Asien treibt die globalen Investitionen – ein Selbstläufer?

Das globale Investitionsvolumen ist in den vergangenen zehn Jahren gewaltig angestiegen. Die weltweiten Bruttoinvestitionen – dabei handelt es sich um private und staatliche Investitionen in Ausrüstungen, Bauten und Läger und nicht um Finanzmarktinvestitionen – stiegen auf Basis von eigenen Berechnungen von gut 7.000 Milliarden US-Dollar im Jahr 2002 um knapp 10.000 Milliarden US-Dollar auf nunmehr gut 17.000 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 an (Abbildung 1). Dagegen war in der vorhergehenden Dekade 1992 bis 2002 nur ein Plus in Höhe von insgesamt gut 1.500 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen. Im Teilzeitraum 1995 bis 2002 stagnierten die weltweiten Anlageinvestitionen sogar auf einem mehr oder weniger konstanten Niveau von knapp 7.000 Milliarden US-Dollar.

Globale Investitionen
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Im Gefolge des ab dem Jahr 2002 einsetzenden mächtigen Investitionsbooms haben sich auch die globalen Investitionsgewichte kräftig verschoben. Während im Jahr 2002 erst knapp ein Viertel der weltweiten Sachinvestitionen auf die Schwellen- und Entwicklungsländer entfiel (im Zeitraum 1992 bis 2002 waren es bei geringen Abweichungen durchschnittlich nur gut 21 Prozent), stieg dieser Anteil bis zum Jahr 2012 auf leicht über 50 Prozent an. Das globale Investitionsvolumen verteilt sich somit erstmals in der Neuzeit gleichmäßig auf die aufstrebenden und die fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Diese Gewichtsverlagerung wurde in den letzten Jahren sicherlich auch dadurch beschleunigt, weil die Investitionstätigkeit in den fortgeschrittenen Ländern viel stärker im Gefolge der globalen Finanzmarktkrise beeinträchtigt wurde und auch danach nicht wieder das Niveau der Jahre 2007 und 2008 erreichte. Dagegen hat die Finanzmarktkrise die Investitionen in den aufstrebenden Volkswirtschaften nur wenig getroffen. Nahezu ungebremst setzte sich dann dort der Investitionsboom fort und erklomm im vergangenen Jahr mit 8.700 Milliarden US-Dollar neue Höhen.

Insgesamt steuerten alle Schwellen- und Entwicklungsländer zusammen in der Dekade 2002 bis 2012 rund 70 Prozent zum globalen Investitionswachstum in Höhe von 10.000 Milliarden US-Dollar bei. In der vorhergehenden Dekade trieben dagegen die fortgeschrittenen Länder den – deutlich moderateren – Investitionszuwachs an. Die globale Investitionstätigkeit in der vergangenen Dekade wurde vor allem von den asiatischen Schwellen- und Entwicklungsländern angetrieben. Gut 45 Prozent oder gut 4.500 Milliarden US-Dollar des genannten Gesamtzuwachses entfielen im Zeitraum 2002 bis 2012 auf die aufstrebenden Länder in Fernost, wobei die fortgeschrittenen Länder Japan, Südkorea, Hongkong, Taiwan und Singapur dabei nicht berücksichtigt werden. Im Kreis der aufstrebenden Regionen nimmt Asien damit die dominierende Rolle als Investitionsstandort ein. Sicherlich erklärt sich dies auch mit dem hohen Anteil dieser Region an der Weltbevölkerung: Auf Asien entfielen im Jahr 2010 mit knapp 4,2 Milliarden Menschen rund 60 Prozent der Weltbevölkerung von knapp 7 Milliarden. Werden die fünf genannten fortgeschrittenen Länder Asiens ausgeklammert, beläuft sich der Anteil Asiens immer noch auf 58 Prozent der Weltbevölkerung. Allein auf China und Indien entfallen zusammen mehr als 2,5 Milliarden Menschen oder 37 Prozent der Weltbevölkerung. Die anderen Regionen stehen bei der Kapitalstockbildung deutlich im Schatten (Abbildung 2). Die Investitionszuwächse im Zeitraum 2002 bis 2012 in Mittel- und Osteuropa (258 Milliarden US-Dollar) und in Afrika (215 Milliarden US-Dollar) machen dies deutlich. Die Länder der Europäischen Union konnten mit einem Investitionsplus in Höhe von 1.162 Milliarden US-Dollar noch die Länder Zentral- und Südamerikas (921 Milliarden US-Dollar) übertreffen.

Verteilung der Investitionen
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Nicht nur beim Blick auf die Dynamik der Investitionstätigkeit unterscheiden sich die Schwellen- und Entwicklungsländer von den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Auch hinsichtlich der Bedeutung der Investitionstätigkeit im inländischen Verwendungsgefüge des BIP hat die vergangene Dekade für eine divergente Entwicklung gesorgt – eine Entwicklung, die freilich dafür sorgt, dass sich diese beiden großen Ländergruppen ökonomisch annähern. Während die Investitionen in den fortgeschrittenen Ländern nur noch knapp ein Fünftel des entsprechenden Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, beläuft sich die Investitionsquote in den aufstrebenden Ländern mittlerweile auf ein Drittel des BIP. Hinzu kommt, dass die Investitionsquote in den fortgeschrittenen Ländern insgesamt im Jahr 2012 mit 19 Prozent etwas niedriger war als zehn Jahre zuvor (20 Prozent). In der Europäischen Union ging sie von 20 auf 18 Prozent zurück. In den aufstrebenden Ländern stieg sie dagegen fast durchgängig von einem Viertel auf ein Drittel des BIP an.

Aber auch hier dominieren die Schwellen- und Entwicklungsländer in Asien das Gesamtbild (Abbildung 3): In dieser Ländergruppe war die Investitionsquote bereits im Jahr 2002 mit 31 Prozent weit entfernt von den Anteilen in den anderen Regionen. Bis zum Jahr 2012 kletterte der Anteil der Investitionen am BIP in Asien dann weiter auf 42 Prozent. Dies untermauert die gewaltigen Anstrengungen der asiatischen Länder bei der Sachkapitalbildung und die entsprechende Vorliebe für Investitionen versus Konsum auf der Verwendungsseite des BIP. In den anderen aufstrebenden Regionen war dagegen nur ein überschaubarer Anstieg der Investitionsquote zu verzeichnen. Im Durchschnitt stiegen hier die Anteile um rund 2 Prozentpunkte an. Dabei sind die Investitionsquoten am aktuellen Rand in Mittel- und Osteuropa, Afrika sowie Zentral- und Südamerika noch nicht einmal merklich von den Werten in den fortgeschrittenen Ländern entfernt.

Regionale Investitionsquoten
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Die forcierte Investitionstätigkeit in den Schwellen- und Entwicklungsländern speist sich nicht nur aus einheimischen Quellen, wenngleich diese nach wie vor die wichtigsten sind. In zunehmendem Maß werden Investitionen auch mithilfe von Direktinvestitionen finanziert. Auch hier dominiert Asien mittlerweile das Geschehen (Abbildung 4). Im Jahr 2011 konnten die aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien das höchste Volumen an Direktinvestitionen anziehen. Insgesamt flossen in diesem Wirtschaftsraum Direktinvestitionen in einer Größenordnung von 425 Milliarden US-Dollar zu. Das war mehr als das Vierfache des Jahreswertes von 2002. Auf Platz 2 folgt die EU mit 421 Milliarden US-Dollar – seit dem Jahr 2002 ergab sich dabei immerhin ein Zuwachs von 35 Prozent. Dieses Plus steht aber weit im Schatten dessen, was in anderen Regionen erzielt wurde. Trotz der beachtlichen absoluten und relativen Zuwächse in Süd- und Mittelamerika, Afrika und den osteuropäischen Transformationsländern kamen diese drei Regionen bei Weitem aber nicht auf das Volumen an zufließenden Direktinvestitionen, das in Asien verbucht werden konnte.

Globale Direktinvestitionen
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Die aufgezeigte Spaltung der globalen Investitionstätigkeit zwischen den aufstrebenden Volkswirtschaften – mit dem gewaltigen Treiber Asien – auf der einen Seite und den fortgeschrittenen Ländern auf der anderen Seite dürfte sich zunächst fortsetzen. Zumindest weisen die Prognosen für eine Reihe fortgeschrittener Länder darauf hin: Die Investitionstätigkeit wird auch im Jahr 2013 in den großen europäischen Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien rückläufig sein. In Japan ist allenfalls ein leichtes Plus zu erwarten. Ein Gegengewicht im Club der reichen Länder bilden die beiden nordamerikanischen Volkswirtschaften USA und Kanada sowie einige Länder in Nordeuropa.

Gleichwohl ist es bei Weitem nicht in trockenen Tüchern, ob sich die Investitionstätigkeit in den aufstrebenden Volkswirtschaften im bisherigen Ausmaß fortsetzen wird:

  • Zunächst spricht für einen anhaltenden Investitionsboom in den Schwellen- und Entwicklungsländern, dass dort die Bevölkerungen nach wie vor wachsen. Nur mit einer steigenden Kapitalintensität, die wiederum aus privaten und öffentlichen Investitionen gespeist wird, lässt sich der bisher erreichte Lebensstandard halten und weiter steigern. Die materielle Armut in vielen Ländern ist nach wie vor hoch, sodass eine nachlassende Investitionstätigkeit ernste ökonomische und soziale Probleme nach sich ziehen kann. In der mittleren Sicht erfordern auch die Anpassungslasten infolge knapper werdender Ressourcen und des Klimawandels Investitionen.
  • In der kurzen Frist werden sich einige Schwellenländer mit ihren derzeitigen Wirtschaftsmodellen aber auch behaupten müssen, um weiterhin ein attraktiver Investitionsstandort zu bleiben. Einige große aufstrebende Volkswirtschaften in Asien, Afrika und Südamerika haben in den letzten Jahren von der steigenden Rohstoffnachfrage und den damit einhergehenden Preiseffekten profitiert. Für diese Länder stellt sich die Frage, ob mögliche Bremseffekte bei diesem Wachstumstreiber durch andere Kräfte – wie etwa die Binnennachfrage oder andere Exportgüter – ausgeglichen werden können. Schaffen diese rohstofforientierten Volkswirtschaften rechtzeitig den Strukturwandel hin zu einem Wachstumsmodell, das auch auf einem weiteren Standbein stehen kann? Andere aufstrebende Volkswirtschaften haben dagegen bisher bereits einen wichtigen Teil ihres Antriebs aus dem florierenden Exportgeschäft mit Industriegütern geholt. Das gilt zum Beispiel für China. Auch hier stellt sich die Frage, ob sich ein möglicherweise nachlassendes Tempo in diesem Segment – ausgelöst durch eine schwächere Nachfrage aus dem rezessiven Europa und der sich im Anpassungsprozess befindenden USA – durch andere Wachstumstreiber kompensieren lässt. Von entscheidender Bedeutung wird sein, wie flexibel diese Volkswirtschaften sind, ihre Wirtschaftsstruktur anzupassen. Bislang ist es oftmals vor allem mit großer staatlicher Hilfe gelungen, das Wirtschaftsmodell und die damit einhergehende inländische Investitionstätigkeit aufrechtzuerhalten.

Die bisher hohe globale Investitionstätigkeit kann als Ausdruck einer höheren Anpassungsneigung und Anpassungsfähigkeit interpretiert werden. Durch Investitionen passen sich Privatwirtschaft und Staat den Veränderungen auf der Nachfrage- und Angebotsseite der Weltwirtschaft an. Durch Investitionen wächst der Kapitalstock nicht nur, sondern er nimmt auch die neuen Technologien auf. Hohe Investitionsquoten können mithin ein Indikator für Veränderungsbereitschaft sein. Ein nachlassender Änderungswille und Strukturprobleme können sich dagegen in einer absolut und relativ rückläufigen Investitionstätigkeit niederschlagen. Die Fortsetzung des globalen Investitionsbooms ist somit nicht nur eine Frage der Anpassungslasten – durch Bevölkerungswachstum oder Ressourcenknappheit – sondern auch eine Frage des Anpassungswillens.

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