines Konzerns sogar grundsätzlich eine gegenseitige Stützung der einzelnen Teile weiterhin stattfinden, nur muss dies in einem offenen Kapitaltransfer geschehen, der sowohl gesellschafts- als auch aufsichtsrechtliche Schranken berücksichtigen muss und nicht auf von Branchenkennern eher belächelte „interne Märkte“ oder „Chinese Walls“ vertrauen darf.

Unbeschadet dessen fragt man sich weiterhin, warum nicht überhaupt alle Tätigkeiten zusammengelegt werden und die Wirtschaft in einem einzigen großen Unternehmen aufgeht, wenn dieser Aspekt so durchdringend ist. Diversifikation hat eben leider auch viele Nachteile und so zeigt gerade die empirische Kapitalmarktforschung seit langem, dass sie auf der Ebene der Anleger und nicht auf der Ebene der wirtschaftenden Unternehmen vorgenommen werden sollte.

Hinzu kommt, dass der Untergang einzelner Unternehmen in der Marktwirtschaft durchaus ein Systembestandteil ist. Das Problem hieß und heißt ja gerade „too big to fail“ und mit der Trennung (sowie weiteren Maßnahmen) soll das Scheitern einzelner Institute ohne systemische Rückkopplung wieder möglich werden. Da der Interbankenmarkt seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 zudem dramatisch vorsichtiger geworden ist (man denke nur an die Einlagen/Ausleihungen bei der EZB), würde eine entsprechende Klärung der Verhältnisse Infektionsgefahren einzelner Schieflagen für die gesamte Wirtschaft weiter reduzieren und man könnte gegebenenfalls die Abwicklung Investmentbank tatsächlich ohne „Lehman-Angst“ ins Auge fassen.

Fazit: Die in beiden Papieren propagierte Trennung des Eigenhandels großer (!) Banken vom Kundengeschäft kann grundsätzlich einen Beitrag zur langfristigen Lösung des Problemkonglomerats namens Finanzkrise leisten. Gefahren für die Handlungsfähigkeit kleinerer Institute sind zumindest nach den vorliegenden Formulierungen de facto nicht zu erwarten. Unbeschadet weiterer Probleme und der in beiden Papieren empfohlenen Lösungen sollte man diesem Vorschlag also ohne Scheuklappen entgegentreten. Immerhin war in der High-level Expert Group mit Hugo Bänziger auch der bis zum Mai dieses Jahres amtierende „Chief Risk Officer“ der Deutschen Bank am Werk, einem der am stärksten von der Trennungsforderung betroffenen Institute. Man darf indessen als letzte Randnotiz etwas süffisant die Frage stellen, ob er der Liikanen-Gruppe auch dann bis zum „Final Report“ treu geblieben wäre, wenn er heute noch in den Frankfurter Zwillingstürmen residieren würde.

 

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