Die deutsche Wirtschaft durchlebte nach dem Durchhänger im Jahr 2012 zunächst einen schlechten Start in das Jahr 2013. Ein schwacher Außenhandel und die schon seit geraumer Zeit rückläufigen Investitionen können dies erklären. Nicht zuletzt hat auch der harte Winter kurzfristig der Bauwirtschaft zugesetzt. Mittlerweile haben sich die wirtschaftlichen Perspektiven wieder etwas aufgehellt. Die deutsche Wirtschaft schwenkt im Jahresverlauf 2013 auf einen Erholungspfad ein. Dieser wird allerdings nicht steil ansteigen. Sie atmet dabei stark im Rhythmus der schwankenden Weltwirtschaft.
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In Europa kam es in den letzten beiden Jahren zu einer breit angelegten Rezession. Dabei brach im vergangenen Jahr die Wirtschaftsleistung nicht nur in den prominenten Krisenländern des Euroraums – Griechenland, Portugal und Spanien – ein. Auch in anderen europäischen Ländern innerhalb und außerhalb des gemeinsamen Währungsraums ging das reale BIP zurück – zum Beispiel in Belgien, Italien, Dänemark, Finnland und in den Niederlanden – oder kam kaum von der Stelle – zum Beispiel in Irland, Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweden, im Vereinigten Königreich und in der Schweiz. Die Anpassungslasten infolge der Staatsschulden- und Bankenprobleme haben sich flächendeckend in den Wirtschaftsbilanzen der europäischen Länder niedergeschlagen. Sie schüren Unsicherheit und verdunkeln nicht nur die kurzfristigen wirtschaftlichen Perspektiven. Die mittel- bis langfristige Folgeschäden zeigen sich vor allem an der im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr einbrechenden Investitionstätigkeit in Europa (Abbildung 1). Investitionen bestimmen über die Entwicklung des Wachstumspotenzials einer Volkswirtschaft. Eine andauernde Investitionszurückhaltung schwächt auf längere Zeit das Wirtschaftswachstum. Einzig Norwegen nimmt in Europa wegen seiner Rohstoffausstattung beim Wachstum und bei den Investitionen eine herausragende Position ein. Diese Breitenwirkung zeigt zum einen, dass Struktur- und Anpassungsprobleme in nahezu allen europäischen Ländern bestehen. Zum anderen spiegelt dies auch die wirtschaftliche Verflochtenheit unter den europäischen Volkswirtschaften wider.
Zugleich waren im vergangenen Jahr markante Bremswirkungen in den Schwellenländern zu verzeichnen. Damit hat die Weltwirtschaft erheblich an Schwung und an Wachstumsphantasie verloren. Nicht nur in den großen aufstrebenden Volkswirtschaften China, Indien, Russland und Brasilien kam es zu einer langsameren Gangart. Auch eine Reihe von weiteren wichtigen Schwellen¬ländern – zum Beispiel Mexiko, Thailand oder die Türkei – haben an Expansionstempo eingebüßt: Zum Ersten hatte die Schwäche in den fortgeschrittenen Län¬dern Rückwirkungen auf die aufstrebenden Länder. Dies zeigt sich am deutlich abgeflachten Welthandel. Zum Zweiten wurden die schon seit geraumer Zeit latent vorhandenen Strukturprobleme in einer Reihe von wichtigen Schwellenländern stärker sichtbar. In China sind beispielsweise die vergleichsweise hohe Exportlastigkeit und sektorale Überkapazitäten zu nennen. Russland ist immer noch stark von der globalen Rohstoffnachfrage abhängig. In Indien spielt die Staatsnachfrage eine verhältnismäßig große Rolle im gesamtwirtschaftlichen Leben. Zum Dritten entstand auch eine übermäßig hohe Vorsicht vor abrupten Kapitalabflüssen. Die Andeutungen einer Abkehr der US-Notenbank von ihrer überreichlichen Geldmengenexpansion schürten die Befürchtungen vor Zinserhöhungen und dadurch ausgelösten Kapitalströmen weg von den aufstrebenden Ländern. In diesem von Zahlungsbilanzkrisen verängstigtem Umfeld kam es bereits zu heftigen Bewegungen an den Währungsmärkten (Abbildung 2). In den Abwertungsländern kann dies den Reformdruck mindern, weil die Exportsektoren Rückenwind verspüren. Gleichzeitig verteuert sich aber auch die bestehende Auslandsverschuldung.
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Die geopolitische Lage hatte in den vergangenen Quartalen für zusätzliche Vorsicht gesorgt. Vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika besteht weiterhin eine vergleichsweise hohe politische Unsicherheit. Der Atomstreit mit dem Iran hielt an. Die politische Lage in Ägypten verschlechterte sich zeitweise erheblich. Und nicht zuletzt verschärfte sich die Situation in Syrien. Dies lähmt nicht nur das Wirtschaftsleben in den Krisenländern und der ganzen Region. Zeitweise schlugen sich diese Entwicklungen auch kurzfristig an den Ölmärkten nieder. Gleichwohl waren die bisherigen Auswirkungen dort vergleichsweise gering (Abbildung 3). Nicht zuletzt führten auch die Unruhen in Brasilien deutlich vor Augen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den aufstre¬benden Ländern kein Selbstläufer ist – trotz des breiten Rückenwinds, den Brasilien durch die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr und die Olympischen Spiele zwei Jahre später verspüren sollte.
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All diese Entwicklungen haben zu einer breitflächig deutlich ruhigeren Gangart der Weltwirtschaft beigetragen. Vor allem haben sie die Investitionsanreize in vielen Ländern – trotz extrem niedriger Zentralbankzinsen in allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften – vermindert. Trotz alledem haben sich die weiteren Perspektiven in jüngster Zeit wieder aufgehellt:
- Die wirtschaftliche Krise hat sich in den europäischen Ländern im Jahresverlauf 2013 nicht weiter verschärft (Abbildung 4a). Viel¬mehr ist erfreulich, dass in einer Reihe von Ländern die Talsohle erreicht und möglicherweise auch die Trendwende eingeleitet wurde. Allerdings ist es vor allem in den südeuropäischen Krisenländern noch ein weiter Weg hin zu einer Normalauslastung. Die erschreckend hohe Arbeitslosigkeit spiegelt dies wider (Abbildung 4b). In vielen Ländern bestehen weiterhin Struktur- und Wettbewerbsprobleme in einem nicht geringen Umfang – vor allem an den Arbeits- und Gütermärkte. Die Innovationsleistungen müssen in vielen Ländern deutlich verbessert werden. Selbst in den Ländern, die Reformen eingeleitet haben, brauchen die Maßnahmen aber einfach auch Zeit, um ihre wirtschaftliche Kraft zu entfalten. Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht jedenfalls mit ihren außergewöhnlichen – und auch umstrittenen – geldpolitischen Maßnahmen, die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors zu erhalten und die Reformmaßnahmen zu unterstützen. Dies hat zumindest dazu geführt, dass die Europäische Währungsunion nicht auseinandergebrochen ist. Ob die Länder, diese von der Zentralbank finanzierte Zeit nutzen, um den Reformprozess und die Restrukturierungen voranzutreiben oder um die notwendigen Reformen zu verschleppen und zu verwässern, wird sich erst noch zeigen.
- Die Entwicklung in den USA und Japan wird im weiteren Betrachtungszeitraum aufwärtsgerichtet bleiben. Die Erholung an den Arbeitsmärkten trägt hierzu bei. Gemessen an den europäischen Perspektiven sind die Wirtschaftsaussichten in den USA und in Japan gut. Gemessen am Vorkrisenniveau fällt die erwartete Wachstumsperformance der USA allerdings bescheiden aus. Dabei muss sicherlich auch darüber nachgedacht werden, ob diese geld- und fiskalpolitisch aufblähten Jahre, ganz zu schweigen von der hohen Verschuldung der privaten Haushalte, als eine vernünftige Orientierungsgröße dienen können. Zumal auch derzeit die hohen geld- und fiskalpolitischen Impulse in beiden Ländern nicht übersehen werden dürfen. Es wird sich zeigen, ob sie mehr als ein Strohfeuer entfachen. Jedenfalls helfen sie nicht, die strukturellen Probleme in beiden Ländern zu beheben. Die Bürde der hohen und ansteigenden Schuldenberge lastet weiter auf diesen großen Volkswirtschaften. Sie bergen auch ein nicht unerhebliches konjunkturelles Risiko, wie beispielsweise der wieder auflodernde Budgetstreit und der „government shutdown“ in den USA zeigen.
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- Die Schwellenländer bleiben auf Wachstumskurs, allein schon als eine Folge ihrer wachsenden Bevölkerungen und der damit einhergehenden Wirtschaftsimpulse auf der Angebots- und Nachfrageseite. Allerdings wird das Expansionstempo derzeit und auch künftig schwächer ausfallen als in der vergangenen Dekade. Eine Reihe von Strukturproblemen – zum Beispiel auf den Güter- und Arbeitsmärkten durch einen vergleichsweise hohen Staatseinfluss – schlagen sich in einem flacher verlaufenden Produktivitätspfad nieder. Dazu kommen Governance-Probleme und institutionelle Defizite in den aufstrebenden Volkswirtschaften, die insbesondere in wirtschaftlich weniger dynamischen Zeiten in den Vordergrund rücken und schnell für Verunsicherung sorgen können.
Insgesamt haben sich die globalen Perspektiven zuletzt wieder aufgehellt. Der früher gewohnte Schwung wird der Weltwirtschaft jedoch fehlen. Zu stark leiden rund um den Globus die Länder unter Strukturproblemen. Der politische Wille, diese Probleme ernsthaft zu sehen und anzugehen, ist vielerorts schwer zu erkennen.
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