Gastbeitrag
„Soziale Dividende“
Utopie & realistische Politikoption

Die Idee einer „sozialen Dividende“, die von einem noch zu schaffenden Staatsfonds als Art „kleines Bürgergeld“ ausgezahlt wird, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vorschlägt,[1] ist Utopie und realistische Politikoption zugleich.

Politikoption

Sie muss Politikoption werden, da die Grundmotivation, Menschen am Produktivkapital zu beteiligen und ihnen eine („soziale) Dividende“ daraus zugutekommen zu lassen, richtig ist:

  • Kapitalaufbau und Vermögen können nur mittels Beteiligung an der Risikoprämie erfolgen. Sie ist der eigentliche Treiber des Wohlstandes, aber auch der Ungleichheit bei der Vermögensverteilung. Wer weniger Ungleichheit will, muss die Beteiligung am Realkapital und damit an der Risikoprämie wollen.[2] – Das ist die eigentliche Erkenntnis, die wir von Thomas Piketty davon tragen können.[3]
  • Die technologische Entwicklung in den OECD-Ländern zeigt schon heute, dass es zu einer Verlagerung vom Lohn- zum Kapitaleinkommen gekommen ist, die sich voraussichtlich fortsetzen wird.[4] Dies alleine ist kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil. Gerade in Anbetracht unserer demographischen Entwicklung wäre es sogar gut, wenn die Roboter (= das Kapital) mehr und mehr Arbeit übernähmen, und wir in Zukunft stärker von den Kapitaleinkünften lebten.[5]

Politikutopie

Der Durchführungsweg eines zentralstaatlich verwalteten Fonds, der in Aktien investiert und an die Bürger Dividenden als kleinere Form eines Grundeinkommens auszahlt ist aus mehrerlei Aspekten allerdings fragwürdig:

  • Finanzierung: Wie die Autoren der Studie aufzeigen, müsste der Fonds mit Kapital ausstaffiert werden, das z.B. aus der Umwidmung von Subventionen, auch von Subventionen zur Sparförderung stammt, oder der Staat müsste sich mittels Krediten refinanzieren. Er würde Spar- und Anlageentscheidungen der Privaten auf einen Durchführungsweg zentralisieren. Das ist eine Anmaßung von Herrschaftswissen (Friedrich von Hayek lässt grüßen). Kommt Kreditfinanzierung dazu mag diese langfristig gut gehen. Ist es aber die Aufgabe eines Staates zum Vermögensverwalter seiner Bürger zu werden – noch dazu mit Leverage-Risiko?
  • Wettbewerb: Die Kapitalmärkte leben vom Wettbewerb um Anlagegelder. Die damit verbundenen Analyseprozesse sorgen für informationseffiziente(re) Märkte, und konkurrenzfähige Margen bei der Vermögensverwaltung. Warum muss für die Kapitalanlage zur Generierung einer sozialen Dividende eigens ein Staatsfonds eingeführt werden? Dieser bringt nicht nur Wettbewerbsverzerrung mit sich, sondern ist auch mit Blick auf die Governance, die Marktneutralität und die Teilhabe der Bürger problematisch.
  • Governance: Der Staat als größte Kapitalsammelstelle (die Autoren der Studie gehen in Abhängigkeit vom unterstellten Realzins von einem benötigten Anlagevolumen zwischen knapp 900 Mrd. Euro (8% Realzins) und 6.000 Mrd. Euro (2%) aus) könnte alleine durch die gehaltenen Kapitalanteile an den Firmen zu einem kartellartigen Verhalten führen, da sich alle zuerst nach ihrem wichtigsten Shareholder richten, ganz zu schweigen von dessen direkten Eingriffsmöglichkeiten auf die Unternehmen über den Weg der Aufsichtsräte. Ordnungspolitisch aber sollten die Gestalter der Spielregeln (der Gesetzgeber) nicht gleichzeitig auch die Spieler auf dem Feld der Unternehmensführung sein.
  • Allokation: Bei der vorgezeichneten Größe der zu investierenden Gelder wären An- und Verkäufe mit größeren Marktverwerfungen verbunden, da große Volumina umgesetzt werden müssten. Das Handeln dieses Staatsfonds wäre nicht marktneutral.
  • Teilhabe: Die Bürger hätten zwar Anteil an den Früchten der Wirtschaft, könnten ihre Eigentumsrechte an den Firmen aber nicht selbst wahrnehmen.

Realistisch

Also warum Staatsfonds und Staatsbeteiligungen? Warum kann der Kapitalaufbau nicht in privater Hand erfolgen und zu den gleichen Auszahlungsströmen führen, ohne dass ein hoch verschuldetet Staat einen Fonds dotieren muss? Dass dies keine Utopie ist zeigt folgende Berechnung:

Es wird unterstellt, ein Sparplan auf deutsche Aktien, wie sie vom DAX beispielhaft repräsentiert werden, wäre seit 1976 (das Jahr, in dem auch das Mitarbeiterbeteiligungsgesetz verabschiedet wurde) steuerlich gefördert worden, z. B. indem Kursgewinne und Dividenden von der Steuer befreit worden wären. Ein Beschäftigter hätte dann monatlich damals 50 D-Mark (heute also etwa 25 Euro) in diesen geförderten Sparplan eingezahlt. Des Weiteren wird unterstellt, dass alle zehn Jahre der Sparbeitrag pro Monat um fünf Euro erhöht wird, um die Inflationsentwicklung annähernd auszugleichen, aber auch um den steigenden Löhnen Rechnung zu tragen. Der Beschäftigte, der von Anfang an dabei war, alles reinvestiert hat und ggf. das entstandene Vermögen weitervererbt hat, hätte im Lauf der Jahre etwas mehr als 16.000 Euro eingezahlt. Stand heute, würde er über knapp 133.000 Euro an Kapital verfügen. Die Risikoprämien, die reinvestieren Dividenden und der Zinseszinseffekt sind die Treiber hinter diesem Vermögensaufbau. Gesamtwirtschaftlich wären beim 40-Jahreszeitraum knapp 2,8 Billionen Euro über die Jahre zusammengekommen. Anders ausgedrückt: Den Deutschen könnte heute der DAX rein rechnerisch 2,2 Mal gehören.

Bei einer Dividendenrendite von 2,5%, wie sie der DAX aktuell (jeweils Stand: Dezember 2017) ausweist, ergäben sich auf ein seit 1976 angespartes Vermögen von 133.000 Euro eine Dividendenausschüttung von 3.325 Euro p.a. – rund 275 Euro pro Monat. Sie nehmen 800 Euro Ausschüttung pro Jahr an. Wer nur die letzten 30 Jahre angespart hätte, würde heute über knapp 34.000 Euro verfügen, was zu einer Dividendenausschüttung von 850 Euro führt. Das ist in beiden Fällen (deutlich) mehr als die Autoren der Bertelsmann-Studie für ihre Berechnungen als Ausgangspunkt wählen.[6]

In guter paulinischer Manier („Prüfet aber alles, und das Gute behaltet“) würde die positive Grundmotivation (Beteiligung am Realkapital) mit einer realistischen Politik verbunden.

Sofortmaßnahmen

Sie möchten eine „soziale Dividende“ ohne staatliche Bevormundung, dafür aber mit Kapitalaufbau in privater Hand? Hier ein Paket an Sofortmaßnahmen:

  • Insgesamt muss das für den Vermögensaufbau zur Verfügung stehende Einkommen vergrößert werden. So sollten die Zwangsbeiträge zur staatlichen Rentenversicherung verringert werden, damit der dann frei werdende Lohnanteil für den Erwerb von kapitalgedeckten Vorsorgeprodukten, wie Mitarbeiterkapitalbeteiligung und Teilhaberfonds genutzt werden kann.
  • Der Vermögensaufbau muss gezielt gefördert werden, wobei alle Durchführungswege steuerlich gleich behandelt werden müssen und in der Ansparphase steuerbefreit werden sollten.
  • Der Vermögensaufbau von Menschen, die nichts oder nur wenig zurücklegen können, sollte mit Blick auf die Unabhängigkeit im Alter ebenfalls gefördert werden. Mehr Kapitalaufbau heute – weniger Transfers über die Sozialleistungen morgen = mehr Mündigkeit.
  • Durch Deregulierung müssen die Rendite senkende Auflagen (wie z.B. die Garantie des Kapitalerhalts) abgeschafft werden.
  • Die immer noch in der Diskussion befindliche Finanztransaktionssteuer muss vom Tisch. Sie ist nichts weiter als eine Mehrwertsteuer, die auf eine Veränderung der Vermögenszusammensetzung erhoben wird. Eine Mehrwertsteuer auf einen Aktivtausch also, der den Aufbau von unternehmerischem Kapital belastet. Grundlos. Wer investiert, spekuliert nicht. Er unterstützt Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen und macht den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv.

Die „soziale Dividende“ wäre eine realistische Politikoption – wenn sie denn richtig ausgestaltet wird.

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[1] Vgl. Bönke; Timm; Frank, Carola; Harnack, Astrid; „Die Soziale Dividende: Utopie oder realistische Politikoption?“; Bertelsmann-Stiftung, Reihe „Inklusives Wachstum für Deutschland“, 2018

[2] Vgl. Naumer Hans-Jörg; „Wer mehr Gleichheit will, muss die Beteiligung an der Risikoprämie fördern“;  Ökonomenstimme vom 13. Jun. 2016

[3] Piketty, Thomas; „Capital in the 21st Century“; 2014

[4] Vgl. dazu OECD; “The Labour Share in G20 Economies, February 2015 und
Destatis; „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen des Bundes;  Zugegriffen: 14. Nov. 2017.

[5] Vgl. dazu auch; Dauth W, Findeisen S, Sudekum J, Woessner N; “German Robots – The Impact of Industrial Robots on Workers“; CEPR Discussion Paper No. DP12306, 14. Sep. 2017 sowie Frey Carl B; Osborne Michael A; “The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?“; Oxford Martin School; September 2013 und Bonin, Holger; “Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland“; ZEW Kurzexpertise Nr. 57; April 2015

[6] Die Berechnungen beruhen auf  Naumer Hans-Jörg; „Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert: Antwort auf Thomas Piketty“; Wirtschaftsdienst, 96 Jahrgang, Heft 3, S.179-184, Heft 3, 2016. Die Berechnungen wurden zum 31. Dezember aktualisiert.

Eine Antwort auf „Gastbeitrag
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Utopie & realistische Politikoption

  1. 100 % Zustimmung! Sehr guter Artikel!
    Das Leben könnte so einfach sein, wenn die Regierung einen nur ließe…

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