In einem jüngst erschienenen Interview[1] empfiehlt Steve Hanke, Wirtschaftsprofessor an der Johns Hopkins University, „Forbes“-Kolumnist und ehemaliger Reagan-Berater, ein neues Wechselkursregime, um für systemische Stabilität zu sorgen. Demnach sollten „Europa und die USA übereinkommen, den Euro-Kurs künftig in der Spanne zwischen $ 1.20 und $ 1.40 zu halten.“ Unter diesen Umständen würde Präsident Trump – seiner Meinung nach – nicht mehr auf die Idee kommen, kompetitive Abwertungen zwischen dem Euro und dem US-Dollar zu vermuten. Ähnliche Überlegungen wurden bereits zuvor im Wall Street Journal[2] angestellt.
Der Vorschlag von Hanke lässt sich als eine (verbindlich fixierte) Zielzone für den Wechselkurs interpretieren, die einem Festkurssystem mit mehr oder weniger großen Schwankungsmargen entspricht. Würde der Euro in dem obigen Beispiel unter die Grenze von 1,20 US-Dollar sinken, dann wäre der Euro zu schwach und die amerikanische Notenbank (Fed) würde zu seinen Gunsten intervenieren. Sollte der Euro zu stark werden, würde die Europäische Zentralbank (EZB) US-Dollar kaufen und die Gemeinschaftswährung dadurch schwächen. Die Rahmenbedingungen blieben – zumindest in bestimmten Grenzen – konstant. Doch ist es wirklich so einfach?
Die Interventionen der jeweiligen Notenbank(en) führen zu Veränderungen der Geldbasis und wirken über diesen Kanal wiederum auf die heimische Volkswirtschaft. Sollte der Kurs des Euros unter 1,20 US-Dollar zu sinken drohen, dann würde die Fed – nach den Vorschlägen Hankes – Euro kaufen und US-Dollar verkaufen. Dies entspricht einem expansiven monetären Impuls in den USA, der dort die Inflation im Laufe der Zeit steigen lassen würde. Hätte sich auch die EZB zu Interventionen verpflichtet, so würde sie ebenfalls Euro kaufen und US-Dollar verkaufen, was nun aber einem restriktiven monetären Impuls entspricht – mit der Folge einer längerfristig sinkenden Inflationsrate in der Eurozone. Hätte man also keine Zielzone für den Wechselkurs vereinbart, hätten die USA einen Verlust an (Preis-)Wettbewerbsfähigkeit durch eine stärkere Abwertung des Euros erlitten. Bei Zielzonen (festen Wechselkursen) verlieren die USA aber auch an (Preis-)Wettbewerbsfähigkeit – nun allerdings durch das Auseinanderlaufen der Inflationsraten zu Ungunsten der USA. Der einzige Unterschied liegt darin, dass der Anpassungsdruck über die Inflationsraten in der Regel später einsetzt als derjenige über den Wechselkurs. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Würde nur die Fed intervenieren, so würde die Inflation in den USA entsprechend stärker steigen als in dem zuvor erläuterten Beispiel, bei gleichzeitig unveränderter Inflationsrate in der Eurozone.
Feste Wechselkurse führen demnach – wenn man denn die Mechanismen ungehindert wirken lässt – zu einer zwangsweisen Synchronisation der Geldpolitik. Die Vergangenheit hat aber sowohl für den Fall des Systems von Bretton-Woods als auch beim Europäischen Währungssystem nachdrücklich gezeigt, dass man sich einer solchen Zwangssynchronisation nur dann zu beugen bereit ist, wenn die dadurch ausgelöste Geldpolitik auch mit den konjunkturellen und sonstigen wirtschaftspolitischen Zielen in beiden Ländern vereinbar erscheint. In einer solchen – eher zufälligen – Situation bedarf es aber gar keiner Wechselkursfixierung. Befinden sich die beteiligten Volkswirtschaften allerdings in unterschiedlichen konjunkturellen Phasen, denen man durch individuelle wirtschaftspolitische Maßnahmen entsprechen will, dann ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Währungskrisen und zu einem Auseinanderbrechen von Festkurssystemen gekommen. Warum also ein mehrfach misslungenes Experiment erneut wiederholen?
Die (angebliche) Beggar-thy-neighbor-Wirkung einer expansiven Geldpolitik stellt sich also – letztlich unabhängig vom Währungssystem – entweder bei flexiblen Wechselkursen über die Abwertung der Währung ein oder bei festen Wechselkursen über die Anpassung der Inflationsraten. Kompetitive Abwertungen implizieren darüber hinaus, dass sich (zwei) Länder bei ihrer expansiven Geldpolitik oder mit diskretionären Abwertungen gegenseitig zu übertreffen versuchen, um auf diese Weise (abwertungsbedingte) Netto-Vorteile für die jeweils heimische Wirtschaft zu erlangen.[3] Ein Abwertungswettlauf oder Währungskrieg wird ferner dann begünstigt, wenn die beteiligten Notenbanken nicht unabhängig von politischer Einflussnahme sind. Gegenwärtig ergeben sich die Wechselkursanpassungen hingegen als Folge unterschiedlicher konjunktureller und damit verbundener geldpolitischer Stadien. Vor diesem Hintergrund ist jedoch ein System flexibler Wechselkurse vorzuziehen, da die „Kollateralschäden“ deutlich geringer sind als bei einem Festkurssystem!
Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen steckt darüber hinaus aber auch hier der Teufel im Detail: So muss man insbesondere die zu fixierende Parität und/oder die entsprechenden Bandgrenzen einvernehmlich festlegen. Darüber hinaus muss Einigung erzielt werden über eine Anpassung des Wechselkurses im Zeitverlauf – etwa vor dem Hintergrund der Kaufkraftparität.[4] Denn eine bewusste Manipulation des Wechselkurses fällt in einem Festkurssystem deutlich leichter als bei flexiblen Wechselkursen. Bei einer fixierten Zielzone reicht es nämlich aus, an einem „falschen“ nominalen Wechselkurs festzuhalten oder ihn nur zeitlich stark verzögert anzupassen, wenn sich zum Beispiel die Inflationsraten der beteiligten Volkswirtschaften auseinander bewegen, um sich (ungerechtfertigte) Vorteile zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund sollte man lieber auf die scheinbare Sicherheit eines Zielzonenkonzepts verzichten und sich für die individuelle wirtschaftspolitische Freiheit bei gleichzeitiger Absicherung nach außen über flexible Wechselkurse entscheiden.
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[1] Vgl.: https://www.nzz.ch/finanzen/fonds/wir-muessen-einen-waehrungskrieg-verhindern-ld.1408180
[2] Trump and Money – Monetary reform would help to avoid ‘beggar thy neighbor’ currency devaluations. Leitartikel, Wall Street Journal, 22. Juli 2018.
[3] Vgl. hierzu etwa die entsprechenden Ausführungen zur Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren von Kindleberger, Charles P. : Die Weltwirtschaftskrise, München 1973.
[4] Vgl. hierzu auch http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=23363
- Die Neuregelung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
Schlimmer geht immer! - 1. Februar 2024 - Der Brexit und das Vereinigte Königreich
Drei Jahre danach - 8. Januar 2024 - Wie geht es weiter mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt? - 20. August 2022
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Trump und der manipulierte Wechselkurs
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