Gastbeitrag
Der Versuch, den Sozialstaat migrationsfest zu machen
Wie macht es Dänemark?

Die Debatte um die Überrepräsentation von Zuwanderern, insbesondere aus nichtwestlichen Ländern, bei den Empfängern staatlicher Transferleistungen und anderer wohlfahrtsstaatlicher Leistungen, wie sie zuerst von Thilo Sarrazin und kürzlich durch den Leiter der Essener Tafel, Jörg Sartor angestoßen wurde, ist keine rein deutsche, sondern wird auch intensiv in unserem Nachbarland Dänemark geführt.

Dies nicht zuletzt dank mehrerer Veröffentlichungen von Danmarks Statistik und dem Finanzministerium, die das Problem der deutlichen Überrepräsentation von nichtwestlichen Zuwanderern bei Sozialleistungen unverblümt aufzeigen. So sind 47 Prozent aller Langzeitbezieher von Sozialhilfe nichtwestliche Einwanderer, bei Ehepaaren, wo beide Partner von Sozialhilfe leben, beträgt der Anteil mehr als 80 Prozent.

Spiegelbildlich dazu passen die Erwerbsbeteiligungsquoten von Zuwanderern nach Herkunftsland. Während sieben von zehn in Dänemark lebenden Norwegern, Deutschen oder Letten einer geregelten Arbeit nachgehen, tun dies durchschnittlich nur 12 Prozent der Syrer, 28 Prozent der Somalier und 34 Prozent der Libanesen im erwerbsfähigen Alter. Bedenkt man dass der Sozialstaat eine hohe Erwerbsbeteiligungsquote benötigt, wenn er sein großzügiges Leistungsniveau aufrechterhalten will, so wird deutlich, dass das Fundament des Sozialstaates durch fortschreitende nichtwestliche Zuwanderung angegriffen würde. Aktuelle Berechnungen des dänischen Finanzministeriums zeigen in dieser Hinsicht, dass nichtwestliche Zuwanderer den Steuerzahler jährlich 36 Milliarden Kronen kosten.

Wie hat die dänische Politik auf die für jedermann sichtbaren Kosten der Zuwanderung, der drastischen Überrepräsentation von nichtwestlichen Zuwanderern und deren Nachkommen bei Sozialleistungen sowie die aus den Nachbarländern bekannten Fehlanreize des Sozialstaates für Zuwanderer reagiert?

Eine Maßnahme besteht darin, eine Art Filter für den Anspruch auf Sozialleistungen vorzuschalten und Qualifikationszeiten für Sozialleistungen einzuführen, um langfristige Einzahler und eigene Staatsbürger von nichtwestlichen Zuwanderern zu unterscheiden und die Fehlanreize durch großzügige, universelle Sozialleistungen zu reduzieren.

So wird bei der Sozialhilfe mittlerweile zwischen zwei Leistungen unterschieden. Die im internationalen Vergleich großzügige Leistung Kontanthjælp (monatlicher Standardsatz etwa 1.500 €) wird nur an Personen ausgezahlt, die sich in den letzten 8 Jahren mindestens 7 Jahre legal in Dänemark aufgehalten haben sowie mindestens 30 Jahre alt sind oder eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen können. Alle anderen Bezieher, hierunter Asylbewerber, bekommen die sogenannte Starthilfe (Starthjælp), deren Leistungsniveau nur etwa halb so hoch ist. Eine ähnliche Maßnahme wurde im Koalitionsvertrag von ÖVP und FPÖ in Österreich kürzlich vereinbart.

Um das Problem des Dauerbezugs von Sozialleistungen bei Paaren aus nichtwestlichen Ländern weiter anzugehen, wurde 2016 die 225 Stunden-Regel eingeführt. Bei Paaren, die innerhalb der letzten drei Jahre zusammengenommen mindestens ein Jahr Kontant- oder Starthjaelp bezogen haben, werden die Leistungen teilweise oder ganz gekürzt, wenn nicht mindestens 225 Arbeitsstunden innerhalb der letzten 12 Monate nachgewiesen werden können. Das Ziel hier ist den Dauerbezug von Sozialleistungen einzuschränken und dafür zu sorgen, dass Frauen nicht von ihren Männern vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden können, da sich sonst die Sozialhilfe für die Familie reduziert.

Beim Betreuungsgeld, das entgegen anderslautender Beteuerungen aus der deutschen Politik in allen nordischen Ländern gezahlt wird, wurde ein ähnlicher Filter vorgeschaltet. Für den Anspruch auf das Betreuungsgeld gilt ebenfalls die 7 aus 8 Jahren Aufenthaltsklausel, zudem darf keiner der Partner zuvor Sozialhilfe bezogen haben. Diese Bedingungen ergeben sich aus dem Anteil der nichtwestlichen Zuwanderer bei der Sozialhilfe und Erkenntnissen aus Norwegen, wo ein 1998 eingeführtes Betreuungsgeld ohne entsprechende Bedingungen zu einer Kostenexplosion und einer überproportionalen Inanspruchnahme durch muslimische Zuwanderer geführt hat.

Derzeit gibt es zudem Überlegungen die 7 aus 8 Jahre Klausel ebenfalls beim Arbeitslosengeld einzuführen, um Sozialtourismus einzuschränken, sowie den Filter für den Bezug des großzügigeren Sozialhilfesatzes Kontanthjælp auf 9 von 10 Jahren Aufenthalt in Dänemark auszuweiten.

Die dänische Politik hat somit auf die überproportionale Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch nichtwestliche Zuwanderer und deren niedriger Beschäftigungsquoten reagiert. Wie ist es dazu gekommen? Das Einwanderungsgesetz von 1983 mit weitreichendem Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung und die liberale Asylpolitik der sozialdemokratisch-sozialliberalen Nyrup-Regierungen in den 1990ern ließ die Anzahl der nichtwestlichen Zuwanderer, vor allem aus Afrika und dem mittleren Osten, emporschnellen. Dies manifestierte sich zunehmend bei den Sozialleistungsquoten auch wenn dieses Faktum lange Zeit politisch inkorrekt war. Entgegen dem Selbstverständnis konnten Bildungssystem und Sozialstaat keine nachhaltige Verbesserung der Lage von nichtwestlichen Zuwanderern am Arbeitsmarkt erzielen. Die Sozialhilfequote von nichtwestlichen Zuwanderern im Jahr 2017 ist nahezu identisch mit der aus dem Jahre 1997.

Eine ernsthafte politische Debatte über die Konsequenzen der Masseneinwanderung für den Sozialstaat beginnt 2001 mit der Regierungsübernahme der rechtsliberalen Venstre, die mit Hilfe der Dänischen Volkspartei und den Konservativen eine Debatte über die Fehlanreize und Grenzen des Sozialstaates im Zeitalter von Masseneinwanderung und Globalisierung initiiert. Der damalige Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen (Venstre) hatte in seiner ersten Regierungserklärung im Dezember 2001 die überproportionalen Inanspruchnahme von Transferleistungen durch nichtwestliche Zuwanderer kritisiert und Maßnahmen versprochen, die Zuwanderern signalisieren, dass man nicht nach Dänemark kommen kann und von passive Transferleistungen leben kann.

So wurden die Filter für Sozialleistungsbezug und die Qualifikationsperioden zuerst 2002 für die Sozialhilfe angewandt. Später kam die 300 Stunden-Regel hinzu, wonach Ehepartner, die von Sozialhilfe leben, mindestens 300 Stunden Erwerbsarbeit innerhalb von 24 Monaten nachweisen müssen, um die volle Sozialhilfe zu behalten (später auf 225 Stunden in 12 Monaten geändert). Die Sozialdemokraten waren lange Jahre gegen die Unterscheidung von langjährigen Einzahlern und Staatsbürgern gegenüber Zuwanderern mit den aus der deutschen Debatte bekannten Argumenten – es sei rassistisch eine Unterscheidung vorzunehmen, es dürfe kein Ausspielen von Gruppen gegeneinander geben und Bedürftigkeit sei universell. Der dänische Wähler sah dies anders und die Sozialdemokraten verbrachten vier der letzten fünf Legislaturperioden auf der Oppositionsbank und verloren ihre Stammwähler in der Arbeiterschaft an Venstre und Dänische Volkspartei. Letztere konnte diverse Gesetzesverschärfungen beim Asyl- und Zuwanderungsrecht durchsetzen nachdem dem Wähler klar wurde, dass sich universelle Wohlfahrtsstaaten und Massenzuwanderung aus nichtwestlichen Kulturkreisen nicht vereinbaren lassen.

Seit der Wahlniederlage 2015 und der Übernahme des Parteivorsitzes durch Mette Frederiksen und des Fraktionsvorsitzes durch Henrik Sass Larsen ist man bei den Sozialdemokraten nunmehr zu der Einsicht gekommen, dass universelle Wohlfahrtsstaaten und offene Grenzen sich im Sinne Milton Friedmans und Alberto Alesinas ausschließen und zu migrationspolitischen Fehlanreizen führen, die immense Kosten poroduzieren sowie das finanzielle Fundament des Sozialstaates untergraben. Die Sozialdemokraten haben sich daher vielen Maßnahmen der bürgerlichen Parteien in der Sozial- und Einwanderungspolitik angeschlossen und versprochen diese im Falle einer Regierungsübernahme weiterzuführen.

Der Fraktionsvorsitzende Sass Larsen bekannte dazu in der linksliberalen Zeitung Politiken „Unsere Analyse ist, dass alleine die wirtschaftliche Folge der jetzigen Anzahl von Flüchtlingen und Einwanderern innerhalb weniger Jahre jeglichen wirtschaftlichen Spielraum aufzehren würde. Nichtwestliche Zuwanderer sind historisch schlecht in den Arbeitsmarkt integrierbar, und dies gilt auch den Syrern, welche in diesen Zeiten zu uns kommen. Desto mehr, desto schwerer, desto teurer. (…). Eine Masseneinwanderung – wie in Schweden gesehen – wird das Fundament unserer Wohlfahrtsgesellschaft ökonomisch und sozial unterminieren.“

Bei allen drei großen Parteien in Dänemark hat somit eine Problemerkenntnis nach Jahren zuerst unterdrückter, dann offener und ehrlicher Debatte eingesetzt. Grosszügige Transferleistungen und Massenzuwanderung aus nichtwestlichen Kulturen sind langfristig unvereinbar. Die mitunter hysterischen Reaktionen auf die Entscheidung des Chefs der Essener Tafel zeigen, dass diese Problemerkenntnis in Deutschland noch nicht besonders ausgereift ist.

Hinweis: Der Beitrag erschien am 6. März 2018 in „The European“

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Christoph Arndt

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