Ist „Drill, baby, drill!” das Hauptproblem für ESG?
Nachhaltigkeit zwischen medienträchtigen Parolen und fundamentalen Problemen

„Es gibt eine normative Kraft des Faktischen. Sie ist mächtig und unter Umständen gefährlich. Aber es gibt keine faktenersetzende Kraft des Phraseologischen.“ (Franz Josef Strauß[1])

Ein Teil von Donald Trumps ersten Ansprachen und Amtshandlungen nach seiner zweiten Vereidigung als US-Präsident betraf ESG und dort insbesondere den Umweltsektor. Bei allem Respekt vor der Macht des Rückkehrers ins Weiße Haus sollte dies aber nicht von fundamentalen Problemen in diesem Bereich ablenken, die sich auch immer häufiger in empirischen Studien zeigen.

1. Die Macht der Worte

Die letzten Wochen machten den Eindruck, dass die ganze Welt nur auf Aussagen von Donald J. Trump wartete und diese sofort zu interpretieren versuchte, nachdem Sie ihr mitgeteilt worden waren. Bedenkt man, dass Trumps meist tiradenhaft zelebrierte und in allen relevanten Medien übertragene Parolen schon immer von überschaubarer intellektueller Qualität und volatiler inhaltlicher Verlässlichkeit waren, mutet das Ganze wie eine bizarre Satire an, aber ja: Er ist nun einmal der mächtigste Mann der Welt und hat angedeutet, von dieser Macht rücksichtslos Gebrauch zu machen.

Die der selbst gewählten Unterwerfung unter die Trump-Botschaften folgende Empörung war bislang meist davon abhängig, in welchem Umfang die zuvor gehegten Befürchtungen erfüllt wurden. Gerade im Umweltbereich als der vermutlich am stärksten beachteten Komponente der ESG-Agenda legte der neu vereidigte Präsident sofort los – vom dekretunterlegten Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen bis hin zur Fortsetzung des Aufrufs „Drill, baby, drill!“. Wird die Macht der Worte also dort mit Recht gefürchtet, weil ihr in der Realität gravierende Wirkungen folgen werden?

Dass Kündigungen von Abkommen bei nächster Gelegenheit rückgängig zu machen bzw. durch Wiedereintritte zu kompensieren sind, konnte man gerade beim Pariser Klimaabkommen beobachten, als Joe Biden kurz nach seiner Vereidigung den Rücktritt seines Vorgängers aufhob.

Auch die Wiederholung des von Trump im Wahlkampf gebetsmühlenhaft beschworenen Bohrens nach Öl und Gas hat trotz Dekreten zur Freigabe entsprechender Aktivitäten in bislang geschützten Bereichen an sich wenig Nachhaltiges. Zunächst sei der guten Ordnung halber erwähnt, dass „Drill, baby, drill!“ keine Kreation von Trump ist, denn der Slogan wurde bereits von Michael Steele 2008 bei der Republican National Convention benutzt und bald darauf von Sarah Palin weitergeführt (https://en.wikipedia.org/wiki/Drill,_baby,_drill). Ganz unabhängig davon erscheint die Macht dieser Worte bei genauerem Hinsehen deutlich kleiner als der mit Ihnen ausgedrückte Anspruch. Das liegt weniger an ökologischen als an ökonomischen Gründen. Um nur zwei zu nennen:

  • Mächtige Unterstützer von Trump, allen voran Elon Musk mit Tesla, haben durchaus ein höchst ökonomisches Interesse daran, dass der ökologische Umbau der Wirtschaft weitergeht und sind bereit, sich dafür im medialen Scheinwerferlicht oder im Hintergrund entsprechend einzusetzen.
  • Die Fördergesellschaften befürchten ein „Déjà-vu“ (https://www.n-tv.de/wirtschaft/Drill-baby-drill-Donald-Trumps-Ol-Fantasien-laufen-ins-Leere-die-Branche-ist-zurueckhaltend-article25513114.html). Ähnlich wie zur Mitte des letzten Jahrzehnts, als insbesondere ein deutlich erweitertes Angebot aus Saudi-Arabien zur tödlichen Falle für viele neue Drillers mit deutlich höheren Förderkosten in den USA wurde, geht in der Branche die Angst um, dass man durch mehr Öl und damit einhergehend niedrigere Preise (das vielleicht wichtigste Motiv für Trumps Drängen) die Goldene Gans des Status quo schlachten könnte.

Insgesamt dürften sich in diesem Bereich also allenfalls kurzfristige Effekte ergeben, die für ESG im Allgemeinen und Umwelt im Besonderen keine „nachhaltigen“ Probleme darstellen.

2. Das Ignorieren faktischer Zwänge

Ganz anders sieht es an anderer Stelle aus. Wenn es um faktische Zwänge geht, sei es die effizienteste Umsetzung von ESG-Zielen[2] oder die Frage, ob man überhaupt eine allseits zu akzeptierende Metrik für ESG erreichen kann,[3] werden auch und gerade an höchsten Stellen sachlogische Zusammenhänge nur allzu gerne ausgeblendet. Die Folgen lassen sich oft erst mit einigem zeitlichen Verzug beobachten, doch werden gerade in der jüngsten Vergangenheit immer mehr von Ihnen sichtbar. So hat eine aktuelle Studie mit dem eingängigen Titel „What you see is not what you get: ESG scores and greenwashing risk”[4] bemerkenswerte Befunde erzielt, die sich bereits in der Zusammenfassung höchst interessant lesen:

„The correlation of the apparent (real) environmental performance with ESG scores is significantly positive (negative). Therefore, ESG scores are unsuitable for measuring real environmental impact. Thus, investors focusing on high ESG-rated companies may unknowingly increase their greenwashing risk exposure, and academics may use misleading information to assess greenwashing risk.”

Auch wenn sich hier wie an anderer Stelle[5] die Wissenschaftler vorsichtig äußern und in ihren Forderungen nach Konsequenzen noch eher zurückhaltend bleiben, lässt sich das nachhaltige Grundproblem von ESG nicht leugnen: Es liegt nicht in markigen Worten der „Klima-Leugner“ gleich welcher Provenienz, sondern im eklatanten Auseinanderklaffen zwischen dem Wunsch einer im Wesentlichen ideologisch getriebenen ESG-Politik und der normativen Kraft des Faktischen, was vorliegend insbesondere die allgemeine Knappheit der Ressourcen und die logischen Konsequenzen unterschiedlicher Ziele betrifft.

3. Fazit

Man darf und sollte die Politik „Trump 2.0“ durchaus kritisieren.[6] Im Bereich ESG werden sich dabei viele Phrasen und sogar Dekrete des wiedergewählten Präsidenten als langfristig wenig bedeutsam erweisen – zumindest im Vergleich mit der ihnen aktuell entgegengebrachten Aufmerksamkeit. Demgegenüber sollte für ein nachhaltiges (!) Gelingen des politischen ESG-Projekts im Allgemeinen und des ökologischen Umbaus der Wirtschaft im Besonderen mehr auf den Abgleich von Wunsch und Wirklichkeit geachtet werden, denn Fakten wiegen ungleich schwerer als Worte. Dass unser Eingangszitat, dessen erster Teil vor allem auf den Staatsrechtler Georg Jellinek zurückverfolgt werden kann,[7] selbst aus der Politik stammt, sollte alle an diesem Gelingen Interessierten zusätzlich gegenüber Trumpscher Phraseologie gelassener und gegenüber faktischen Zwängen aufmerksamer machen.


[1] https://bastian-atzger.de/interessantes/zitate/zitate-von-franz-josef-strauss/.

[2] Gerade in diesem Block sind dazu viele Beiträge erschienen, vgl. bspw. https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=35491  und zuletzt https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=39114.

[3]  Vgl. ebenfalls in diesem Blog https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=30621 und https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=35491.

[4] Kathan/Utz/Dorfleitner/Eckberg/Chmel, Finance Research Letters 74 (2025). Ähnlich mit Blick auf Ausweichhandlungen durch Verkauf “schmutziger” Fabriken/Produktionen im “market for pollutive plants” Duchin/Gao/Xu, Journal of Finance 2024, https://doi.org/10.1111/jofi.13412: „Overall, the asset market allows
?rms to redraw their boundaries in a manner perceived as environmentally friendly
without real consequences for pollution but with substantial gains from trade.”

[5]  Vgl. bspw. Berg/Kölbel/Rigobon, Review of Fonance 2022, S. 1315-1344.

[6] Vgl. bspw. zu den „Trumponomics“ in diesem Blog https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=38993 und https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=39126.

[7] Vgl. Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. Berlin 1914, S. 337 ff.

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