Am 12.6.2013 beendete ich meinen Beitrag zur Managervergütung mit der Ankündigung: „Fortsetzung folgt!“. Nun ja, aktuell findet man gleich drei Ergebnisse samt einem Nachschlag auf einmal, so dass sich nunmehr diese (erste) Fortsetzung aufdrängt.
Da war zunächst der ebenfalls bereits damals angekündigte Schweizer Volksentscheid über eine Deckelung der Managerbezüge auf das Zwölffache des am niedrigsten entlohnten Mitarbeiters innerhalb des jeweiligen Unternehmens. Am 24.11.2013 sprach das Schweizer Wahlvolk: Rund 65% stimmten gegen die Initiative – nach der Befürwortung der Volksinitiative im März erneut ein Ergebnis, das für das Differenzierungsvermögen in dieser direkten Demokratie spricht.
Am gleichen Tag wurde in der Welt am Sonntag das Ergebnis einer repräsentative Umfrage der GfK veröffentlicht, die 994 Probanden in Deutschland über die 1:12-Deckelung abstimmen ließ. Das Ergebnis lag genau umgekehrt zu Verhältnissen in unserem Nachbarland: Über 73% stimmten zu. Trotz Unterschieden hinsichtlich Bildungsstand und regionaler Herkunft kam es in allen ausgewiesenen Untergruppierungen (Maximum für Befragte in Berlin mit knapp 95%, Minimum für Befragte mit Bildungsstand „Abitur oder höher“ mit gut 65%) zu einer deutlichen Befürwortung.
Ebenfalls am 24.11.2013 wurde schließlich von dpa-AFX als Zwischenergebnis der Koalitionsverhandlungen gemeldet, dass der Aufsichtsrat jedes börsennotierten Unternehmens künftig prozentual festlegen soll, um wieviel höher der Verdienst jedes Vorstandsmitglieds gegenüber dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen der Firma maximal sein darf. Im zwischenzeitlich veröffentlichten Koalitionsvertrag findet man hierzu freilich nichts, sondern nur die allgemeine Formulierung
„Um Transparenz bei der Feststellung von Managergehältern herzustellen, wird über die Vorstandsvergütung künftig die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats entscheiden.“
Dies entspricht im Wesentlichen dem bereits im Juni-Beitrag angesprochenen Gesetzentwurf der alten Bundesregierung, der seinerseits offenkundig vom Votum zur Schweizer Initiative im März beeinflusst war. Die Kommentare blieben nicht aus bis hin zum Bundesvorsitzenden des KKV, Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung, der die Streichung der vorgesehenen Begrenzung im Koalitionsvertrag befürwortete.
Einstweilen wird es also sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland beim (bedingten) Kompetenzwechsel in Richtung General- bzw. Hauptversammlung bleiben. Grundsätzlich erscheint dies auch vernünftig. Kurzfristig wird sich hinsichtlich der Vergütungsniveaus – wie bereits im Juni beschrieben – allerdings eher wenig verändern.
Indessen sollte man auf Seiten der betroffenen Top-Manager die Zeichen der Zeit erkennen und mehr Sensibilität für das eigene Preis-Leistungs-Verhältnis sowie seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit entwickeln. Ein von jener Seite gar nicht so selten zu hörendes Selbstverständnis, dass bei Großkonzernen mit hoher Gewichtung innerhalb bedeutender Aktienindizes in guten Jahren für den CEO ein zweistelliger Millionenbetrag angemessen sei, spricht hier für erheblichen Nachholbedarf. Bei allem Verständnis für theoretische Ansätze, mit denen man entsprechende Summen (mit welcher Motivation auch immer) in der Wissenschaft zu erklären versucht, erscheint hier der Befund eines zumindest partiellen Marktversagens naheliegender. Wer in guten Jahren Millionen verdient, ohne in schlechten Jahren einen analogen Verlust befürchten zu müssen, und bei Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes regelmäßig nach Erhalt einer stattlichen Abfindung mit minimalem Aufschub einen vergleichbar hoch dotierten Job in Aussicht hat, sollte sich jedenfalls nicht über fehlende gesellschaftliche Akzeptanz wundern. Das erste apostolische Schreiben des neuen Papstes mag in seinen marktkritischen Passagen (vgl. etwa „Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit“) zwar durch seine disziplinäre Brille verzeichnen, zeigt aber, dass auch in prominenten Bereichen das Verständnis für unplausible Ergebnisse des Kapitalismus immer mehr verloren geht.
Diese Aussage hat beileibe nichts mit einer generellen Ablehnung wettbewerblicher Lohn/Preisfindung zu tun, denn auch unter liberalen Ökonomen ist die Frage „Macht oder ökonomisches Gesetz?“ ein Dauerthema für die Diagnose unplausibler Befunde. Vielmehr spricht unter anderem die Nähe von vielen Top-Managern in wechselseitigen Vorstands-/Aufsichtsratspositionen (neuhochdeutsch „executives vs. external board members“) dafür, dass von einem perfekt funktionierenden Wettbewerb gemäß wohlfahrtstheoretischen Idealen kaum die Rede sein kann.
Wie lässt sich unter diesen Aspekten der schlagzeilenträchtigste europäische Vergütungsexzess der letzten Wochen kommentieren? Dass der scheidende Chef von PSA Peugeot Citroen, Philippe Varin, nach heftigen medienwirksamen Protesten in Frankreich jüngst auf die aktuelle Regelung seiner Pensionsansprüche verzichtete, für die in der Konzernbilanz 21 Millionen Euro an Rückstellungen gebildet worden waren, ist einerseits ein weiteres Zeichen für die steigende öffentliche Anspannung in diesem Bereich. Andererseits hätte eine von vornherein angemessene Dotierung den Aufruhr erst gar nicht entstehen lassen und die Peinlichkeit des Rückzugs erspart. Man könnte freilich überhöhte Bezüge auch als Option auffassen, die man als satten Zuschlag behalten darf, wenn sich früher oder später kein Sturm der Entrüstung erhebt. Sollte diese individuell rationale Sicht die Mehrheitsmeinung unter Top-Managern darstellen und entsprechendes Verhalten fördern, wird es sicher weder hier noch in anderen zumindest dem Namen nach marktwirtschaftlich ausgerichteten Ländern ohne tiefere Eingriffe in die Vergütungspraxis bleiben. Letztlich gilt unverändert: Fortsetzung folgt!
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