In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche neue Energiegenossenschaften gegründet, weitere sind in Vorbereitung. Dies ist nicht überraschend, bewähren sich doch Genossenschaften in jenen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen ganz besonders, die einem starken Wandel ausgesetzt sind.
Komplexe Motivlage
Nicht immer scheint jedoch das genossenschaftliche Geschäftsmodell in seiner Gesamtheit den Ausschlag zu geben. Manchmal blenden überzogene und unrealistische Renditeversprechen, manchmal passt ein überkommenes Bild von genossenschaftlicher Kuschelromantik zu den Vorstellungen einer Stromversorgung, die völlig unabhängig von realistischen Kalkulationen auskommen würde: die „ideelle Rendite“ tritt dann in den Vordergrund und die von den Stromverbrauchern geförderte Energiewende machts möglich. Solch überzogene und unrealistische Erwartungen drängen dann manchmal die unzweifelhaft vorhandenen Vorzüge von Energiegenossenschaften schnell in den Hintergrund. Von vielen Bürgern, Unternehmen und Kommunen werden jedoch gerade diese erkannt und genutzt.
Vielfältige Aktivitäten
Genossenschaftliche Kooperationen in der Energiewirtschaft weisen eine lange Tradition auf. Nun sind sie neuerlich in den Mittelpunkt des genossenschaftlichen Gründungsgeschehens gerückt. Ihre Aktivitäten und ihre Gründungszwecke, ihre Ziele sowie ihre konkreten Ausgestaltungen sind äußerst vielfältig. Im vergangenen wurden in Deutschland weit über 300 Energiegenossenschaften gegründet. Hervorzuheben ist, dass die Initiatoren und Moderatoren von Gründungsprozessen in der Energiewirtschaft häufig aus der genossenschaftlichen Wirtschaft kommen. Dies sind häufig Genossenschaftsbanken, landwirtschaftliche Genossenschaften, andere Energiegenossenschaften oder die genossenschaftlichen Verbände.
Dezentrale Energieversorgung
Die Frage nach den Ursachen für das aktive Gründungsgeschehen liefert viele Faktoren, die sich gegenseitig verstärken. Die Zunahme der technischen Möglichkeiten und der ökonomischen Rahmenbedingungen für eine Dezentralisierung der Energieversorgung, die gestiegenen Wünsche von Menschen, mehr Einfluss auf wichtige Angelegenheiten zu gewinnen, die Sensibilisierung für die Nutzung von Energie, die aus erneuerbaren Materialien gewonnen wird sowie gesellschafts- und regionalpolitische Projekte regionaler Wirtschaftskreisläufe haben ein komplexes Umfeld entstehen lassen, das die Neugründung von Energiegenossenschaften außerordentlich beflügelt hat.
Energiewende
Es muss klar gesehen werden, dass die staatliche Förderung der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Ressourcen, die im Zusammenhang mit der Energiewende und ihren einzelnen Etappen, politisch entschieden wurde, einen zusätzlichen Gründungsimpuls mit sich gebracht hat. Eine Fülle von klima- und energiepolitischen Maßnahmen haben für Haushalte und Unternehmen nicht nur Verhaltensvorgaben mit sich gebracht, sondern auch steuerliche Anreizen, vielfältige Förderungen und Finanzierungszuschüsse. Deren Ansatzpunkte sind ein Brennstoffwechsel, die Einsparung von Energie sowie deren effizientere Nutzung und die Produktion und die Forcierung von erneuerbaren Energiequellen. Nicht immer wird schon hinreichend beachtet, dass diese politischen Maßnahmen Investitionskalküle in einem Bereich beeinflussen, in dem Vieles in Bewegung ist, technische Innovationen gesucht und zukunftsorientierte Weichenstellungen getroffen werden. Besonders hevorzuheben sind die Anreize der EEG-Umlage.
Bestehende Genossenschaften
Landwirtschaftliche Genossenschaften sind in mehrfacher Hinsicht von Klimawandel, Energiewende und den damit verbundenen energiepolitischen Maßnahmen betroffen und nutzen diese für zusätzlich wirtschaftliche Aktivitäten sowie für Substitutionsentscheidungen. Sehr unmittelbar wurde mit der Widmung von Ackerflächen reagiert. So kann es zu einer Konkurrenz zu Futterstoffen und Nahrungsmittel mit weitreichenden Konsequenzen kommen, wenn Biokraftstoffe (z. B. Raps) oder Biogas (z. B. Mais) produziert werden sollen. Raiffeisen-Genossenschaften treten als Organisatoren der Vermarktung von Energiepflanzen auf (z. B. Biodiesel). Mitglieder oder deren Genossenschaften produzieren Biogas und nutzen dieses für die Strom- und Wärmeproduktion. Schließlich übernehmen landwirtschaftliche Genossenschaften Beschaffungs- (z. B. technische Geräte), Vermarktungs- (z. B. Biomasse, Strom) oder Produktionsaktivitäten (Strom). Es hat sich gezeigt, dass in den letzten Jahren auch neue Genossenschaften mit diesen Tätigkeitsfeldern entstanden sind.
Genossenschaftliche Potenzialfelder
Diese Aktivitäten sind auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zu betrachten, der vor allem für den ländlichen Raum Herausforderungen mit sich bringt. Gelingt es die wirtschaftliche Basis durch erfolgreiche Genossenschaften aufzuwerten, kann dies den Anpassungsprozess erleichtern. Dabei eignen sich Genossenschaften besonders zur kollektiven Organisation von homogenen Leistungen wie Energie, zur Produktion von Vertrauensgütern und zur Organisation neuer Wertschöpfungsketten. Wird beachtet, dass sie als Wertschöpfungsnetzwerke mit variabler Zusammensetzung organisiert werden können, dass sie Werte für ihre Mitglieder schaffen und dass zu ihren konstituierenden Merkmalen die regionale Verankerung gehört, zeichnet sich ein vielfältiges Aktivitätsspektrum ab, das noch dadurch erweitert wird, dass genossenschaftlichen Kooperationen die langfristige Orientierung inhärent ist. Vor diesem Hintergrund kann auch die Entstehung genossenschaftlich organisierten Bioenergiedörfern gut erklärt werden.
Energieleistungen
In den vergangenen Jahren hat sich tatsächlich eine außerordentliche Vielfalt an neuen Energiegenossenschaften herausgebildet. Sie sind nicht nur in der Produktion von Energie und in der Versorgung mit Energie tätig, sondern organisieren eine Vielzahl von energiewirtschaftlichen Leistungen. So bieten Handwerkergenossenschaften (1) eine gewerkeübergreifende Organisation von Energiesparmaßnahmen und entsprechende Beratungsleistungen in Form von Wertschöpfungsnetzwerken an. Innovationsgenossenschaften (2) wurden gegründet, um die Erforschung und Entwicklung von Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz und im Bereich der erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Einkaufsgenossenschaften (3) übernehmen den gebündelten Einkauf von „sauberem Strom“. Greenpeace Energy kann als ein genossenschaftliches Unternehmen gesehen werden, dem diesbezüglich eine Pionierrolle und Vorbildfunktion zukommt. Beschaffungsgenossenschaften (4) sind für den gebündelten Einkauf von Baustoffen, energieschonenden Komponenten, etc. zuständig, während Vorproduktgenossenschaften (5) die Produktion von Biogas, Biokraftstoffen und Holz durchführen.
Kraftwerksgenossenschaften
Zahlreiche Kraftwerksgenossenschaften (6) wurden gegründet. Sie produzieren, verwenden und verkaufen Strom aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse. Zu nennen sind Photovoltaik-Genossenschaften, Windparks sowie Biogasgenossenschaften. Oft entstehen solche Unternehmen als Ausdruck des Bürgerengagements. Hier sollte explizit auf einen großen Organisationsbedarf sowie auf die Abhängigkeit von Rohstoffen und Einspeiseregelungen und von diversen Fördermaßnahmen hingewiesen werden. Virtuelle Netzwerke der Kraft-Wärme-Kopplung (7) dienen der Organisation von Einspeisung und Versorgung vieler kleiner dezentraler Kraftwerke und sind geeignet, deren Steuerbarkeit zu verbessern. Beratungsgenossenschaften (8) ermöglichen die Organisation von Maßnahmen „aus einer Hand“, indem auf eine Bündelung und Dokumentation des Know-hows über Energiesparen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie relevante Fördermaßnahmen zurückgegriffen werden kann. „Rundum-Energiegenossenschaften“ (9) übernehmen auf der Grundlage eigener Kraftwerke und Lieferverträge die Beratung, Konzeption und Durchführung aller Energiemaßnahmen. Meta-Genossenschaften (10) vernetzen einschlägige Genossenschaften zu Verbünden, um Größen- und Kompetenzvorteile zu nutzen. Genossenschaften und genossenschaftliche Netzwerke zur Interessenvertretung (11) bündeln schließlich Informations-, Kommunikations- und Lobbyingaktivitäten.
Regulatorisches Risiko
Bei dieser Vielfalt an Gründungskonstellationen sollte nicht die manchmal an den Tag gelegte Begeisterung die strenge Kalkulation der Geschäftsfelder dominieren. Generell gilt es, das vorhandene regulatorische Risiko zu berücksichtigen (z. B. neue EU-Regelungen, EEG-Novelle) und den Energiemarkt in seiner Gesamtheit im Auge zu behalten. Manche der aufgezeigten Aktivitäten werden getrieben durch steuerliche und finanzielle Förderungen, verfügbare Standard-Finanzierungskonzepte, Anlagenanbieter und Berater. Eine konsequente Analyse dieses Umfeldes ist unabdingbar bevor entsprechende Gründungs- und Investitionsprojekte in Angriff genommen werden.
Fazit
Energiegenossenschaften sind eine gut geeignete Reaktion auf die aktuellen energie- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Mit diesen können einzelwirtschaftliche Vorteile erzielt, bürgerschaftliches Engagement umgesetzt und gesellschaftliche Nutzen generiert werden. Die außerordentliche Vielfalt an bereits länger bestehenden und neuen Energiegenossenschaften zeigt, dass die Menschen diese Form der Selbsthilfe entdeckt haben und positiv einschätzen. Dabei ist es sehr wichtig, weder die „ideelle Rendite“ noch die heute regulatorisch zugestandene Rendite über zu bewerten. Gerade die politische und mediale Diskussion dieser Tage legt es sehr nahe, die regulatorischen Risiken im Auge zu behalten und ebenso die Tatsache, dass es nicht im Kern des genossenschaftlichen Geschäftsmodells liegt, mit überhöhten Renditen zu werben, sondern das gemeinsam Erwirtschaftete zu investieren. Kurz: Energiegenossenschaften sollten sich auch dann noch rechnen, falls energiepolitische Fördermaßnahmen eingeschränkt werden sollten. Denn in diesem Fall würden die tatsächlichen Renditen sich schnell weit von jenen entfernen, die heute manchmal als garantiert versprochen werden.
Das Paradoxon des Stromsparens liegt darin, dass trotz oder gar wegen des Stromsparens im Privathaushalt, die Kosten je kW steigen werden/oder bereits schon gestiegen sind. Ein Energiesparen in der Breite führt c.p. zu sinkenden Umsätzen, und damit zu geringeren Gewinnen der Stromwirtschaft. Wenn die gleichgewichtige Strommenge sinkt, wird der dieser neuen Menge entsprechende Monopolpreis höher liegen. Somit sind Strompreiserhöhungen des „Energie-Kartells“ die zwangsläufige Folge, wenn die Bevölkerung droht, weniger Strom zu verbrauchen. Dass dennoch negative externe Effekte gesenkt werden können, ist bis heute durch keinen der Befürworter der Energiewende beweisbar. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Das Einsparen fossiler Energieträger hierzulande, führt zu steigendem CO2-Ausstoß andernorts auf der Welt, weil die unseren Nachfrageverzicht auffangen.
Gerade die Bauern in D zeigen uns eindrucksvoll, wie man sich über das Abschöpfen von Subventionen bereichern kann. Sie nennen es hier in Ihrem Artikel: „einzelwirtschaftliche Vorteile“. Neben der direkten Förderung der Landwirtschaft durch EU-Mittel werden auch noch die „Energieeinspeisefördertöpfe“ geleert. Dies führt u.a. dazu, dass viele Bauern Dachflächen neu schaffen, um noch mehr Solarpanels unterzubringen. Man glaubt gar nicht, wie viele Bauern Millionäre sind, und trotzdem jammern.