Donald Trump verhängt Strafzölle und will so seine Wiederwahl sichern. Die EU reagiert und fletscht ebenfalls die Zähne. Dabei gäbe es viel wirksamere Antworten – und in dem ganzen Chaos sogar eine Chance.
Donald Trump macht ernst. Der US-amerikanische Präsident will sein Wahlversprechen umsetzen und hat Strafzölle auf Stahl und Aluminium verkündet. Die fehlende Rationalität dieser handelspolitischen Maßnahme interessiert ihn nicht. Sehr wahrscheinlich versteht er sie auch nicht. Zweifel und Kritik wischt er weg. Handelskriege zu gewinnen, hält er für ein Kinderspiel: im Zweifel handelt man einfach nicht mehr.
Die Empörung ist nun groß. Der transatlantische Handel sei in Gefahr, es drohe ein Handelskrieg. Selbst unter den Republikanern im Kongress gärt es. Schon jetzt drohen China und die europäische Union (EU) mit Gegenmaßnahmen. Die Stahlindustrie fordert solche Maßnahmen vehement ein. Die EU hat offenbar eine Giftliste mit über 200 Produkten aus den Vereinigten Staaten (USA), für die Gegenmaßnahmen ergriffen werden könnten, aufgestellt. Viele dieser Produkte werden in den republikanisch geprägten Regionen hergestellt. Sondersteuern auf Golfhotels an der europäischen Westküste im US-Besitz stehen wohl nicht drauf, dürften aber die größte Wirkung entfalten.
Interessanterweise sind plötzlich selbst die aufgescheucht, die in den vergangenen Jahren alles daran gesetzt haben, den transatlantischen Freihandel zu verhindern, indem sie mit durchaus zweifelhaften Methoden Massenproteste gegen die Verhandlungen zu transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) initiierten. Eigentlich müssten die entsprechenden Politiker der Linken, der Grünen, der Sozialdemokraten und der Rechten jetzt Dankbarkeitsadressen an Präsident Trump senden.
Sie tun es jedoch nicht – und zwar aus gutem Grund. Es waren nämlich genau jene offenen Märkte, die nicht nur in Deutschland, sondern weltweit für Aufschwung, Beschäftigungszunahme und Armutsbekämpfung gesorgt haben. Es ist das Versäumnis der Bildungs- und Sozialpolitik, dass die Verlierer des vor allem technologie- und weniger globalisierungsbedingten Strukturwandels in den OECD-Ländern keine angemessenen neuen Chancen bekommen haben. Mit Protektionsmaßnahmen wird Präsident Trump diesen Verlierern garantiert nicht helfen.
Allerdings ist das auch sicherlich nicht sein Ziel. Präsident Trump wirkt nicht so, als ob ihn das Schicksal irgendwelcher Verlierer in seinem Land interessiert. Vermutlich will er sich für die anstehenden Wahlen positionieren und seine Unterstützer zufriedenstellen, indem er das Versprechen einlöst. Für den Fall von Gegenmaßnahmen hat Trump weitere Zölle auch auf Automobile, also eine Zoll-Spirale angedroht.
Was ist zu tun? Soll die EU nun ihre Giftliste aktivieren? Es mag sinnvoll sein, diese Liste zu erstellen und bekannt zu geben. Es ist weniger sinnvoll, diese Produkte wirklich mit Strafzöllen zu belegen. Erstens werden die Konsumenten in Europa dadurch geschädigt, dass sie nun höhere Preise für diese Güter zahlen müssen. Insofern stimmt die These, dass bei einem Handelskrieg alle verlieren werden. Zweitens wird der US-Präsident diese Maßnahmen vermutlich effektiv als Beleg der europäischen Perfidie verkaufen können und die Schraube anziehen. Das gilt vor allem dann, wenn ihm am Ergebnis seiner Politik nicht weiter gelegen ist, wie man vermuten muss. Sinkt die Beschäftigung in den Vereinigten Staaten als Folge des von ihm entfachten Handelskrieges, twittert er eben einige Beleidigungen gegen die EU und China und erhöht die Zölle weiter.
Man kann davon ausgehen, dass eine normale Verhandlung mit Präsident Trump wenig Sinn macht, da er gerade nicht am Wohlergehen der USA interessiert ist. Aber es gibt ein Leben nach Trump, und in Washington sitzen nach wie vor sehr viele rationale Entscheider in relevanten Positionen. Mit diesen muss die EU ihre transatlantischen Beziehungen weiterhin pflegen. Sie darf sich nicht provozieren lassen.
Trotzdem sollte sofort eine Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht werden, wenn die Strafzölle auf Stahl und Aluminium wirklich kommen. Selbst wenn die Ergebnisse des Streitschlichtungsverfahrens erst in einigen Jahren feststehen und selbst wenn die US-Administration sich daran nicht gebunden fühlen sollte, ist dieser Weg der richtige. Er ist eine legitime Antwort auf illegitimes und illegales Verhalten.
Dazu sollten die Europäer endlich ihre eigene Doppelzüngigkeit aufgeben. Denn während sie beklagen, dass die US-Administration europäische Exportprodukte benachteiligen will, verhält sich die EU genauso gegenüber vielen Entwicklungsländern. Zolleskalation in der Nahrungsmittelindustrie sorgt dafür, dass die Wertschöpfung in diesem Sektor in der EU verbleibt, weil nur die Rohstoffe dafür aus den afrikanischen oder asiatischen Ländern importiert werden.
Außerdem hat Präsident Trump Recht, wenn er beklagt, dass die EU höhere Zölle gegenüber amerikanischen Autos erhebt als die USA für europäische Fahrzeuge. Man könnte ihm entgegenkommen und die Zölle auf das amerikanische Niveau senken. Paradoxerweise ergibt sich aus der verworrenen Situation sogar eine Chance. Die EU könnte die US-amerikanische Abwendung vom Freihandel dazu zu nutzen, die multilaterale Handelsordnung wiederzubeleben. Zulange schon ist die WTO geschwächt, weil niemand am Abschluss der Doha-Runde interessiert ist und sich viele Länder, darunter die EU, um weitere regionale Integrationsabkommen bemühen. Diese haben immer eine desintegrative Dimension, weil sie zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern unterscheiden. Durch neue multilaterale Initiativen und Stärkung der WTO kann die EU ein echtes Gegengewicht gegen protektionistischer werdende USA bilden und für die Entwicklungs- und Schwellenländer wieder ein ernstzunehmender Partner werden.
Anstatt über Handelskriege zu philosophieren, sollte die EU ihre Verantwortung ernst nehmen und sich als ein kluger und rationaler Verfechter vertieften Welthandels positionieren. Dazu gehört auch, die entwicklungsfeindliche Handelspolitik vor allem im Agrarsektor zu überdenken und auf unnötige Eskalation zu verzichten. Es ist etwa hundert Jahre her, dass eine Protektionsspirale in einem Desaster endete. Daraus sollte die Menschheit gelernt habe, vor allem in Europa. Kommissionspräsident Juncker hat sicherlich Recht mit seiner Behauptung „We can also do stupid“. Aber nicht alles, was man kann, sollte man auch tun.
Hinweis: Der Beitrag ist am 9. März 2018 in der Wirtschaftswoche erschienen.
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Wie soll die EU auf den Handelsstreit reagieren?“