Die turbulenten Preisverwerfungen auf den Aktienmärkten im Jahr 2000 und auf den Immobilienmärkten in den Jahren 2007-2008 sowie deren weltwirtschaftlichen Folgen haben deutlich gemacht, welche bedeutsame Rolle die Preisentwicklung von Vermögenswerten wie Aktien oder Immobilien für die globale Wirtschaft haben. Die ökonomische Analyse von Vermögenspreisentwicklungen ist jedoch keineswegs ein neues Forschungsfeld. In diesem Jahr wurden mit Eugene Fama, Robert Shiller und Lars Peter Hansen drei US-amerikanische Ökonomen mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet, die sich schon früh intensiv mit dieser Thematik beschäftigt haben.
Das Nobelpreiskomitee hat die drei Forscher für ihre Arbeiten prämiert, mit denen entscheidend sie zum besseren Verständnis der Preisbildung von Vermögenswerten (Assets) beigetragen haben. Zentrale Aspekte sind dabei die Frage nach einer möglichen Prognostizierbarkeit von Preisentwicklungen auf den Finanzmärkten sowie die Rationalität von Akteuren auf den Finanzmärkten.
Die Preisvergabe ist dabei jedoch nicht unumstritten: Da die Preisträger in diesen Fragen zu teilweise gegensätzlichen Ergebnissen gelangt sind, wurde der Entscheidung von der Öffentlichkeit mit gemischten Reaktionen begegnet. Während manche Kommentatoren die diesjährige Preisvergabe begrüßen, äußern Andere Unverständnis über die aus ihrer Sicht widersprüchliche Entscheidung. Es lohnt sich also, das akademische Lebenswerk der Preisträger und die Argumente des Nobelpreiskomitees genauer zu beleuchten. Einige der scheinbaren Widersprüche lassen sich so auflösen und die Entscheidung so besser nachvollziehen. Die Preisvergabe wirft auch ein Schlaglicht auf die Natur der Wirtschaftswissenschaften als wissenschaftliche Disziplin.
1. Die Bedeutung von Vermögenspreisentwicklungen
Finanzmärkte, auf denen Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Unternehmensanleihen oder staatliche Anleihen gehandelt werden, stehen im Mittelpunkt einer Vielzahl von ökonomischen Transaktionen und Entscheidungsproblemen. Die Preise dieser Vermögenswerte bilden den zentralen Allokationsmechanismus, über den große Teile des wirtschaftlichen Handelns koordiniert werden.
Individuelle Entscheidungen über das Sparverhalten, das Investieren in Anleihen und Aktien oder den Erwerb einer Immobilie, unternehmerische Entscheidungen über Investitionen und Kapitalallokation, aber auch die Solvenz von Rentenversicherungssystemen oder Regierungen hängen von der Preisentwicklung verschiedener Vermögenswerte ab. Entsprechend groß ist das ökonomische Interesse, diese Preisentwicklungen verstehen und möglichst sogar prognostizieren zu können.
In den 1960er Jahren stand die Theorie vollkommener Märkte im Mittelpunkt der ökonomischen Analyse. Unter den idealtypischen Bedingungen friktionsloser Märkte mit vollkommenem Wettbewerb konnte die Preisbildung aus theoretischer Sicht analysiert werden. Finanzmärkte wie Aktien- und Anleihemärkte galten dabei als reales Pendant dieser theoretischen Idealvorstellung.
2. Der Beitrag Famas: Effiziente Märkte als Benchmark
Der an der University of Chicago tätige Eugene Fama hat sich bereits in den 1960er Jahren der ökonomischen Analyse der Preisbildung auf Aktienmärkten gewidmet und diese Disziplin entscheidend geprägt. Ein frühes Beispiel der einflussreichen Forschung Famas ist die vom Nobelpreiskomitee besonders hervorgehobene Studie von Fama et al. (1969), worin die Autoren empirisch untersuchen, wie Aktienkurse auf neue Informationen reagieren. In einer Event-Studie werden die Aktienkursentwicklungen analysiert, die sich als Reaktion auf angekündigte Aktiensplits ergeben. Würden sich die Kurse nur langsam an den in diesem Zusammenhang veränderten erwarteten Dividendenstrom anpassen, so wäre es möglich, die Kursentwicklung kurzfristig zu einem gewissen Grade zu prognostizieren. Wie Fama et al. (1969) jedoch zeigen, ist dies nicht der Fall, da die Märkte die neuen Informationen sehr schnell verarbeiten und in den Kursen einpreisen.
Die Ergebnisse dieser und nachfolgender Studien haben Fama zu der Überzeugung kommen lassen, dass Finanzmärkte effizient sind. In Fama (1976) untergliedert er den sehr eng mit seinem Schaffen verbundenen Begriff der Markteffizienz in drei verschiedene Kategorien: Die schwache Form von Markteffizienz liegt vor, wenn die gegenwärtigen Preise die historischen Kursverläufe wiederspiegeln, die halbstarke Form der Effizienz liegt vor, wenn die Preise zusätzlich auch alle öffentlichen Informationen (z.B. Fundamentalfaktoren) wiederspiegeln, und die starke Form der Markteffizient liegt vor, wenn alle marktrelevanten öffentlichen und privaten Informationen in die Aktienkurse eingepreist sind.
Als Folge ergibt sich nach Fama die Random-Walk-Hypothese, laut der bei Vorliegen effizienter Märkte alle Aktienkurse zufällig um ihren intrinsischen Wert schwanken, so dass auf Dauer niemand systematisch den Markt schlagen kann. In den 1970er Jahren war die Effizienzmarkthypothese weitgehend anerkannt. Diese auf Fama zurückgehende Ansicht gab auch den Anstoß zur Entwicklung der Indexfonds als Gegenteil von aktiv gemanagten Fonds. Dies zeigt, dass Famas Wirken nicht nur auf den akademischen Bereich beschränkt ist, sondern auch direkten Einfluss auf die Finanzwelt hatte.
Neben diesen Arbeiten hat Fama außerdem viele weitere wichtige wissenschaftliche Beiträge geliefert, so zum Beispiel das nach ihm und seinem Koautoren Kenneth French benannte Fama-French Three-Factor-Model (Fama und French 1992, 1993). Dieses stellt eine Erweiterung des Capital Asset Pricing Model (CAPM) um die weiteren erklärenden Faktoren Marktkapitalisierung und Buchwert-zu-Marktwert-Verhältnis dar und ist bis heute ein Standardwerkzeug des Asset Pricing. Um den Fortschritt in der empirischen Wertpapieranalyse hat sich Fama außerdem durch sein Engagement in dem an der University of Chicago angesiedelten Center for Research in Security Prices verdient gemacht, das eine sehr bedeutsame Datenquelle für empirische Analysen darstellt.
Es lässt sich festhalten, dass Famas wissenschaftliche Beiträge sowohl methodische als auch inhaltliche Innovationen darstellen und dass seine Arbeiten eine stark empirisch orientierte und auf breiter Datenbasis fußende Forschung darstellt. Die öffentliche Wahrnehmung Famas ist bis heute von seiner Überzeugung der grundsätzlichen Effizienz der Märkte geprägt. So stellt er auch nach den Erfahrungen der Aktien- und Immobilienmarktkrisen der letzten 15 Jahre die Existenz von spekulativen Preisblasen in Frage. Diese Haltung bringt ihm sehr viel Kritik ein, nicht zuletzt auch vom gleichzeitig mit ihm prämierten Robert Shiller.
3. Der Beitrag Shillers: Abweichungen vom Ideal vollkommener Märkte
Der an der Yale University tätige Robert Shiller galt schon lange als ein wahrscheinlicher Kandidat auf einen Nobelpreis. Das Nobelpreiskomitee zeichnete ihn insbesondere für seine frühen Arbeiten zum Zusammenhang zwischen Aktienkursen und ex-post realisierten Divendenden aus, welche auf einer einfachen Argumentation beruhen: Da eine Aktie eine Verbriefung späterer Dividendenströme darstellt, ist aus theoretischer Sicht zu erwarten, dass in einem effizienten Aktienmarkt mit rationalen Marktteilnehmern höhere Aktienkurse auf im Erwartungswert höhere spätere Dividenden hindeuten.
Shiller (1981) vergleicht ex-post realisierte diskontierte Dividendenströme mit den historischen Kursen repräsentativer Aktienindizes und zeigt, dass die Aktienkurse weitaus volatiler sind, als es die entsprechenden später realisierten Dividenden erklären könnten. Zunächst wurde von Shiller dabei ein konstanter Diskontierungssatz angenommen. Aber auch die mögliche Erklärung, dass die Kursschwankungen durch stark variierende Zinssätze hervorgerufen wird, ist laut Shiller nicht haltbar: Eine entsprechend hohe Variation findet sich nicht in den nominalen Zinsen wieder und kann sich somit auch nicht in den (erwarteten) realen Zinssätzen niederschlagen. In weiteren Analysen mit seinem Koautoren John Campbell lieferte Shiller auch methodische Innovationen unter Anwendung der Kointegrationsanalyse, die es erlauben, Kursreaktionen auf neue Informationen über die zu erwartenden Cash Flows und die Diskontierungsrate zu analysieren (Campbell und Shiller 1987, 1988).
Im Gegensatz zu den Folgerungen Famas über die kurzfristige Unmöglichkeit der Kursvorhersage kommt Shiller insgesamt zu dem Ergebnis, dass Aktienkursentwicklungen unter gewissen Bedingungen über einen längeren Zeithorizont prognostiziert werden können. So kann zum Beispiel ein außerordentlich hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis einer Aktie langfristig darauf hindeuten, dass diese Entwicklung durch fallende Kurse wieder korrigiert wird. Als Schlussfolgerung dieser Ergebnisse verwarf Shiller die von Fama propagierte Effizienzmarkthypothese als empirisch nicht haltbar.
Bereits in diesen Arbeiten zeigte Shiller also, dass es auf den Aktienmärkten zu exzessiven Schwankungen kommen kann, welche nicht rational durch fundamentale Daten zu erklären sind. Diese Erkenntnis zieht sich auch wie ein roter Faden durch sein späteres Werk. Shiller gilt als ein Vorreiter der wissenschaftlichen Teildisziplin Behavioral Economics, mittels derer verhaltensökonomische Ursachen für Abweichungen vom Paradigma der effizienten Märkte analysiert werden. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Shiller vor allem durch seine populärwissenschaftlichen Werke Irrational Exuberance aus dem Jahr 2000 und Animal Spirits (mit Koautor George Akerlof) aus dem Jahr 2009 bekannt. In diesen Werken behandelt Shiller eine Reihe von psychologischen Erklärungsmustern für irrationales wirtschaftliches Verhalten, das zum Beispiel zu spekulativen Preisblasen auf Aktien- oder Immobilienmärkten führen kann, welche unter großem gesamtwirtschaftlichen Schaden platzen können. Nicht zuletzt durch diese Beiträge gilt Shiller heute in der Öffentlichkeit weithin als „Krisenprophet“. Neben diesen Werken lieferte Shiller auch entscheidende Beiträge für die Datengrundlage empirischer Vermögenspreisanalyse: Der von ihm mit entwickelte sog. Case-Shiller-Index stellt heute einen der bedeutendsten Preisindikator für den US-amerikanischen Immobilienmarkt dar.
4. Der Beitrag Hansens: Ökonometrisch fundierte Vermögenspreisanalyse
Lars Peter Hansen, der wie Fama an der University of Chicago lehrt und forscht, wurde vom Nobelpreiskomitte insbesondere für die Entwicklung und Anwendung neuer ökonometrischer Methoden für die Vermögenspreisanalyse ausgezeichnet. Einer der wichtigsten Bausteine der Kapitalmarkttheorie stellen das in den 1970er Jahren entwickelte Capital Asset Pricing Model (CAPM) oder erweiterte Formen wie das Consumption Capital Asset Pricing Model (CCAPM) dar, welches den Zusammenhang zwischen dem Risiko eines Vermögenswertes wie einer Aktie und dem erwarteten Ertrag als Kompensation für die Übernahme dieses Risikos formalisiert.
Vor Hansens innovativen Beiträgen scheiterte die rigorose empirische Analyse dieses theoretischen Modellrahmens daran, dass die zu schätzende Hauptgleichung nicht-linear ist. Dies ließ zunächst nur indirekte empirische Überprüfungen des CCAPMs zu. Hansen (1982) hat jedoch mit der sog. verallgemeinerten Methode der Momente (Generalized Method of Moments, GMM) ein sehr universell einsetzbares ökometrisches Werkzeug beschrieben, welches die rigorose Schätzung nicht-linearer Rational-Expectations-Modelle erstmals möglich machte. Die GMM-Schätzung benötigt nur sehr schwache Annahmen über die stochastischen Eigenschaften der Variablen und den zugrunde liegenden ökonomischen Funktionszusammenhang. Die GMM-Methodik zeichnet insbesondere aus, dass sehr viele bestehende ökonometrische Schätzverfahren wie die Methode kleinster Quadrate (OLS), die Maximum-Likelihood-Methode oder Instrumentalvariablenansätze wie das Two-Stage-Least-Squares alle als Spezialfälle des GMM hergeleitet werden können. Aufgrund der Flexibilität des GMM-Ansatzes wird diese Methodik heutzutage in sehr vielen Bereichen der modernen Zeitreihen- und Panelökonometrie angewendet.
Hansen, der an der Schnittstelle zwischen Makroökonomik und Finanzwirtschaft forschte, hat die von ihm entwickelte GMM-Methodik selber angewendet, um neue Erkenntnisse über die Gültigkeit des CCAPM zu erlangen. Hansen und Singleton (1982, 1983) kommen auf Basis entsprechender empirischer Analysen zu der Schlussfolgerung, dass das Verhalten von Aktienpreisen nur schwerlich mittels fundamentaler Daten zu erklären ist, da die Schwankungen in den beobachteten Aktienkursen höher sind als aus theoretischer Sicht zu erwarten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen Shillers. Die empirische Ablehnung der Grundform des CCAPM wiederum inspirierte neue theoretische Weiterentwicklungen und Verfeinerungen sowie empirische Tests dieser neuen Modelle.
Neben diesen vom Nobelpreiskomitee besonders hervorgehobenen wissenschaftlichen Beiträgen forscht Hansen außerdem an einer Vielzahl weiterer Gebiete, so zum Beispiel auf dem Gebiet der makroökonomischen Modellbildung, in dem er auch mit dem Nobelpreisträger Thomas Sargent eng zusammenarbeitet.
““ Den gesamten Beitrag und die dazugehörige Literatur finden Sie in WiSt – Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 12, 43. Jg. (2013), S. 697-701. ““
- Nobelpreis
Empirische Analyse von Vermögenspreisent-wicklungen - 10. Dezember 2013