Gastbeitrag:
WM-Studie: Deutschland wird Vize-Weltmeister

Ein Team aus Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Eberhard Karls Universität Tübingen hat pünktlich zur anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft eine Studie über den Ausgang der FIFA WM veröffentlicht. Die Besonderheit der Studie ist ihr ganzheitlicher Blickwinkel. So fußen die Ergebnisse auf sportlichen Variablen, berücksichtigen aber auch den Einfluss von Politik, Ökonomie, Kultur und vielem mehr auf den sportlichen Erfolg. Laut der Studie wird Brasilien Weltmeister, Deutschland Zweiter, vor Frankreich und Italien. Im Viertelfinale scheitern Niederlande, England, Spanien und Portugal. Die Wahrscheinlichkeit der Prognose liegt bei 75%.

Was ist unser Ansatz zur Beantwortung der zentralen Frage, wer denn Weltmeister wird? Ein ganzheitlicher Zugriff. Es existiert eine Vielzahl an Prognosen über den Ausgang der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft. Was sie eint: ihre eindimensionale Perspektive. Sportlicher Erfolg wird allein mit fußballerischen Faktoren erklärt. Diesen Prognosen setzen wir bewusst eine deutlich vielschichtigere entgegen, die neben den sportlichen Faktoren eine Vielzahl polit-ökonomischer, sozio-geographischer, religiöser und psychologischer Variablen in die Analyse mit einbezieht – und so eine treffendere Aussage über den Ausgang des Turniers machen kann. Wir können das durch die Retrospektive auf vier vergangene Fußball-Weltmeisterschaften belegen. Ein erstes Fazit: Erfolg ist pfadabhängig, d.h. wer schon oft (fast) gewonnen hat, zählt auch dieses Mal wieder zu den Favoriten.

So zeigt sich, dass erst durch die Integration fußballerischer und polit-ökonomischer Variablen in ein gemeinsames Modell, ein methodisch fundiertes und prognostisch potentes Modell für fußballerischen Erfolg entwickelt werden kann. Dazu haben wir in einem ersten Schritt zahlreiche Variablen statistisch auf ihre Brauchbarkeit für das Prognosemodell geprüft und in Abwägung inhaltlicher Argumente in die Analyse mit einbezogen. Eine explorative Faktorenanalyse bestätigte dabei die Vermutung, dass Erfolg bei Fußballweltmeisterschaften nur multifaktoriell zu erklären ist.

Wir stützen unsere Analyse daher auf ein breites Variablen-Set. Es gibt

– den Fußball-Faktor: WM-Teilnahmen, WM-Platzierungen, FIFA-Punkte, UEFA-Koeffizient, Heimvorteil und Zugehörigkeit zu FIFA-Gruppen

– den Faktor Demokratie und Entwicklung : BIP/Kopf, GINI-Koeffizient, Human Development Index, Freedom House Freedom in the World Index und die Anzahl registrierter Fußballer sowie

– den sozio-geographischen Faktor: Katholikenanteil, Entfernung zu London und nach Chichén Itza, aber auch die Kontinentalzugehörigkeit sowie

– den Heimvorteil.

Um den Einfluss der verschiedenen Variablen auf den Mannschaftserfolg zu schätzen, haben wir eine Regressionsanalyse durchgeführt, um die Beziehung zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen festzustellen. Unterstellt man einen linearen Zusammenhang zwischen abhängiger (Y) und einer unabhängigen (X) Variablen, so lässt sich die Beziehung mit der Formel Yi = α + βXi + εi ausdrücken.

Die Regressionsanalyse zeigt, dass es – entgegen populärer Debatten um die Verletzung einzelner Spieler – weniger die Mannschaften mit dem stärksten Kader oder den stärksten nationalen Fußballligen sind, die bei dieser Weltmeisterschaft erfolgreich abschneiden werden, sondern die Alteingesessenen des Fußballgeschehens. Das Ganze ist eben mehr als die Summe seiner Lichtgestalten. Einige weitere Ergebnisse sind, dass Katholiken wohl besser mit dem Ball umgehen und dass Diktaturen offensichtlich schlecht kicken. Hier sind eine Reihe interessanter Interpretationen möglich – von der entlastenden Wirkung der Beichte bei Fouls bis zur nötigen Freiheit am Ball.

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– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –

Das komplexe Modell und dessen Erklärungskraft und Validität sind auch anhand der vergangenen WM-Turniere überprüft worden. Mit großem Erfolg: retrospektiv können die vergangenen vier Weltmeisterschaften zu 75% korrekt rekonstruiert werden. Dabei fließen auch der Verlauf des Wettbewerbs und die Einteilung der Gruppen mit in die Analyse ein, so dass das Ganze sehr realistisch angelegt ist.

Hinweis: Die komplette Studie steht zum Download bereit.

Josef Schmid, Volquart Stoy, Rolf Frankenberger, Daniel Buhr, Lisa Haug und Benedikt Springer
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7 Antworten auf „Gastbeitrag:
WM-Studie: Deutschland wird Vize-Weltmeister“

  1. Das ist nur die Prognose rein nach Spielstärke. In der Studie ist die selbe Tabelle unter Berücksichtigung des Spielplanes…

  2. Pingback: Prinzip Zufall

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