Kurz kommentiert
Eine Warnung vor einem Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank

In jüngster Zeit sprechen sich einzelne hochrangige Vertreter der Bundesregierung sowie der staatlichen Bankenaufsicht wiederholt für einen „nationalen Champion“ in der Bankbranche in Deutschland aus (vgl. Ohne Verfasser (2018)).

Allerdings warnte die Monopolkommission bereits 2004 sehr deutlich vor der Bildung eines solchen „nationalen Champions“ in der Finanzbranche (Monopolkommission (2004), Textziffer 30):

„Als besonders bedenklich erscheint das Engagement der Bundesregierung zugunsten der Schaffung eines „nationalen Champions“ im Bankwesen. Hier geht  es neben dem Ausmaß der aktiven und bewussten Förderung eines solchen „Champions“ auch um das Ausmaß einer möglichen Staatsgarantie für Zeiten der Krise und um die Anreizwirkungen, die eine solche Garantie auf die Betroffenen haben kann. Seit Mitte der siebziger Jahre ist in Finanzsektoren weltweit ein dramatischer Strukturwandel zu beobachten. Im Zuge dieses Strukturwandels ist es vielfach zu Bankenkrisen gekommen, von der großen Sparkassenkrise in den achtziger Jahren in den USA über die skandinavischen Bankenkrisen Anfang der neunziger Jahre bis zu den Bankenkrisen im asiatischen Raum in der zweiten  Hälfte der neunziger Jahre. Ob diese Krisen als Übergangsphänomen des Strukturwandels oder aber dauerhaft als Element einer neuen Struktur mit stärker ausgeprägten Zins-, Währungs- und Konjunkturrisiken zu betrachten sind, ist noch nicht abzusehen. In der empirischen Forschung besteht aber Übereinstimmung darüber, dass diese Krisen um so eher auftreten und ein um so größeres Ausmaß annehmen, je mehr sich die Banken darauf verlassen, dass sie „too big to fail“ sind und dass der Staat sie im Zweifel nicht fallen lassen wird. In einigen der genannten Fälle, so etwa in den skandinavischen Ländern, erwies sich dann die Übernahme der gescheiterten Banken durch den Staat als ein allzu großer Brocken, so dass dem Fiskus jegliche Fähigkeit abhanden kam, der Rezession der Wirtschaft entgegenzuwirken.“

Sowie in Monopolkommission (2004), Textziffer 31:

Für Deutschland ist hier daran zu erinnern, dass das Wechselspiel von Bankenkrise und Währungskrise im Sommer 1931 maßgeblich mit bestimmt wurde durch die Politik der Großbanken mit Zweigstellennetzen (Deutsche Bank, Danatbank, Dresdner Bank, Commerzbank), die sich in hohem Maße kurzfristig im Ausland refinanziert hatten und eine – im Vergleich zu anderen Instituten – relativ unvorsichtige Liquiditätspolitik verfolgten im Vertrauen darauf, dass die Reichsbank sie wie auch schon in der Vergangenheit bei der Liquiditätsversorgung bevorzugen würde (vgl. I. Schnabel, Macroeconomic Risks and Financial Crisis – A Historical Perspective, Diss. Univ. Mannheim 2003). Im Run der ausländischen Anleger auf Währung und Banken war die Reichsbank nicht mehr in der Lage, diese Erwartung zu erfüllen; die danach ausbrechende Bankenkrise zog eine erhebliche weitere Vertiefung der Wirtschaftskrise nach sich. Die Identifikation von Größe der Banken und Stärke der Banken erwies sich als Illusion, die Privilegierung der Großbanken mit Zweigstellennetzen durch die staatliche Geldpolitik als Aufforderung zu einem Verhalten, dessen katastrophale Folgen das ganze Land in Mitleidenschaft zogen. Die Lehre, die aus dieser Erfahrung zu ziehen ist, ist immer noch aktuell; die Erfahrungen, die andere Länder in den letzten drei Jahrzehnten mit staatlichen Bestandsgarantien und Rettungsaktionen für Banken gemacht haben, zeigen, dass staatliche Privilegierungen großer Finanzinstitute auch heute noch dramatische Folgen haben können. Insofern ist dringend vor einem Engagement zur Schaffung eines „nationalen Champions“ im Finanzsektor zu warnen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Literaturhinweise:

Admati, A. / Hellwig, M. (2013), Des Bankers neue Kleider, Was bei Banken wirklich schiefläuft und was sich ändern muss, München

Gries, L. (2018), Commerzbank und Dresdner Bank, Verschluckt, vom 31.08.2018 (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/commerzbank-dresdnerbank-101.html)

Hellwig, M. (2018), Germany and the Financial Crises 2007 – 2017, Preliminary Draft,
June 2018 (https://www.riksbank.se/globalassets/media/konferenser/2018/germany-and-financial-crises-2007-2017.pdf)

Monopolkommission (2004), XV. Hauptgutachten 2002/2003: Wettbewerbspolitik im Schatten „Nationaler Champions“, Baden-Baden

Muth, R. (2018), Ist die Deutsche Bank eine gesunde, eine kranke oder eine Zombie-Bank?, Wirtschaftliche Freiheit, Blog-Beitrag vom 22.03.2018 (http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=22536)

Ohne Verfasser (2018), BaFin warnt: „Deutschland braucht eine große, globale Bank“, vom 24.08.2018 (https://boerse.ard.de/anlagestrategie/branchen/deutschland-braucht-grosse-globale-bank100.html)

Schnabel, I. / Zimmer, D. (2017), Bankenrettung – Lasst die Banken nicht riesig werden, in: Die Zeit, Nr. 31/2017, vom 27.07.2017 (https://www.zeit.de/2017/31/bankenrettung-finanzkrise-probleme)

32 Antworten auf „Kurz kommentiert
Eine Warnung vor einem Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank“

  1. Ebenfalls sehr zu empfehlen ist der Kommentar von Herrn Michael Balk vom 14.09.2018 mit dem Titel „Banken: Ist nach der Krise vor der Krise?“:

    http://www.fnp.de/nachrichten/meinung-der-redaktion/Kommentar-zu-Banken-Ist-nach-der-Krise-vor-der-Krise;art743,3105637

    Sowie der Artikel von Herrn Stefan Kaiser vom 11.09.2018 über die mögliche Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank mit dem Titel „Es wäre eine Hochzeit aus Angst vor dem Tod“:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bank-und-commerzbank-frankfurter-bankenpoker-a-1227548.

  2. Ferner zu empfehlen ist der Gast-Beitrag von Frau Isabel Schnabel, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, in der Financial Times, vom 27.03.2019, mit dem Titel „A merger between Deutsche and Commerzbank is a bad idea“.

  3. Zudem in zu empfehlen:

    „Können wir uns die Deutsche Bank leisten?“, von Herrn Martin Hellwig, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 15.04.2019, S. 16

  4. Ferner interessant zum Einstieg des Staates – als Eigentümer – bei der Commerzbank vor rund 15 Jahren:

    Julia Löhr / Johannes Pennekamp (2024), Warum der Staat kein guter Unternehmer ist – Nur selten erweisen sich Staatseinstiege als Gewinn. Deshalb sind Ökonomen so skeptisch im Fall der Meyer Werft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), vom Freitag, 23. August 2024, S. 19

    Ein schönes FAZ-Zitat:

    „Die Commerzbank hatte sich mit der Übernahme der Dresdner Bank verhoben, die weltweite Finanzkrise brachte sie dann an den Rand des Abgrunds.“

  5. Außerdem sehr interessant in diesem Kontext:

    Meike Schreiber (2024), Unicredit greift nach Commerzbank, in: Süddeutsche Zeitung, vom Donnerstag, 12. September 2024, S. 14

  6. Zudem sehr zu empfehlen:

    Meike Schreiber (2024), Übernahme der Commerzbank: Niemand muss Angst haben, in: Süddeutsche Zeitung, vom Freitag, 13. September 2024, S. 15

  7. Ebenfalls zu empfehlen::

    Meike Schreiber (2024), Der Mann hinter der Übernahme (der Commerzbank), in: Süddeutsche Zeitung, vom Montag, 16. September 2024, S. 15

  8. Außerdem interessant:

    Meike Schreiber (2024), Orcels Pokerspiel – Plötzlich hat es Unicredit-Chef gar nicht mehr so
    eilig mit der Übernahme der Commerzbank, in: Süddeutsche Zeitung, vom Freitag, 20. September 2024, S. 17

  9. „Steht die mögliche Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit auf der Kippe?“

    Sehr lesenswert in diesem Kontext:

    Meike Schreiber (2024), Dämpfer für Unicredit – Der Bund will keine weiteren Commerzbank-Aktien verkaufen, in: Süddeutsche Zeitung, vom Samstag, 21. September 2024, S. 24

  10. „Früher (in den Achtzigerjahren) hätten sie in Frankfurt und München über die Vorstellung gelacht, eine italienische Bank könnte sich eine große deutsche Bank einverleiben.“

    Zudem sehr zu empfehlen:

    Gerald Braunberger (2024), Kampf um die Commerzbank, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, vom 22. September 2024, S. 17

  11. „Auch Champions können untergehen.“

    Ein sehr zu empfehlendes SZ-Interview mit Herrn Martin Hellwig:

    Meike Schreiber und Markus Zydra (2024), Warnung vor der Mega-Bank – Die italienische Unicredit will die Commerzbank übernehmen. Martin Hellwig, der seit Langem für strengere Banken-Regeln wirbt, sieht das äußerst kritisch, in: Süddeutsche Zeitung (SZ), vom Montag, 23. September 2024, S. 18

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