Karl Marx sei wieder da und lasse niemanden kalt. So und ähnlich hört es sich in den Gängen vieler Universitäten an. Der populäre französische Ökonom Thomas Piketty nimmt seit Jahren Anleihe an den epochalen Schriften Marx’. Dessen Thesen zur gesellschaftlichen Entwicklung als dauernde Geschichte von Klassenkämpfen – vor rund 200 Jahren in der rauen Zeit der Industrialisierung postuliert – haben nichts an Faszination eingebüsst. Die gesellschaftskritische Kapitalismusanalyse zu Globalisierung und „Ausbeutung“, zum Widerspruch von Kapital und Arbeit, zur ungleichen Einkommensverteilung, zur Krisenhaftigkeit des Kapitalismus oder zur fallenden Profitrate befeuern noch heute die akademische und politische Debatte.
Gastbeitrag
Verteilungsfragen rücken in den Vordergrund
Mehr Anreize und Chancen statt mehr Umverteilung
1. Verteilungsfragen rücken in den Vordergrund
„Unser größtes Problem ist die wachsende Ungleichheit, nicht nur mit Blick auf Einkommen und Wohlstand, sondern auch mit Blick auf die soziale Wertschätzung.“ – Hubertus Heil (SPD, Debatte zum Bundeshaushalt 2021, 11.12.2020)
Corona und Energiepolitik befeuern Verteilungsdebatte
Soziale Ungleichheit ist für Wähler eines der wichtigsten Themen. Die höhere Belastung unterer Einkommensgruppen durch die Corona-Pandemie sowie anstehende Belastungen durch das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 haben der Debatte zusätzlichen Auftrieb gegeben. Laut eines Berichts des WSI sind die Corona-bedingten Einkommenseinbußen in unteren Einkommensschichten mit Abstand am größten.1 Die Relevanz vieler eher schlecht bezahlter Berufe in der Pflege und der Erziehung wurde deutlich sichtbar und es wurden Fragen nach einer gerechten Bezahlung im Sinne ihres gesellschaftlichen Beitrags (Systemrelevanz) aufgeworfen. Die Bundesregierung reagierte mit einer Pflegereform, nach der ab September 2022 nur noch Pflegeeinrichtungen zugelassen werden, die den Tariflohn nicht unterschreiten.2 Zudem haben Studien für verschiedene Länder ergeben, dass die lockere Geldpolitik die Ungleichheit zuletzt erhöht haben könnte, weil Vermögende durch Bewertungszuwächse an den Finanzmärkten stärker profitieren als Menschen am unteren Ende, bei denen sich der Gewinn auf Beschäftigungseffekte beschränkt.3
Nobelpreis
Feldexperimente für die Armutsbekämpfung
Zum Nobelpreis für Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer
Am 14. Oktober dieses Jahres gab die königliche schwedische Akademie der Wissenschaften bekannt, dass der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis zu gleichen Teilen an die Entwicklungsländerforscher Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer verliehen wird.
Damit wurden zum ersten Mal in seiner 50-jährigen Geschichte Ökonomen, die sich vorrangig mit Armut und deren Bekämpfung beschäftigen, ausgezeichnet. Im Jahr 1998 wurde der Preis an den indischen Ökonomen Amartya Sen für seine Leistungen auf dem Gebiet der theoretischen Wohlfahrtsökonomik verliehen, wobei das Preis-Komitee auch seine Arbeiten über Armutsmessung und Hungersnöte erwähnte. Beim Preisträger des Jahres 2014, Angus Deaton, erwähnte das Preiskommittee ebenfalls seine Analysen zur Armut, neben seinen einflußreichen Arbeiten zu Konsum und Wohlfahrtsmessung.
Gastbeitrag
Globaler Risikofaktor USA
Das Problem der „Un-United States of America”
USA und Trump: Halbzeit, Runde 1
Zum ersten Mal in der Geschichte wird Amerika von einer klar populistisch ausgerichteten Regierung geführt. An deren Spitze steht mit Donald Trump ein Präsident, der wie ein echter Volkstribun agiert. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht beunruhigende Nachrichten aus den USA dringen. Seien es tatsächliche Maßnahmen der Trump-Administration oder nur neue, per Twitter abgesetzte Polemik, wahrheitswidrige „Fake News“ oder populistische Tiraden: In Summe entsteht das Bild einer zornigen, politisch verwirrten und global destruktiven US-Regierung.
„Gastbeitrag
Globaler Risikofaktor USA
Das Problem der „Un-United States of America”“ weiterlesen
Mythen und Fakten zur Einkommenskonzentration in der Schweiz*
Die Debatte zur Einkommensverteilung ist definitiv auch in der Schweiz angekommen. Die NZZ am Sonntag berichtet von einer zurückfallenden Mittelschicht, einer sich öffnenden Einkommensschere und Einkommenszuwächsen vor allem bei den obersten Einkommen. Das World Economic Forum WEF fordert unter dem Stichwort inklusives Wachstum, dass sich die Einkommenszuwächse auch in der Schweiz breiter über die Einkommensschichten verteilen. Hat die Schweiz tatsächlich ein Verteilungsproblem? Sind wir mit einer zunehmenden Einkommenskonzentration an der Spitze konfrontiert? Partizipiert die Breite der Bevölkerung nicht an den Einkommenszuwächsen der Volkswirtschaft? Sollte der Staat die Einkommensverteilung stärker korrigieren?
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Blick ins Buch (1)
Einfluss der Top-Einkommensbezieher
Perzentile haben unterschiedliche politische Macht
Ein großer Teil der steigenden Ungleichheit ist auf den Anstieg der Top-Einkommen zurückzuführen. Dies sind die wahren Riesen der Einkommensverteilung, die in den oberen 10%, den oberen 1% und den oberen 0,1% rangieren. Viele der grundlegenden Ursachen der Ungleichheit treffen in ähnlicher Form auch auf die Top-Einkommensbezieher zu. Dennoch nehmen die oberen Perzentile eine Sonderstellung in der Einkommensverteilung ein, welche wir in diesem Kapitel unter die Lupe nehmen wollen.
Die Werte der Wirtschaft (11)
Eigener Besitz ist besser als staatliche Angebote
Lehren aus der Verhaltensökonomik
Die Einkommen und Vermögen in Deutschland sind ungleich verteilt, und die jüngere empirische Evidenz lehrt, dass die Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen in Zukunft weiter ansteigen dürfte, wenn der Staat nicht korrigierend eingreift. Hierzu aber ist eine zunehmende Umverteilungsmaschinerie notwendig. Dies bedeutet, dass immer mehr private Einkommen erst staatliche Hände durchlaufen müssen, um es umverteilen zu können.
Pro & Contra
Geht die Schere zwischen Arm und Reich bei uns auseinander?
Eine mehr oder weniger stark empfundene soziale Ungerechtigkeit treibt weite Teile der Bevölkerung in Deutschland um, aber auch viele Politiker und Ökonomen. Die erste strittige Frage ist, woran man sie festmacht: An ungleichen Einkommen? Am ungleich verteilten Vermögen? Oder an ungleichen Chancen? Konsens besteht darüber, dass in einer sozialen Marktwirtschaft eine Ergebnisungleichheit nicht zu vermeiden, wahrscheinlich sogar unabdingbar ist, um die richtigen Anreize zu setzen. Doch wenn die Schere zu weit auseinandergeht, sorgt dies für sozialen Unfrieden. DIW-Direktor Marcel Fratzscher und RWI-Präsident Christoph M. Schmidt sind unterschiedlicher Meinung darüber, ob die Ungleichheit in den letzten Jahren zugenommen hat und folglich natürlich auch darüber, worauf diese Feststellung fußt.
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Geht die Schere zwischen Arm und Reich bei uns auseinander?“ weiterlesen
Contra Mieterstrom
Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgt in Deutschland in einem rasanten Tempo. So stieg der Anteil „grünen“ Stroms am Stromverbrauch von unter 7% im Jahr 2000, als das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführt wurde, auf 32% im Jahr 2016. Dies hat seinen Preis: Rund 25 Mrd. Euro pro Jahr lässt Deutschland sich die Förderung mittlerweile kosten – mehr als drei Mal so viel, wie die Bundesrepublik jährlich für Entwicklungszusammenarbeit ausgibt.
Achtung Statistik
Ungleiche Verteilung
Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die (Un-)Gleichheit der Verteilung von Vermögen oder Einkommen wieder ein zentrales Thema im aufkommenden Bundestagswahlkampf sein wird. Für eine sachliche Diskussion stellt sich damit die Frage, wie man die (Un-)Gleichheit sinnvoll messen kann, um beispielsweise einen Vergleich über die Zeit oder zwischen Ländern zu ermöglichen. Hier kann einem das statistische Maß des Gini-Koeffizienten helfen. Der Gini-Koeffizient misst die Abweichung der jeweiligen Verteilung von einer fiktiven Situation der absoluten Gleichverteilung. Gleichverteilung bedeutet hierbei, dass zum Beispiel im Falle der Vermögensverteilung alle den identischen Besitz haben. In diesem Fall nimmt der Gini-Koeffizient den Wert 0 an. Besitzt hingegen einer alles und alle anderen besitzen gar nichts, liegt der extremste mögliche Wert der Ungleichverteilung vor und der Gini-Koeffizient nimmt den Wert 1 an.